home 2014 Hairspray Jr. – auch in abgespeckter Form mitreißend

Hairspray Jr. – auch in abgespeckter Form mitreißend

In diesem Jahr haben sich die Absolventen der Stage School Hamburg das Feelgood-Musical „Hairspray“ ausgesucht. Fünfzehn Vorstellungen der schwungvollen, bunten 1960er Jahre Show gingen auf Kampnagel über die Bühne.

Natürlich musste das Stück ein wenig gekürzt werden, was zum dem Zusatz „Jr.“ im Titel führte: So entwickelt sich das turbulente Leben von Tracy Turnblad in einer Stunde und vierzig Minuten und ist damit fast eine Stunde kürzer als die originale Broadway-Fassung. Dennoch stehen ganze 22 Absolventinnen und Absolventen auf der Bühne und füllen jede Szene mit Energie und Lebensfreude.

Was sofort ins Auge fällt, sind die wunderbar authentischen Kostüme der beginnenden 1960 Jahre: Übergroße Hemdkragen, schrille Farbmixe und Muster, die einem die Tränen in die Augen treiben treffen auf Kleiderschnitte, die von Petticoat bis Pencilskirt die komplette modeschöpferische Bandbreite abdecken.

Da hat sich die Zusammenarbeit mit BB Promotion und Creative Partners ganz klar gelohnt. Das kann man jedoch für die Fatsuits von Tracy und Edna leider nicht sagen. Die beiden Damen wirken sehr unförmig, da ihre „Füllmasse“ irgendwie seltsam unnatürlich und zusammengeknautscht aussieht.

Regie, Choreographie und musikalische Leitung lagen wie schon im vergangenen Jahr in den Händen des Kreativ-Paars Jacqueline Dunnley-Wendt und Hauke Wendt. Die Show sprüht vor Elan und die mitreißenden Choreographien sorgen im Publikum sofort für wippende Füße. Auch die Dialoge von Jörn Ingwersen und Heiko Wohlgemuth verfehlen ihre Wirkung nicht. Leider kommen diese manchmal etwas schleppend, so dass es zu unnötigen Pausen kommt, die den Spielfluss stören. Dennoch haben die Zuschauer im Laufe des Abends viel zu lachen. Wenn die tumbe Vorzeige-Blondine Amber von Tussle sich – im Fernsehstudio von Motormouth Maybelle stehend – darüber beklagt, „allein in einem Haufen Minderheiten“ zu sein, ist das schon herrlich. Deutlich trashiger daher kommt da schon Tracys Gefängnis-Weisheit: „Sie können uns am küssen hindern, aber nicht am singen!“

Manches Mal schrammt die Inszenierung tatsächlich haarscharf an einer Parodie vorbei. So zum Beispiel in Link Larkins großem Solo „ich und Du“, wo man den Darstellern kaum noch Authentizität bescheinigen kann. Doch es gibt auch viele gelungene Szenen wie bspw. „Mama, ich bin nicht mehr klein“, wo sich die Töchter Tracy, Penny und Amber gegen die Fürsorge ihrer Mütter auflehnen – so unterschiedlich diese auch sein mag. Schon in dieser Szene wird deutlich, dass das Zusammenspiel von Maria Kristina Nissen und Timon Brandenberg alias Tracy und Edna Turnblad ausgezeichnet ist. Die beiden Nachwuchsdarsteller sind eine sehr gute Einheit auf der Bühne.

Nissens Spielfreude überträgt sich auf alle, mit denen sie in einer Szene zu sehen ist. Ihre großen, unschuldigen Kulleraugen bilden einen wunderbaren Gegensatz zu dem sonst so burschikosen Wesen der Tracy Turnblad. Auch stimmlich wird sie der Hauptrolle dieses Stücks gerecht.

Eine weitere Stimme, die dem Zuschauer im Ohr bleibt, ist Stephanie Bramlages, die als Motormouth Maybelle für den richtigen Soul sorgt. Auch wenn sie vielleicht optisch nicht ganz dem Klischee der afroamerikanischen Rebellin entspricht und ihre affektierte Gestik sehr aufgesetzt wirkt, ihre klare, saubere Stimme, mit der sie auch noch den letzten Ton voll aussingt, entschädigt dafür.

Nicht nur durch seine samtige Stimme, sondern auch durch seinen bemerkenswerten Hüftschwung empfiehlt sich Dennis Schulze als Seaweed J. Stubbs. Schulze liefert in allen Ausbildungskategorien ein überaus ansprechendes Gesamtpaket ab. Dass seine asiatische Herkunft sich nicht ganz mit dem afroamerikanischen Rollenprofil deckt, fällt in manchen Dialogen auf, aber ansonsten nicht weiter ins Gewicht.

Schauspielerisch ragen Sina Bertram und Kristina Neuwert aus der Riege ihrer Kolleginnen deutlich hervor. Bertram überzeugt als überfürsorgliche Mutter von Penny genauso wie als Sportlehrerin nach klassischer Ostblock-Tradition. Neuwert ist eine wunderbar zickig-arrogante Velma von Tussle. Hier bedauert man geradezu, dass Szenen wie „Miss Baltimore Crabs“ der Schere zum Opfer gefallen sind.

Nicht ganz zu überzeugen vermag hingegen Regine Lange, die die Amber von Tussle nicht als verwöhnte Highschool-Prinzessin darstellt, sondern eher als reichlich stumpfen, herrschsüchtigen Mini-Drachen, der aber so gar keine angenehmen Eigenschaften hat. Auch Julian Fernandez alias Link Larkin ist nicht der Mädchenschwarm, den man erwarten würde. Seine Selbstverliebtheit wird zu arg aufgesetzt als dass sie sympathisch wäre. Man wird das Gefühl nicht los, dass ein Rollentausch von Fernandez und Simon Horwath sich geradezu aufdrängt: Horwath gibt einen sehr sympathischen, souveränen Corny Collins und im direkten Vergleich hätte er als Link Larkin sicherlich genauso, wenn nicht noch authentischer gewirkt.

Ein weiterer Wermutstropfen ist, dass das anrührende Duett von Vater und Mutter Turnblad ebenfalls fehlt. Hier hätten Timon Brandenberg und Sascha Theis als ungleiches Paar Edna und Wilbur ihre Gesangs- und Schauspielqualitäten nachdrücklich unter Beweis stellen können.

Ingesamt jedoch kann man sagen, dass auch diese Abschlusspräsentation ein voller Erfolg war. Die Jungdarsteller stehen ihren großen Vorbildern in nichts nach. Es gibt herausragende Tänzer genauso wie geborene Schauspieler und Sänger zu entdecken. Genau diese Vielseitigkeit ist es, die den Besuch bei der Stage School immer wieder zu einem großen Spaß macht.

Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: Kampnagel, Hamburg
Premiere: 20. Juni 2014
Darsteller: Maria K. Nissen, Sina Bertram, Timon Brandenberg, Julian Fernandez
Regie / Musikalische Leitung: Jacqueline Dunnley-Wendt / Hauke Wendt
Fotos: Frank Linke

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