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Licht & Schatten, Verwirrung & Klarheit

Schon 2018 konnte das Publikum in Kiel in der Regie von Daniel Karasek eine Musical-Fassung von William Shakespeares Komödie „Was Ihr wollt“ erleben (Buch: Daniel Karasek & Kerstin Daiber, Musik: Martin Tingvall). In dieser Spielzeit zeigt das Junge Musical am Theater Lüneburg erneut eine musikalische Uraufführung dieses literarischen Verwirrspiels – diesmal mit der Musik von Daniel Stickan. Friedrich von Mansberg zeichnet neben Buch und Texten auch für die Regie verantwortlich.

„Was Ihr wollt“ erzählt die Geschichte der schiffbrüchigen Viola, die sich unsterblich in ihren Dienstherrn Orsino verliebt. Der jedoch ist ebenso besessen von der um ihren Bruder trauernden Olivia, die dem Werben des Herzogs jedoch nichts abgewinnen kann. Stattdessen lässt sich Olivia den Kopf verdrehen von Cesario, Orsinos Botenjungen, in dessen Verkleidung niemand anderer steckt als Viola. Hinzu kommen noch ein paar Intrigen von Verwandten und Angestellten und fertig ist die perfekte Shakespeare-Komödie, die zudem noch ein ausgesprochenes Happy End hat. Denn Viola trifft ihren ertrunken geglaubten Zwillingsbruder Sebastian wieder, Olivia heiratet eben diesen und Orsino gibt Olivia endlich auf und wendet sich Viola zu.

Das ohnehin schon sehr hohe Potential an Beziehungswirrwarr wird in Lüneburg noch dadurch gesteigert, dass alle Rollen genderneutral besetzt wurden. Und so kommt es, dass Orsino von Lotta Wroblewski, Viola von Leo Ehmke, Olivia von Janosh Kratz, Malvolio von Nike Just, Maria von Frithjof Gerken, Tobias und Christoph von Hanna Langenbrink und Belana Pittin gespielt wird. Arndt Möller (Sebastian), Sascha Littig und Jakob von Mansberg (Narren) komplettieren das Ensemble des Jungen Musicals Lüneburg am Premierenabend.

Bei „Was Ihr wollt“ gibt es viel Licht und Schatten. Herausragend agieren und singen die beiden Narren Sascha Littig und Jakob von Mansberg. Sie sorgen für lustige, freche und nachdenkliche Momente, sind von Friedrich von Mansberg gut in Szene gesetzt und scheinen in ihren Rollen aufzugehen. Präzise halten sie den anderen Darstellern den Spiegel vor.
Nike Just stellt als Malvolio alle anderen in den Schatten. Sie spielt leidenschaftlich und überzeugt gleichermaßen gesanglich, was bei einer so überzogenen Drama Queen wie Malvolio sicherlich herausfordernd ist. Ihre Ausstrahlung ist raumgreifend (nicht nur, wenn das Ensemble sie durch den Saal „schweben“ lässt). Diese Nachwuchsdarstellerin gehört 100%ig auf die Bühne!

Ähnlich begeisternd spielt Janosh Kratz als Olivia: Das Verletzliche und Genervte der jungen Prinzessin bringt er genauso glaubwürdig über die Rampe wie das Verliebte. Auch gesanglich gehört er zu den Besseren. Auch Leo Ehmke gelingt es in seiner ungewöhnlichen Doppelrolle als Viola und Cesario zu glänzen, insbesondere wenn er sich am Piano von Pascal F. Skuppe (Musikalische Leitung) selbst begleitet.

Apropos Musik – hier lässt sich kein roter Faden erkennen: Der Titelsong „Was Ihr wollt“ geht zwar ins Ohr, ist aber inhaltlich sehr dünn. Und nach der gefühlt achtzehnten Reprise von „Geist der Liebesglut“ hat man auch diesen Song eindeutig über. Über diese schwer greifbare kompositorische Handschrift täuschen auch die recht anspruchsvollen und von den jungen Darstellern sehr gut umgesetzten Choreographien von Rhea Gubler nicht hinweg.

Die Kostüme wirken im Gegensatz zum Bühnenbild seltsam unausgewogen (Bühnen- und Kostümbild Barbara Bloch). Eine Struktur sucht man hier vergebens. Von Mansberg überspannt den Bogen auch inszenatorisch einige Male. Als Beispiel sei hier nur der völlig überzogene Lichtschwertkampf von Christoph und Cesario genannt.

Tatsächlich ist es am Ende wirklich egal, wer welche Rolle spielt. Wenn der/die Darsteller/in das entsprechende gesangliche und schauspielerische Können hat, gibt es keinen Grund, alle Figuren genderkonform zu besetzen. Das war bekanntermaßen zu Shakespeares Zeiten auch nicht der Fall, das Frauen damals nicht auf der Bühne agieren durften. Wünschenswert wäre es, wenn sich in der Gesamtinszenierung eine einheitliche Handschrift erkennen ließe. Nichtsdestoweniger zeigt das Junge Musical Lüneburg einmal mehr, wieviel Können und Kreativität in ihnen steckt. Von der Begeisterung für die Bretter, die die Welt bedeuten, ganz zu schweigen!

Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: Junge Bühne T.3, Lüneburg
Premiere: 3. November 2023
Darsteller:
Lotta Wroblewski, Leo Ehmke, Arndt Möller, Janosh Kratz, Frithjof Gerken, Hanna Langenbrink, Belana Pittin, Nike Just, Sascha Littig, Jakob von Mansberg

Regie / Musikalische Leitung: Friedrich von Mansberg / Pascal F. Skuppe
Fotos: Jan Hoek