home 2019 Das sehr gute Bühnenbild stellt die Darsteller fast in den Schatten

Das sehr gute Bühnenbild stellt die Darsteller fast in den Schatten

Das kleine Studio im Staatstheater Wiesbaden ist perfekt für das Drei-Personen-Stück von James Edward Lyons (Buch) und Paul Graham Brown (Musik). Die Geschichte des mysteriösen King Kong, der von dem karriere- und geldfixierten Carl Denham an den Broadway geholt wird, um dort nach einer Show mit anschließender Massenpanik elendig zu sterben, kennt sicherlich jeder.

Lyons hat die Handlung so zusammengedampft, dass sie sich prima für kleine Bühnen eignet. Das Junge Staatstheater Wiesbaden nimmt solche Stoffe immer dankbar an und Iris Limbarth hat in den letzten Jahren bewiesen, dass sie genau weiß, wie sie ihre semiprofessionellen Darsteller in mehr oder weniger bekannten Stücken in Szene setzt.

In den Hauptrollen sind in der gut besuchten Vorstellung Tim Speckhardt (Carl Denham), Felicitas Geipel (Ann Darrow) und Benjamin Geipel (Jack Driscoll) zu sehen. Dass von den Dreien Speckhardt das beste Gesamtpaket zur Verfügung hat, zeigt er auch an diesem Abend nachdrücklich. Er singt sich fast fehlerfrei durch Browns leichtfüßige Melodien und überzeugt als schmieriger, nur den Erfolg im Blick habender Broadwayproduzent.

Felicitas und Benjamin Geipel zeigen da schon deutlich mehr Schwächen… Während man Felicitas Geipel die Naivität und Leichtigkeit der jungen Schauspielerin Ann Darrow nicht so recht abnehmen will, gibt Benjamin Geipel einen überzeugenden Seebären, für den es als Einzelgänger sehr überraschend ist, nicht nur eine Frau an Bord zu haben, sondern sich auch noch in diese zu verlieben. Gesanglich werden beide jedoch von Speckhardt abgehängt, dafür hört man bei beiden zu oft zu viele schiefe Töne.

Schiefe Töne kommen aber auch von Frank Bangert, der am Klavier und der Melodica den Abend instrumental (mit Ausnahme des zweimaligen Einsatzes einer Bongotrommlerin) allein bestreitet. Während er Browns Kompositionen am Klavier noch schön wiedergibt, klingen diese auf der Melodica doch oft sehr unsauber. Da hätte man sich gewünscht, dass stattdessen vielleicht doch ein Cello oder ähnliches an Bangerts Seite gewesen wäre. Dies hätte den klangvollen Stücken aus Browns Feder auch mehr Volumen verliehen.

Das Highlight dieser Inszenierung ist die Arbeit von Iris Limbarth und Britta Lammers (Bühne). Hier gibt es viele pfiffige Ideen, die den Abend kurzweilig werden lassen und von den Schwächen der Darsteller ablenken. Da ist zum einen die Tür im hinteren Teil der Bühne, die treffsicher als Küchentür in einem Diner, als Schiffstür mit Bullauge und als Bühnentür (mit Affe dahinter) fungiert.

Auch King Kongs übergroße Hand, die von einem ganz in schwarz gekleideten Ensemblemitglied sehr unauffällig über die Bühne geschoben wird, erwartet man hier so nicht. Felicitas Geipel kann auf der Handfläche bequem Platz nehmen und sich dort sogar regelrecht hineinkuscheln. Diese Großkulisse ist dem Jungen Staatstheater exzellent gelungen.

Die vielen Schrank- und Truhenkoffer auf dem Schiff, welche auch als Mobiliar im Hotel, als  Versteck im Urwald und auch als Spitze des Empire State Buildings dienen, werden auch sehr gut eingesetzt. Zu keiner Zeit hat man das Gefühl, dass hier irgend etwas nicht stimmen würde.

Zur Ausstattung im weiteren Sinn gehören auch die Projektionen aus Schwarz-Weiß-Filmen, die von Gérard Naziri und Benjamin Geipel zusammengestellt und für das Stück angepasst wurden. Vor Beginn des Stücks und während der Pause werden die Zuschauer so in die richtige Zeit versetzt. Ein gelungener Schachzug.

Limbarth überzeugt in dieser Produktion weniger dank ihrer Choreographien, für die sie diesmal ebenfalls verantwortlich zeichnet, als vielmehr wegen guter Regie-Einfälle, die das Publikum zum Lachen und Staunen bringen. Dazu zählt u. a. der „umgedrehte Limbo“, der von den Darstellern mithilfe von Masken und somit einer doppelseitigen Figur problemlos bewältigt wird. Aber auch die Flucht vor Kong über die Insel, mit dem im Hintergrund „vorbeiziehenden“ Fluss, ist sehr gelungen. Hier wurde mit weniger, sehr zielsicher eingesetzter Theatermagie genau der passende Rahmen für dieses Stück geschaffen.

„King Kong“ in Wiesbaden reiht sich ein in eine lange Riege von Stücken, die – je nach Spielstätte – ein größeres oder kleineres Publikum begeistern.

Vielleicht wäre es aber eine schöne Idee, auch mal anderen Sängerinnen die Chance auf eine Hauptrolle zu geben. Felicitas Geipel spielt so ziemlich jede weibliche Hauptrolle in Produktionen des Jungen Staatstheaters, doch nicht immer passt sie altersmäßig oder von der Stimmfarbe und -lage her zu der jeweiligen Rolle. In anderen Stücken hatten jedoch schon einige Ensemble-Kolleginnen gezeigt, dass auch sie durchaus in der „ersten Reihe“ bestehen können.

Man darf schon jetzt gespannt sein, welche Stücke das Junge Staatstheater Wiesbaden sich für die kommende Spielzeit aussuchen wird. Denn es sind immer schöne Überraschungen oder selten gespielte Musicals dabei, über die sich das Publikum sehr freut.

Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: Staatstheater Wiesbaden
Besuchte Vorstellung: 4. März 2019
Darsteller: Felicitas Geipel, Tim Speckhardt, Benjamin Geipel
Musik / Regie: Paul Graham Brown / Iris Limbarth
Fotos: Christine Tritschler