Mehr als 20 Jahre hat es seit der Premiere gedauert, bis eines der erfolgreichsten Musicals der Welt der Sprung auf die Kino-Leinwand gelang.
Was „Wicked“ seit jeher ausmacht, ist die perfekte Mischung von mitreißender Story, grandioser Ausstattung (Bühne & Kostüme) und unvergesslichen Songs. Ganz zu schweigen von den Darstellerinnen, die diese Show berühmt gemacht haben: Idina Menzel und Kristin Chenoweth.
Regisseur Jon M. Chu („Crazy Rich Asians“, „In the Heights“) hat die Köpfe mit Winnie Holzman und Stephen Schwartz (die schon Buch & Musik der Bühnenfassung verantworteten) zusammengesteckt und herausgekommen ist ein preisgekröntes Leinwand-Musical, von dem man kaum genug bekommen kann. Es gibt so viel zu sehen:
- Nathan Crowleys zauberhaftes Produktionsdesign: Man erkennt alles wieder, nichts ist krampfhaft modernisiert worden. Farbwelten passen, Gebäude haben verspielte Details, erinnern aber an die Welt, die Eugene Lee für die Bühne erdacht hat.
- Paul Tazewells treffsicheres Kostümbild: Munchkins, Shiz-Studierende, Ozians in der Emerald City, natürlich Glinda, Elphaba, Mme. Morrible und der Wizard – alles sieht vertraut aus.
- Technische Finessen wie der Emerald City Express oder die wandelbare Shiz Bibliothek ergänzen das bekannte Setting perfekt.
Man sieht in jeder Szene, dass sich Crowley und Tazewell intensiv damit befasst haben, wie man mit Farben ganze Lebensräume erschafft. Auf der Musicalbühne nichts Neues (vgl. „Les Misérables„), auf Celluloid für nicht Wenige sicherlich etwas gewagt. Tazewell ist sich bewusst, dass
das Publikum aufgrund der langen Laufzeit des Musicals weltweit bereits bestimmte Vorstellungen von Oz und „Wicked“ hat. „Ich musste dieses etablierte Universum respektieren und gleichzeitig den Geist von Wicked mit einer neuen Vision einfangen“, so Tazewell.
Ein Ausflug in die Kostümwelt von Wicked (Auszug aus dem Presseheft)
Tazewells wohl wichtigste Aufgabe bestand darin, den Kontrast zwischen den beiden Hauptfiguren des Films, Elphaba und Glinda, geschickt darzustellen. Ihre Kostüme sollten nicht nur ihre gegensätzlichen Persönlichkeiten widerspiegeln, sondern auch ihre Wandlungsprozesse und die tiefe Verbundenheit symbolisieren, die sie trotz ihrer Unterschiede empfinden.
Bei den Kostümen von Elphaba und Glinda betont Tazewell die Gegenüberstellung von Dunkelheit und Licht sowie von Struktur und Verspieltheit. „Die Kostüme beider Figuren haben eine ähnliche Grundform, unterscheiden sich aber deutlich in den Details“, sagt Tazewell. „Elphabas Design ist schlank, starr und kantig und spiegelt ihre anfänglich zurückhaltende und bestimmte Persönlichkeit wider. Im krassen Gegensatz dazu besitzt Glinda eine raffinierte Ausstrahlung, die eine sorgenfreie Welt symbolisiert.“
Elphabas Kostüme in „Wicked“ spiegeln ihre Entwicklung von einer Außenseiterin zu einer starken, selbstbewussten Frau wider – angefangen bei ihren Outfits aus Kindertagen mit strukturierten Elementen wie Filz und mit Laser zugeschnittenen Ranken bis hin zu ihrem erwachsenen Korsett-Look in Shiz. Tazewells Entwürfe verleihen Elphabas Charakter eine völlig neue und dynamische Dimension.
- Inspiration durch die Natur: Elphabas Kostüme sind von natürlichen Elementen inspiriert, vor allem von Pilzen. Verschlungene Texturen und Muster wie die Fibonacci-Spirale symbolisieren das Leben und die Natur. Diese organischen Elemente unterstreichen ihre Verbundenheit mit der natürlichen Welt und ihren Einsatz für die Tiere.
- Filztechnik: Beim Filzen werden Woll- oder Seidenfasern durch Dämpfen und Stampfen zu einem Stoff verarbeitet. Bei Elphaba trägt dieser Stoff zu einem sehr organischen Look bei: Das erste Kleid, in dem sie an der Universität Shiz zu sehen ist, besteht vollständig aus Filz und verfügt über organische Elemente am Saum – beides kennzeichnet sie als Außenseiterin.
- Der „Wicked-Look“: Zu Elphabas charakteristischem „Wicked-Look“ gehört ein Kleid aus Mikroplissee-Stoff, der akribisch auf eine Basis aufgezogen wurde, sodass eine wellenförmige Bewegung entsteht. Mit seiner organischen Filzstruktur greift das Kleid ihre Herkunft auf und unterstreicht den Gedanken, dass Elphaba ihr wahres Ich bewahrt.
- Veränderung: Während Elphabas Weg durch entscheidende Momente auf den Höhepunkt ihrer Geschichte zusteuert, verändert sich auch ihre Kleidung. Die Überreste ihres Kleides werden zu einem bedeutenden Stück umfunktioniert, in das Elemente aus früheren Zeiten eingearbeitet sind. Diese Verwandlung spiegelt ihr persönliches Wachstum und ihre Entwicklung im Laufe der Geschichte wider.
Glindas Kostüme zeugen von der Kraft der Weiblichkeit und der Anziehungskraft von Zartheit und geschwungenen Formen. Durch eine Palette von Rosa, Lavendel sowie schimmernden Farbtönen, die an eine Seifenblase oder Polarlichter erinnern, ruft Tazewells Vision für Glinda ein Gefühl der Gutherzigkeit hervor. Diese Elemente sind auf ihren Charakter abgestimmt und heben ihre besonderen Eigenschaften in verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung hervor.
- Historische Inspiration: Glindas charakteristischer Look ist stark von historischen Formen inspiriert. Tazewells Design kombiniert Formen, Stoffe und Verzierungen.
- Seifenblasen und Schmetterlinge: Glindas Garderobe versinnbildlicht die Themen Fliegen und Überschwang: Seifenblasen und Schmetterlinge symbolisieren ihr Temperament und ihre Persönlichkeit. Rosa- und Lavendelfarben, die an das viktorianische Zeitalter erinnern, verleihen ihrer Kleidung Weiblichkeit und Eleganz.
- Schillernder Lagen-Look: Das legendäre rosafarbene Bubble-Kleid erinnert an die Fibonacci-Spirale, die Ausführung in fließendem Lavendel weist mehrere schillernde Lagen auf. Diese Elemente spiegeln Glindas ätherisches und bezauberndes Wesen wider.
- Individuelle Stickereien und Drucke: Glindas Kostüme sind mit individuellen Stickereien und Prints auf Kleidern in verschiedenen Schnitten gestaltet. Die Kombination aus Rock und Blazer, die sie zu Beginn trägt, erinnert an den Dior-Stil der 1950er-Jahre – das Kostüm betont eine schmale Taille und weiche Hüften.
- Ozkothek-Outfit: Glindas Kostüm für den Ball in der Ozkothek verbindet die bekannte Dior-Ästhetik mit übergroßen Blütenblättern aus Seide. Der Farbverlauf wechselt von leuchtendem Gelb zu zartem Rosa und soll die Farbenpracht der blühenden Rosen im Queen Mary’s Rose Garden im Londoner Regents Park widerspiegeln.
Auch bei den weiteren Charakteren lohnt ein genauer Blick auf die Kostüme:
Der Wizard of Oz: Die Kostüme von Jeff Goldblum zielen darauf ab, den Zauberer als einen Amerikaner aus dem Mittleren Westen – genauer gesagt aus Omaha – darzustellen. Der Schnitt seines Anzugs erinnert an einen Gehrock aus der Zeit um 1900. Ursprünglich trug der Zauberer grün, um einen visuellen Bezug zur Smaragdstadt herzustellen, doch seine Kleidung enthält auch persönliche Details wie einen Uhrenanhänger in Ballonform und ein goldenes Medaillon seines früheren Auftritts bei der Weltausstellung. Außerdem integrierte das Team Goldblums persönliche Brillenlinie in die Kostüme, wodurch der Look der Figur ein besonderes Flair bekommt.
Bei Madam Morrible, gespielt von Michelle Yeoh, ließ Tazewell besondere Vorsicht walten und gestaltete die Garderobe bei der Einführung an der Universität Shiz so, dass sie das Publikum durch ihre mystische Persönlichkeit fasziniert. Ihre Kleidung ist – thematisch passend – mit Wettermotiven wie wirbelnden Wolken und dynamischen Elementen geschmückt, die entweder aufwendig gestickt oder Teil eines Perlenmusters sind. Die Farbvariationen, die die Wolkenmuster aufgreifen, verleihen ihren Kostümen Tiefe und einen geheimnisvollen Touch.
Mit einer Palette aus hellen und cremefarbenen Tönen vermitteln die Kleider von Nessarose absolute Unschuld und verleihen ihr eine frische und optimistische Ausstrahlung. Die texturierten Stoffe knüpfen thematisch an die Kostüme ihrer Schwester Elphaba an, während ein Hauch von Rot den Einfluss ihrer Mutter versinnbildlicht und eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlägt.
Dieser neue Geist, den Chu und Tazewell beschwören, zeigt sich auch in der Besetzung.
Die Rolle der Elphaba umfasst mehr als nur Gesang und Bühnenpräsenz – sie verlangt emotionale Tiefe, die Fähigkeit, das Leid und den Schmerz auszudrücken, den Elphaba ihr Leben lang erfährt. Als einzige Person in Oz mit grüner Haut stellt sie die kleinste Minderheit dar, was sie zur Außenseiterin macht. Hinter ihrem harten Äußeren verbirgt sich jedoch ein reines, gutes Herz. Eine Schauspielerin zu finden, die all diese Facetten – oft ohne Worte – transportieren kann, war keine einfache Aufgabe. Regisseur Chu entdeckte dies in Cynthia Erivo. „Dass Cynthia Erivo, eine Person of Colour, eine Frau spielt, die grüne Haut hat, macht einen großen Unterschied“, sagt Chu. „Als sie ‚Defying Gravity‘ sang, hat sie förmlich die Bühne gesprengt. Wir wussten sofort, dass unsere Suche endlich ein Ende hatte.“
Stephen Schwartz hat mit allen Darstellerinnen von Elphaba zusammengearbeitet, um den einzigartigen Sound für seine Musik zu entwickeln. Auch für ihn ist Erivo unvergleichlich. „Cynthia ist eine außergewöhnliche Schauspielerin mit einem hervorragenden Gespür dafür, was in der Figur vorgeht und wie sie es zum Ausdruck bringen kann“, sagt Schwartz. „Sie hat eine unglaubliche Kontrolle über ihre Stimme. Es ist wie bei einem Musiker, der weiß, wie er das Optimum aus einem guten Instrument herausholen kann. Das ist es, was ich erlebt habe, als sie diese Lieder gesungen hat. Sie gibt Elphaba eine Wildheit und Tiefe, die in allem, was sie tut, wunderbar zum Ausdruck kommt, besonders in ‚Defying Gravity‘.“
Glinda wirkt auf den ersten Blick oberflächlich, doch hinter ihrem rosaroten Äußeren verbergen sich Empathie, Loyalität und eine tiefere Persönlichkeit. Jon M. Chu und Drehbuchautorin Winnie Holzman wollten herausarbeiten, dass Glinda im Verlauf der Geschichte ihre innere Komplexität entdeckt. Ariana Grande überzeugte Chu durch ihre detaillierte und leidenschaftliche Vorbereitung auf die Rolle. Sie hatte sich über zehn Jahre darauf vorbereitet, trainierte intensiv Gesang und Schauspiel, um Glindas Charakter glaubhaft darzustellen. „Ich musste meine Stimme umtrainieren, um klassischer und opernhafter zu singen. Mein Stimmvolumen gibt das zwar her, aber die Stimmbänder brauchen eine Weile, um sich daran zu gewöhnen, wie jeder andere Muskel auch. Das erfordert eine Menge Training.“ erinnert sich Grande. Ihre Hingabe zeigte sich bis ins kleinste Detail, während sie voller Begeisterung auf die Rolle hinarbeitete. „Jedes Mal, wenn Ariana kam, war sie die faszinierendste Glinda im ganzen Raum“, sagt Chu. „Dann kam sie wieder zurück und wurde sogar noch interessanter. So sehr, dass wir beschlossen, dass sie unsere Glinda ist.“
Den einzigartigen Jeff Goldblum für die Rolle zu gewinnen, war ein echter Coup für die Filmemacher. „Wir haben nicht nur exzellente Schauspieler und Persönlichkeiten gefunden, sondern auch Darsteller, die allesamt singen können“, erklärt Komponist Stephen Schwartz. „In einem Musical muss man das Gefühl haben, dass die Leute die Songs auch wirklich performen können. Jeff Goldblum als unser Zauberer war definitiv in der Lage, Musik live vorzutragen. Das macht die Aufnahmen mit ihm unkompliziert und zugleich aufregend. Wir müssen nichts vortäuschen oder auf eine Menge technischer Tricks zurückgreifen.“
Bei der Suche nach einer Darstellerin für die Rolle der Madame Akaber hat Chu mit Michelle Yeoh seine Wunschkandidatin besetzt. Beide haben schon bei „Crazy Rich“ zusammengearbeitet. Zuneigung und Respekt beruhen auf Gegenseitigkeit: „Wenn Jon anruft, komme ich sofort gerannt“, sagt Yeoh. Sie gibt zu, dass Singen nicht ihre erste künstlerische Ausdrucksform ist. Dennoch war sie bereit für jede Aufgabe, die das Filmteam an sie herantrug. „Als Künstler lebt man dafür, Herausforderungen anzunehmen und etwas Neues zu machen“, so Yeoh.
Auf der Leinwand verkörpert Jonathan Bailey (den meisten wohl bekannt aus „Bridgerton“) die Figur des Fiyero, der als unbekümmerter Lebemann die Universität Shiz auf den Kopf stellt. „Ich trage die blonde Tolle und die Reiterhosen mit Stolz“, gibt Bailey zu Protokoll. Als ozianischer Adeliger ist der gutaussehende und charismatische Fiyero an Bewunderung gewöhnt und tut nur das, was ihm Spaß bereitet. Seine Weltsicht bringt Bailey mitköstlichem (und sportlichem) Charme in dem Song „Dancing Through Life“ zum Ausdruck. Doch genau wie bei Glinda steckt auch hinter Fiyero weit mehr, als man auf den ersten Blick sieht.
Nessarose, die jüngere Schwester von Elphaba sehnt sie sich nach Selbstständigkeit. Besonders ihre unerwiderte Liebe zu Munchkin Boq, der jedoch hoffnungslos in Glinda verkliebt ist, prägt Nessaroses Leben stark – ebenso wie die zunehmende Macht ihrer Schwester. Laut Drehbuchautorin Winnie Holzman kreisen Nessas Wünsche vollständig um diese unerfüllte Liebe: „Sie glaubt, dass ihr Leben nur dann Bedeutung hätte, wenn sie Boq dazu bringen könnte, sie zu lieben.“
Nach einer intensiven Suche entschieden sich die Filmemacher für Marissa Bode für die Rolle der jungen Frau, die nach Selbstbestimmung strebt. Produzent Marc Platt erinnert sich: „Wir haben viele großartige Schauspielerinnen getroffen, aber Marissa war ein besonderer Glücksfall. Sie verkörpert diese Rolle mit Sensibilität und Schönheit.“ Als Person of Colour und Rollstuhlfahrerin verleiht sie der Figur auf einzigartige Weise Tiefe. Für Bode ist es ein beeindruckendes Erlebnis, Teil dieser Produktion zu sein. Die junge Schauspielerin ist sich bewusst, wie wichtig ihre Rolle für Menschen ist, die wie sie im Rollstuhl sitzen oder mit anderen Beeinträchtigungen leben. „Ich wurde im Alter von elf Jahren verletzt. Schon damals habe ich festgestellt, dass beeinträchtigte Menschen auf der Leinwand kaum zu finden sind“, so Bode. „Das war hart, vor allem, wenn man diesen Karriereweg weiterverfolgen will. Umso wichtiger ist es, nun für andere Personen ein Vorbild zu sein.“
Die Erwartungen, die mit diesen Grundvoraussetzungen der „Wicked“-Verflmung einhergehen, waren hoch. Sehr hoch, da das Musical ja durch zwei Jahrzehnte weltweite Spielzeit bereits einem großen Publikum bekannt ist. Aber selbst bei aller gebotenen Skepsis, die auf bisherigen mehr oder minder geglückten Kino-Adaptionen großer Musicals beruht (man denke nur an „Les Misérables“ oder „Das Phantom der Oper„), kommt man nicht umhin, den Hut vor der Leistung aller Beteiligten zu ziehen.
Das beginnt bei der wirklich hervorragenden Umsetzung von Set & Kostümen, zieht sich weiter durch die gelungene Personenregie bis hin zur Besetzung: Cynthia Erivos Mimik und gesanglicher Ausdruck sind raumgreifend und sorgen mehr als einmal für Gänsehaut. Elphabas Wunsch nach Normalität, ihr Einsatz für Unterdrückte, ihre Verletztheit, als sie feststellen muss, dass Glinda sie einmal mehr aufzieht – Eriva ist in jeder Sekunde präsent und glaubhaft! Man fühlt mit der Außenseiterin und möchte ihr einfach nur zur Seite stehen
Ariana Grande spielt das beliebte Püppchen mit viel Divapotential. „Popular“ ist eine Explosion in rosa Goodwill und auch auf der Leinwand richtig lustig inszeniert. Die Wandlung von der oberflächlichen, nur auf Äußeres und Anerkennung bezogenen Galinda zur ernsthaften Glinda nimmt man ihr noch nicht vollumfänglich ab. Aber diese Wandlung wird in der zweiten Hälfte ja auch noch viel mehr thematisiert.
Marissa Bode wirkt auf den ersten Blick rollendeckend unscheinbar, doch sie setzt deutliche Statements und ist gerade im Zusammenspiel mit Boq wirklich zauberhaft. Ethan Slater verkörpert den Munchkin (in der bisher bekannten ersten Hälfte) tolpatschig und liebenswert, genau so, wie man ihn sich vorstellt. Seine Wandlung zum Tim Man wird sicherlich noch einmal spannend werden.
Die überhaupt nicht nette Madame Morrible und der der ganz und gar nicht wundervolle Wizard werden von Michelle Yeoh und Jeff Goldblum zum Leben erweckt. Schauspielerisch sind beide über jeden Zweifel erhaben. Goldblum wirkt verspielt, die Berechnung, mit der der Wizard alles geplant hat, mag man dem lieben, netten „Zauberer von nebenan“ einfach nicht glauben. Großartig! Michelle Yeoh zeigt die hinterlistige Art von Madame Morrible dagegen doch sehr deutlich. Sie verfolgt einen fiesen Plan und das spürt man sofort. Sie sagt ja selbst im Interview, dass Gesang nicht ihre Stärke ist. Das kann man leider nur bestätigen. Sehr schade…
Für gute Laune sorgt Fiyero nicht nur in Shiz. Der Schalk, der offenbar auch Jonathan Bailey bei der Interpretation dieser Rolle im Nacken saß ist allgegenwärtig. Er ist ein Allroundtalent und überzeugt nicht nur schauspielerisch als oberflächlicher Prince Charming, sondern auch gesanglich gibt es keinen Grund zu Klagen. Besonders begeistert er mit seinem tänzerischen Können. „Dancing through Life“ ist nicht nur szenisch einer der spannendsten Momente, auch sportlich verlangt Chu seinen Darstellern hier viel ab.
Übrigens hat auch Stephen Schwartz seinen ganz persönlichen Auftritt im Film: Er ist es, der Elphaba und Glinda mit „The Wizard will see you now.“ in die Emerald City bittet. Eine hübsche kleine Idee.
Apropos, erste Hälfte: Dass „Wicked“ künstlich aufgeblasen und zwei Abendfüllende Filme daraus gemacht wurden, mag zunächst Kritiker auf den Plan rufen. Nicht selten sind durch weitere Charaktere oder Hintergrund-Stories angereicherte Filme weniger authentisch oder zu langatmig. Allerdings muss man den Kreativen auch hier zugute halten, dass sie genau wussten, was sie taten, als sie die Zweiteilung planten.
So erfährt der Zuschauende noch mehr über Elphabas Vergangenheit und dass schon damals Tiere wichtige Bezugspersonen für sie waren. Man lernt die Hintergründe zum Verschwinden von Dr. Dillamonds Kollegen. Ein schöner Nebeneffekt ist natürlich auch, dass man die verschiedenen Umgebungen, die für den Film geschaffen wurden, viel länger genießen kann. Man entdeckt viele kleine Details, wie bspw. die Spiegelung von Elphabas düsterer Zukunftsvision im Brunnen von Shiz oder die Verwandlungen der Seiten im Grimmerie, einem uralten Buch der Weisheit, Wundertätigkeit und Zaubersprüche. Auch eine neue Kollegin in Shiz – Miss Coddle (gespielt von Keala Settle („The Greatest Showman“)) – lernen die Kinobesucher kennen: Sie ist die Hausmutter der Studierenden, zu denen auch Elphaba und Glinda gehören. Die für die Zuteilung der Zimmer zuständige Betreuerin wird von Ängsten geplagt. „Sie versucht, es ihrer Vorgesetzten Madam Morrible recht zu machen, der man es unmöglich recht machen kann. Und sie eifert ihr in jeder Hinsicht nach“, so Settle. „Aber sie liebt auch die Kinder an der
Universität und will, dass sie bei allem, was sie tun, erfolgreich sind.“
Jon M. Chus Idee von „Wicked“ funktioniert in jeder Hinsicht. Dass der zweite Teil erst im November 2025 in die Kinos kommt, ist mehr als bedauerlich… Dass die Verfilmung so gut funktioniert, liegt aber auch an den weltbekannten Songs, deren englische Texte den meisten geläufiger sind als die deutschen. Es wirkt schon unfreiwillig komisch, wenn man im Kino eine Fassung mit Untertiteln schaut, denn bei den Songtexten sind die deutschen Adaptionen eingeblendet, die naturgemäß keine direkte Übersetzung der englischen Version sind. Auch passen die deutschen Einspielungen der Songs nicht zu den Lippenbewegungen, was bei der Intensität einiger Stücke einfach stört. Meine Empfehlung ist, sich in jedem Fall die englische Originalversion (ohne Untertitel) anzuschauen.
Nachhaltigkeit wird bei „Wicked“ großgeschrieben
Noch ein paar Worte zu den Nachhaltigkeitsbemühungen, die ganz offenbar auch vor der Filmbranche nicht Halt machen. „Wicked“ ist der erste Film, der im Rahmen des GreenerLight-Programms von Universal produziert wurde. Das Projekt fördert die Nachhaltigkeit während des gesamten Filmprozesses – vom Drehbuch bis zur Leinwand. Universal verfolgt gemeinsam mit Comcast NBCUniversal das Ziel, bis 2035 weltweit CO2-neutral zu arbeiten. Vor diesem Hintergrund wurde das Umweltberatungsunternehmen Sustainable Films damit beauftragt, einen umfassenden Plan zu entwickeln und die Produktion zu begleiten. Zu den ökologischen Kriterien zählten u.a. bis zu 40 % veganes Catering, Vermeidung von Food Waste, Elektrofahrzeuge im Fuhrpark (inkl. 18 E-LKWs), 75 % der Beleuchtung waren energieeffiziente LEDs, Verwendung recycleter Baumaterialien aus früheren Sets oder bei Neukauf nur FSC-zertifiziertes Holz sowie das Einfärbern bereits genutzter Stoffe, um sie wiederzuverwenden. Cynthia Erivo, Ariana Grande, Michelle Yeoh und Jeff Goldblum engagieren sich allesamt persönlich für Klimaschutzinitiativen und -organisationen. Cast und Crew setzten sich abteilungsübergreifend dafür ein, eine Produktion zu schaffen, die die
Umwelt entlastet, unter anderem durch Newsletter, Wohltätigkeitsaktionen und Wettbewerbe.
Dazu zählt neben den genannten, ausschließlich auf ökologische Nachhaltigkeit abzielenden Maßnahmen, auch die Berücksichtigung von sozialen Aspekten eine Rolle. Die Figur Nessarose verwendet in „Wicked“ einen ozianischen Rollstuhl. Da Marissa Bode, die Nessarose darstellt, auch im wahren Leben auf einen Rollstuhl angewiesen ist, waren Regisseur Jon M. Chu, Produzent Marc Platt und die anderen Filmemacher fest entschlossen, nicht nur das Set rollstuhlgerecht zu gestalten, sondern auch einen innovativen neuen Standard für Barrierefreiheit am Drehort zu setzen. Dies gelang durch den Bau eines barrierefreien Artist-Trailers, die Anpassung der Kostüme, damit diese dem Rollstuhl nicht im Weg sind sowie der Integration des Rollstuhls in die Tanzszenen: Gemeinsam mit Christopher Scott (Choreograph) und dessen Mitarbeiter Emilo Dosal erarbeitete Bode die Bewegungsabläufe des Rollstuhls. „Emilio hat mich immer wieder gefragt, was für mich gut funktioniert. Danach wurde die Choreografie ausgerichtet“,erläutert Bode. „Die beiden waren großartige Lehrer. Außerdem durfte ich mit Hannah Raynor zusammenarbeiten, einer echten Rollstuhl-Tänzerin. Es war sehr hilfreich, jemanden zu erleben, der seine Sache so unglaublich gut macht.“
„Wicked“ setzt also nicht nur künstlerisch einmal mehr Maßstäbe, sondern legt mit dem Anspruch an Diversität in der Cast, der gelebten Inklusion am Set sowie einer nachhaltigeren Produktion ingesamt die Latte sehr hoch. Mich begeistert dies sehr und ich freue mich auf den zweiten Teil!
Michaela Flint
Darsteller: Cynthia Erivo, Ariana Grande, Jonathan Bailey, Ethan Slater, Marissa Bode, Michelle Yeoh, Jeff Goldblum, Peter Dinklage (Stimme)
Musik: Stephen Schwartz
Verleih / Fotos: Universal Pictures Germany