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Blonder gehts nicht!

Jedes Jahr stellt sich der zweite Jahrgang der Stage School vor Beginn seines letzten Ausbildungsjahres der Herausforderung, komplett eigenständig ein Musical auf die Bühne des First Stage Theaters zu bringen. In diesem Jahr fiel die Wahl der Studienden auf „Natürlich Blond“ von Heather Hach (Buch) sowie Laurence O’Keefe und Nell Benjamin (Musik).

Dem breiten Publikum ist der gleichnamige Film aus dem Jahr 2001 mit Reese Witherspoon als überspannt-oberflächliche Elle Woods sicherlich ein Begriff.

Tatsächlich ist auch auf der Musicalbühne die bestimmende Farbe „pink“. Elle Woods ist ein Highschool-Darling durch und durch. Aussehen und Status spielen in ihrem Leben die größte Rolle. Doch als der von ihr als zukünftiger Ehemann auserkorene Warner sie kurzerhand abserviert, um in Harvard Jura zu studieren, wandelt Elle ihren verletzten Stolz in Ehrgeiz um. Zunächst noch mit dem einzigen Ziel, Warner zurückzuerobern, später aber durchaus mit einem guten Gespür für Gerechtigkeit, beginnt sie ebenfalls Jura in Harvard zur studieren – und das mit vollem Erfolg! Zumindest beruflich… Sie wird zum gefeierten Star der Fakultät: ein Händchen für Mode und Cleverness schließen sich eben doch nicht aus. Sie erkennt Warners Oberflächlichkeit und wendet sich von ihm ab. Emmett Richmond hat von Anfang an ihr Potential erkennt. Schließlich merkt auch Elle, dass er der Richtige für sie ist.

Die Studierenden haben sich alles selbst erarbeitet: Von der Regie über die Besetzung, Choreografie und Ausstattung lag alles in ihren Händen. Man kann dem Nachwuchs nur gratulieren: Sie haben eine gelungene, kurzweilige Produktion auf die Bühne gebracht. Unter der Supervision von Nadja Dan Bernhardt hat Talitha Kemnitzer (Regie) Handlung und Charaktere sehr stimmig in Einklang gebracht (Assistenz: Sarina Böker). Nadja Kilchherr hat ihren Mitstudierenden spannende Choreografien auferlegt, die diese wunderbar flüssig interpretieren (Assistenz: Monique Weißflog). Elles getanztes Motivationsschreiben ist nicht nur sehr pink, sondern durch seine Steppeinlagen auch richtig cool. Auch die herausfordernde Springseil-Choreografie bei „Bring Dich in Form“ darf hier nicht unerwähnt bleiben.

Für die Optik waren Jule Kim Herrmann (Kostüme) und Elisabeth Bengs (Maske & Make-Up) zuständig. Beiden gelingt es, die Protagonisten nicht zu überzogen einzukleiden und ein durchdachtes Gesamtbild zu kreieren. Emil Schuler zeichnete verantwortlich für die sehr gute musikalische Leitung in den elf Vorstellungen. Das Team vom First Stage unterstützte bei der akustischen und optischen Einrichtung der Bühne (Daniel Holtz: Light Design und Sebastian Rieß: Sound Design).

„Natürlich Blond“ ist eine temporeiche Show, in der es vor Wortwitz (Kevin Schroeder & Heiko Wohlgemuth) nur so sprüht. Manch ein Nachwuchskünstler hat hier noch seine liebe Müh gesanglich oder vom Sprachtempo her mitzuhalten, doch im Großen und Ganzen überzeugt der inzwischen dritte Jahrgang der Stage School.

Elisabeth Bengs gelingt die Gratwanderung von der zwar engagierten, aber reichlich oberflächlichen Delta Nu Schwester zur entschlossenen Nachwuchs-Juristin und mitunter durchaus tiefsinnigen Freundin von Paulette sehr gut. Sie „quietscht“, wenn man es erwartet, und ist seriös, wenn es angebracht ist. Auch gesanglich stemmt sie die Partie ohne Grund zu klagen. „Oh mein Gott“ ist wirklich fabelhaft!

Entsprechend dem Rollenprofil (Männer machen in dieser Show keinen Stich) gibt Maximilian Kikken einen eher blassen und langweiligen Warner ab, bei dem man sich fragt, was Elle und später auch Vivienne an ihm finden (außer seinem Geld). Auch Melina Stauffer geht als Vivienne eine Wandlung von der Karriere-besessenen Studentin zur anerkennenden Mitstreiterin Elles durch. Beide Facetten bringt sich glaubwürdig über die Rampe. Den Buhmann in diesem Stück gibt Dominik Krumschmidt, der als Professor Callahan nicht nur seine Studierenden nach Strich und Faden gängelt, sondern seine Position auch gegenüber Studentinnen missbraucht und u.a. Elle begrapscht. Krumschmidt hinterlässt mit seiner Interpretation einen bleibenden Eindruck im besten Sinn. Unsympathische Charaktere kann nicht jeder so authentisch spielen. „Blut in den Kiemen“ besticht nicht nur durch den hervorragenden Text, sondern auch durch Krumschmidts Intensität. So einen Professor möchte ganz sicher niemand haben!

Neben Elle Woods sind Paulette und Emmett die dankbarsten Figuren in „Natürlich Blond“. Lena Detert darf als selbstbewusste Stylistin einerseits Elle motivieren, ihren Weg weiterzugehen; andererseits muss sie sich selbst zum Glück zwingen lassen, ihren Postboten Kyle (großartig gespielt von Lorin Goltermann) anzusprechen. Detert hat ein gutes Gespür für Komik, ist emotional immer auf den Punkt und liefert gesanglich einige wunderbare Momente ab. Emmett ist zunächst der unscheinbare Erstsemester-Tutor, der sich aber schnell als echter Mentor und Freund für Elle entpuppt. Dass Emmett mehr als nur freundschaftliche Gefühle für Elle hegt, spüren die Zuschauer sofort. Philip Kuhn setzt mit seinem einfühlsamen und doch beharrlichen Spiel ein Ausrufezeichen.

Szenen, die in Erinnerung bleiben, sind „Knick und Pop!“, wo dank gekonnt pointierter Situationskomik ein sehr lustiger Moment entsteht. Auch die finale Szene bei Gericht, in der mit „Schwul oder Franzose“ der wahre Täter überführt wird, besticht gleichermaßen durch die schon erwähnten exzellenten Texte von Wohlgemuth und Schroeder sowie eine ausgeklügelte „Hand-Choreographie“.

„Natürlich Blond“ ist eine knallbunte, unbeschwerte Show, die für viele Lacher sorgt und an einigen Stellen auch unerwartet Tiefgang hat. Dass sich die 36 Studierenden genau dieses Semesterprojekt ausgesucht haben, ist ein Gewinn für die Hamburger Musicalszene. Nicht nur, dass sich die Nachwuchsdarstellenden für weitere Engagements nach Abschluss empfehlen, auch Hamburg steht es gut zu Gesicht, mal wieder ein Stück zu sehen, das es auf deutschen Bühnen noch nicht allzu oft gab.

 

Michaela Flint
gekürzt erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: First Stage Theater, Hamburg
Besuchte Vorstellung: 29. Juli 2023
Darsteller: Studierende der Stage School of Music, Dance & Drama
Regie / Kostüme / Choreografie / etc.: Studierende der Stage School od Music, Dance & Drama
Fotos: Dennis Mundkowski