home 2023, Neu Eine schwungvolle Musicalrevue mit talentiertem Nachwuchs

Eine schwungvolle Musicalrevue mit talentiertem Nachwuchs

War es in den vergangenen Jahren so, dass die Stage School Hamburg mit ihrer „Großen Weihnachtsshow“ alljährlich alles, was Weihnachten an Deko, Klischees und (musikalischen) Wundern zu bieten hat, über dem Publikum förmlich ausschüttete, war schon vergangenes Jahr in der Regie von Kira Hehlemann zu spüren, dass sich an der „Überdosis Weihnachten“ zumindest im First Stage Theater etwas ändern würde. Auch 2023, in der bereits siebten Auflage der „Großen Weihnachtsshow“ übernahm Hehlemann die Regie und schickt die Zuschauer in ein magisches Hotel, in dem die Gäste einige Spukmomente erleben und gemeinsam den wahren Geist der Weihnacht suchen, um das Hotel wieder verlassen zu können.

Im Gegensatz zu vorangegangen Jahren gibt es also eine durchgehende Handlung und auch einen von Felix Wienbürger mehr als ansprechend gestalteten Rahmen. Wie er die Bühne für die Weihnachtsshow verwandelt hat, ist beeindruckend! Bis das Hotel sein wahres Ich zeigt und die Hotelgäste quasi einsperrt (der einzige Ausgang wäre eine Drehtür, die aber alle, die das Haus verlassen wollen, schwungvoll wieder hineinbefördert), dauert es jedoch fast den gesamten ersten Akt. Das Publikum trifft verschiedenste Hotelgäste, die alle ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern.

Da ist der Butler, der mit „It’s beginning to look a lot like Christmas”, alle auf die Feiertage einstimmt. Pascal Giebels, warme, voluminöse Stimme und seine herzliche Ausstrahlung passen perfekt zu diesem Song. Richtig tolle Pop-Stimmen haben auch Babak Malekzadeh und Lea Vowinkel, die als aufgesetzt freundliches, sich aber zutiefst verachtenden Paar ein urkomisches „Merry Christmas, Baby“ aufs Parkett bringen.

Highlight des ersten Akts ist aber ganz sicher Laura Schäfer, die den beliebtesten und gleichzeitig meistgehassten Weihnachtssong, „Last Christmas“ derartig durch den Kakao zieht, dass das Publikum vor Freude juchzt (Idee: Lars Redlich). Für Gänsehaut sorgt „O Holy Night“ in der Version aus der TV-Serie „Glee“, wo Gesang und Tanz eine wahrlich traumhafte Einheit bilden.

Während bspw. „Drei Worte von Dir“ aus „Ghost“ so gar nicht in den weihnachtlichen Kontext dieser Revue passen will, ist „Hang your Lights“ (Jamie Cullam) von Anna Talimaa und Lea Vowinkel ein perfekter Beleg für die hohe Qualität der zukünftigen Absolventinnen der Stage School. Auch Songs aus „Das Wunder von Bern“ oder die Comedian Harmonists wollen nicht so recht ins Gesamtbild passen. In die Pause entlassen wird das Publikum mit einer Slapstick-Nummer zu Harry Belafontes „Banana Boat Song“ (Day-O), der von Kira Hehlemann kurzerhand etwas ungelenk auf „Weihnacht“ umgedichtet wurde.

Im zweiten Akt versucht jeder Gast auf seine Art, das „magische Hotel“ davon zu überzeugen, dass er bzw. sie Weihnachten liebt. Wirklich glaubwürdig erscheinen dem Hotel nur wenige dieser Liebesbekundungen. Und wer kann es dem Hotel verdenken?

„Willkommen bei uns zur Weihnachtszeit“ ist eine adaptierte Version von „Family Madrigal“ aus „Encanto“ – fürwahr ein toller Song, doch in dieser deutschen Fassung nur bedingt ein Genuss. Der wortgewaltige und sehr witzige „Weihnachtsrap“ und das sehr akkurate „Carol of the Bells“ entschädigen hierfür jedoch vollumfänglich. Als nächstes versuchen die Gäste, das Hotel damit für sich zu gewinnen, dass sie eine „Frau für Santa“ (oder doch einen Mann?) suchen. Die Szene fliegt atemlos am Publikum vorbei und ist herrlich schräg. Auch „Der Weihnachtsmann und ich“ in Anlehnung an „The Wizard and I“ („Wicked“) sorgt für Begeisterung beim Publikum. Torben Bach hat für beide Szenen die Projektleitung übernommen und stellt nachdrücklich nicht nur sein komödiantisches Talent, sondern auch seine Gesangsvermögen, unter Beweis. Munja Meier sorgt mit einem sehr gefühlvoll gesungenen „Please come home for Christmas“ für die leiseren Töne der zweiten Hälfte.

Choreographisch kann Adam M. Cooper bei den Studierenden der Stage School einmal mehr aus dem Vollen schöpfen. Das Ergebnis sind überaus gelungene Pas de deuxs (u.a. „Rewrite the Stars“), in denen die Paare geschmeidig und gefühlvoll über die Bühne schweben sowie energiegeladene Ensemblenummern, beiden im wahrsten Sinn die Stuhlreihen im Theater anfangen zu beben (bspw. die sehr stimmige Steppnummer zu „Polarexpress“ und natürlich das „Showballett“ zu einem Potpourri von Weihnachtssongs, ganz zu schweigen vom „Weihnachts-Chaos“).

So verlockend die Idee einer durchdachten Handlung und eines roten Faden auch scheinen mag, es bleibt viel von der Kreativität früherer Inszenierungen auf der Strecke. Natürlich können die Studierenden auch in dieser – im Übrigen schon zur Premiere nahezu ausverkauften Spielzeit – Revue ihr Können und ihre Vielseitigkeit zeigen, aber die unbedingte Spielfreude, der Spaß daran, die Gratwanderung zwischen Kitsch und Kunst auszutesten, das fehlt in dieser doch recht glattgezogenen Musical-Show.

Premierenpublikum ist jedoch immer sehr wohlwollend – was sicherlich auch an den zahlreich anwesenden Absolventen und (ehemaligen) Mitarbeitern liegt – und so bekommen die 42 Nachwuchsdarsteller den tosenden Applaus, den sie für ihre fulminante Leistung verdienen.

Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: Fist Stage Theater, Hamburg
Premiere: 6. November 2023
Darsteller:
Studierende der Stage School Of Music, Dance and Drama

Regie / Choreographie: Kira Hehlemann / Adam M. Cooper
Fotos: Dennis Mundkowski