Während der Proben zu seiner „Dangerous“-Tour 1992 wird Michael Jackson von einem Kamerateam begleitet. Auf Basis von deren Interviews wird die Lebensgeschichte des „King of Pop“ erzählt. Lynn Nottages Buch stellt Michael Jacksons unbändige Kreativität und seinen Perfektionismus in den Mittelpunkt.
Das strenge Regiment seines Vaters hat den jungen Künstlker geformt. Der unbedingte Erfolgszwang, den er von Kindesbeinen an spürte, führte ihn in die Tablettensucht. Die Medien stürzten sich von Anfang an auf das Privatleben der Familie Jackson – und all deren negative Seiten. Das war für den jungen Michael prägend. Zeitlebens stand er unter Beobachtung, konnte nie er selbst sein. Zuflucht fand er in der Musik und im Tanz.
In dieser Show schlüpfen gleich drei Darsteller in die Rolle von Michael Jackson: Joshua zeichnet die Zeit den Jungen Michael Jackson als Teil der Jackson Five nach, Princa Damien übernimmt den Part nachdem Michael mit seinem Vater gebrochen hat und seinen eigenen weg geht und Benét Monteiro erweckt den Michael Jackson, den wir alle kennen, zum Leben. Und wie er das macht! Die zarte, gebrechliche Stimme, die Verletzlichkeit in jeder Bewegung abseits der Tanzfläche, die akzentuierten typischen MJ Moves (u.a. der Moonwalk), die sehr besondere Durchsetzungskraft, das Kindlich-Verträumte, die kongenialen Einfälle für die Umsetzung jedes einzelnen Songs auf der Tour – Monteiro ist absolut perfekt. Man kann sehr gut nachvollziehen, dass er die Kreativen schon beim Vorsprechen für die Londonder Version der Show begeistert hat. Der einzige, aber leider essentielle Kritikpunkt ist, dass es ihm nicht gelingt, die Songs so zu intonieren, dass es auch nur ansatzweise nach Michael Jackson klingt. Das ist schade. Doch Prince Damien macht dies in in seinen Passagen wett! Die „Kiekser“, all das, was MJs Stimme so unverkennbar macht: Prince Damien macht sich diese Besonderheiten zu eigen und agiert damit absolut überzeugend. Richtig schön zu erleben bei „Can you feel it“ im zweiten Akt. Im Duett überzeugen die beiden älteren Michaels ebenfalls vollends: „She’s out of my life“ ist wunderschön umgesetzt.
Das Probenszenario wirkt gerade dadurch besonders austhentisch, das die Band mit auf der Bühne sitzt, die Tänzerinnen und Tänzer die Passagen immer und immer wieder üben müssen und das ganze auch optisch perfekt verpackt ist. Bühnenbild (Derek McLane, u. a. „Moulin Rouge! Das Musical”), Lichtdesign (Natasha Katz, u. a. „An American in Paris“) und Kostüme (Paul Tazewell, u.a. „Wicked“) sind perfekt aufeinander abgestimmt und versetzen das Publikum im Handumdrehen in die früher 1990er Jahre.
Michael Jackson war insbesondere für seine atemberaubenden Choreographien bekannt. Christopher Wheeldon lässt in seiner Arbeit zwar Ansätze erkennen, aber in den Szenen außerhalb der Probenumgebung, den Szenen, in denen Welthits wie „ABC“ oder „Smooth Criminal“ dargeboten werden, ist von Perfektionismus nichts zu erkennen. Gerade in letztgenannter Szene ist dies besonders bedauerlich, da diese den Einfluss von Bob Fosse auf Michael Jacksons Wirken unterstreichen soll. Hier haben sich nur wenige Wochen nach der Premiere (1. Dezember 2024) schon viele Unsauberheiten und unsynchrone Abläufe eingeschlichen. Das ist sehr traurig.
Während bei den Choreographien wirklich Luft nach oben ist, sind viele Regieeinfälle von Wheeldon schlicht großartig: Michael als Marionette vor die Presse treten zu lassen, trifft den Nagel auf den Kopf. „Billy Jean“, „Thriller“ und „Man in the Mirror“ sorgen zurecht für begeisterten Zwischenapplaus. Nicht zu vergessen das Ende der Show: Perfekter kann man diesen Abend nicht zuende bringen.
Neben den drei Michaels lassen noch Lee Ann Hierzer als Katherine Jackson und DNPRI als Quincy Jones aufhorchen. Hierzer singt sehr gefühlvoll, ihre Interpretation von „I’ll be there“ ist wunderschön soulig. DNPRI überzeugt als Quincy Jones, einen der Väter von Michael Jacksons Erfolg. „Keep the faith“ ist eine wunderschöne Hymne.
Die Zuschauer lernen an diesem Abend zwar nichts Neues über Michael Jackson, doch Nottage macht ihn nahbar und zeigt ihn sehr verletzlich. Das Konzept der Show funktioniert zu 100 %. Bühnenbild, Musik, Licht, Projektionen – das Gesamtbild ist perfekt. Die Künstler auf, über, unter und hinter der Bühne bekommen stehende Ovationen und dürfen sich für dieses muscalische Gesamtkunstwerk zurecht feiern lassen.
Michaela Flint
Theater: Theater an der Elbe, Hamburg
Besuchte Vorstellung: 19. März 2025
Darsteller: Benét Monteiro, Prince Damien, David Hughey, Eve Rades, Lee Ann Hierzer, DNPRI, Rob „Krucible“ Marshall, Vic Anthony, OJ Lynch
Regie & Choreographie: Christopher Wheeldon
Fotos: Matthew Murphy