home 2008 Ein wenig geschicktes Doppelpack

Ein wenig geschicktes Doppelpack

Was macht man, wenn man nicht die uneingeschränkten Rechte an der Nutzung von bekanntem Material für die Musicalbühne hat? Man ändert ein paar Namen, ergänzt die Handlung durch einige eigene Musikstücke und Szenen und schon hat man eine neue Show mit einem – wie in diesem Fall – äußerst komplizierten Namen.

Doch „La belle bizarre du Moulin Rouge“ ist nicht so verfremdet, dass der geneigte Theaterbesucher nicht wüsste, worum es geht: Baz Luhrmanns Filmepos „Moulin Rouge“ von 2001.

Die Pariser Gegend rund um das Moulin Rouge ist berühmt und berüchtigt, sie sich ist sicherlich auch schön und seltsam auf ihre Art – doch das trifft auf diese Tourproduktion der Gastspiel Gerhartz GmbH genauso zu.

Das Stück hat schöne, stimmige Momente (im Allgemeinen sind dies die Szenen, die sich am filmischen Vorbild orientieren), aber auch unglaublich schräge Augenblicke zu bieten (bspw. wenn bekannte Songs durch neuartige Arrangements oder kreative Freiheit fast bis zur Unkenntlichkeit zerstückelt werden).

Regisseur Christian Götz hatte die schwere Aufgabe, sich nicht allzu weit vom bekannten Material zu distanzieren, aber dennoch neue Szenen und Songs in ein Musical zu integrieren. Doch am Ende will alles nicht so recht zusammenpassen. Man verlässt das Theater mit dem Gefühl zwei voneinander unabhängige Stücke gesehen zu haben, die mit wenig Feingefühl vermischt wurden. Dabei hat die Gastspiel Gerhartz GmbH mit Anna Montanaro und Jesper Tydén echte Zugpferde des Musicalbusiness für die Hauptrollen Fatime und Armand engagiert.

Anna Montanaro gibt eine imposante Erscheinung als Edel-Kurtisane ab. Sie ist eine richtige Frau, mit echten Kurven – was für ein erfreulicher Unterschied zur Film-Kollegin Nicole Kidman. Dennoch erscheint „die Montanaro“ etwas zu alt, um als gefeierter Jungstar im Moulin Rouge durchzugehen. Schauspielerisch wirkt sich manchmal etwas zu aufgesetzt und man fragt sich unweigerlich, ob das noch zur Rolle gehört. Stimmlich meistert sie ihren Part durchweg gut, auch wenn sie in den Duetten mit Tydén eindeutig die Verliererin ist.

Jesper Tydén singt sich tapfer durch jede noch so schräge Melodie und lässt uns glaubhaft seinen Liebeskummer spüren. In einigen Songs darf er sein ganzes stimmliches Können zeigen und erntet damit den wohlverdienten Applaus.

Begleitet werden die beiden Protagonisten von einem elfköpfigen Ensemble, das verschiedenste Charaktere bedient. Hervorzuheben ist Sissy Staudinger, die als Directeur die Figur des bittersüßen Harold Zidler (so der Name im Film) wunderbar karikiert. Schade, dass sie von ihrem Gesangstalent nicht mehr zeigen darf, als die wenigen abgehackten Phrasen im „Can Can Medley“ und bei „Like a Virgin“.

Für einen wahren Wohlklang sorgt Jens Ochmann als Vater Armands, der der Handlung hinzugefügt wurde, um noch mehr Spannung zu erzeugen. „Das Spiel tut weh…“ ist einer der schöneren neuen Songs dieses Musicals.

Ansonsten fallen die im Vergleich zu Showstoppern wie „Lady Marmalade“ (im Programmheft und auf der CD übrigens treffend falsch als „Lady Marmelade“ bezeichnet), One Day I’ll Fly Away“ oder das „Elephant Love Medley“ unbekannten neuen Songs wie „Die Liebe ist wie große Oper“ und „C’est la vie“ vor allem dadurch auf, dass sie melodisch nicht zum Gesamtkonzept passen und textlich (selbst wenn vom Chef Ulrich Gerhartz selbst verfasst) auf sehr tönernen Füßen stehen.

Optisch bedient diese Tourproduktion das, was man erwartet: An Farben, zweckdienlichen, aber ideenreichen Kulissen und (einigen) schönen Kostümen wird nicht gespart.

Dass Szenen wie der große Can Can nicht zünden, liegt auch nicht an der Choreographie von Lacy Darryl Phillips. Phillips versucht, die gängigen Klischees zu bedienen und wäre das Ensemble nicht mit einigen Tanzabfolgen so offenbar überfordert, könnten sie sicherlich für deutlich mehr Furore auf der Bühne sorgen. Doch so versickern auch die großen Tanzszenen, die das Moulin Rouge ausmachen sollten, im Nichts.

Schade, dass außer dem großen Namen des Films das vorhandene Potential nicht genutzt wurde. Es bleibt der fade Beigeschmack, dass hier etwas schnell zusammengeschustert wurde, ohne das die Fäden bei jemandem zusammengelaufen sind, der ein einheitliches Ganzes schaffen wollte. Dafür spricht im Übrigen auch, dass auf den Plakaten nicht Jesper Tydén als Armand abgebildet ist, sondern Stefan Reil (der jedoch als Dance Captain bei „Marie Antoinette“ in Bremen weilt). Wirklich bedauerlich, dass es so etwas heutzutage noch geben muss.

Michaela Flint
veröffentlicht unter Pseudonym in blickpunkt musical

Theater: CCH, Hamburg
Besuchte Vorstellung: 22. Dezember 2008
Darsteller: Anna Montanaro, Jesper Tydén
Regie: Christian Götz
Fotos: Gerhartz GmbH Kiel
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