home 2019 Die Symbiose aus Weltklasse-Artistik und Broadway-Musical funktioniert leider nicht

Die Symbiose aus Weltklasse-Artistik und Broadway-Musical funktioniert leider nicht

„Paramour“ möchte die beiden Welten „Musical“ und „Artistik“ vereinen. 2016 lief die Show für nicht einmal ein Jahr am Broadway und überzeugte dort nur mäßig. Warum die Stage Entertainment dieses Experiment nun in Hamburg wiederaufleben lässt, wird nach dem Showbesuch leider nicht klar.

Die Idee an sich, atemberaubende Artistik-Nummern aus dem Cirque Du Soleil mit einer emotionalen, mitreißenden Musicalgeschichte zu verbinden, hat definitiv viel Charme. Doch genau hieran krankt „Paramour“: Die im Hollywood der ersten glamourösen Tonfilme angesiedelte Handlung rund um den besessenen, egoistischen Regisseur AJ, seine neue Muse Indigo (eigentlich Mildred) und deren in sie verliebten Pianistenfreund Joey zündet leider nicht. Die Story der zwischen zwei Männern und deren sich sehr unterscheidenden Lebensweisen hin- und hergerissenen Frau ist über weite Strecken vorhersehbar und die Charaktere sind nur sehr oberflächlich ausgearbeitet.

Dies wäre verzeihbar, wenn die optischen Elemente, die Musik und/oder die artistischen Einlagen so bahnbrechend wären, dass sie davon ablenkten. Das Bühnenbild von Jean Rabasse ist noch sehr gelungen, aber die dauerhaft goldene Grundstimmung und die immer wiederkehrenden gleichförmigen Videoprojektionen, wenn der Pantomime Buster die Bühne betritt, sind irgendwann nicht mehr spannend.

Andreas Carlsson hat gefällige Songs für diese Show geschrieben, aber auch sie bleiben inhaltsleer und können sich nicht festsetzen (deutsche Adaption: Daniel Große Boymann). So schwach die Hauptfiguren agieren, so asynchron tanzen auch die Damen des Ensembles. Für beides zeichnet Regisseur Sergio Trujillo verantwortlich. Von der Stage Entertainment ist man durchaus andere Qualität gewöhnt.

Vajèn van den Bosch, Pasquale Aleardi und Anton Zetterholm sind für die Europapremiere in der Neuen Flora als Hauptdarsteller gewählt worden. Es mag sein, dass diese drei dem angedachten Rollenprofil am ähnlichsten sind, doch überzeugen kann leider keiner von ihnen. Van den Bosch ist eine hübsche Erscheinung, ganz wie man es von einer Muse erwartet. Ihr Akzent ist jedoch sowohl in den Dialogen als auch im Gesang nicht zu überhören. Pasquale Aleardi spielt den zielstrebigen Regisseur sehr energisch, doch Gesang ist eindeutig nicht seine Stärke. Auch wirkliche Gefühle mag man ihm nur ganz schwer glauben. Anton Zetterholm scheint sich in dieser Show unter Wert zu verkaufen. Dass er singen und auch spielen kann, weiß das Hamburger Publikum nicht zuletzt dank „Tarzan“. Doch irgendwie scheinen ihm die Songs nicht zu liegen und die emotionale Verletztheit als ihn die von ihm angebetete Millie scheinbar den Avancen von AJ nachgibt, kommt beim Publikum nicht an.

Wenn man nun auf die vielfach angepriesenen Artisten aus dem Cirque Du Soleil hofft, wird man bedauerlicherweise auch hier enttäuscht: Mit wenigen Ausnahmen sind die akrobatischen Elemente zwar eine nette Abwechslung und schmückendes Beiwerk zur Handlung, aber der Wow-Faktor fehlt.

Eine dieser Ausnahmen sind die beiden Herren, die sich an Seilen über die Bühne und die Köpfe der Zuschauer in den vorderen Reihen in die Höhe schwingen und dort zahlreiche Figuren gemeinsam oder solistisch zum Besten geben. Auch der Einradfahrer in einer der ersten Szenen vollbringt – zusammen mit seiner Partnerin – Beachtliches.

Das, was man sich eigentlich von der kompletten Show gewünscht hätte, ist die Szene, in der sich Indigo für einen der beiden sie umwerbenden Männer entscheiden muss: Zunächst sind die drei Darsteller zu sehen und zu hören, dann treten die Schauspieler in den Hintergrund und machen die Bühne frei für drei Artisten, die das Hin- und Hergerissensein Indigos und das Werben der Männer artistisch sehr eindrücklich und mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit visualisieren. In diesen 4-5 Minuten geht das Konzept vollends auf und das Publikum ist zurecht begeistert.

Direkt danach sinkt das Niveau aber wieder und die obligatorische Verfolgungsjagd über Hausdächer inklusive Trampolinartisten facht die Begeisterung an diesem Abend leider auch nicht mehr an.

Mit am amüsantesten ist die Pausenshow von Buster, der die nach der Pause gemächlich wieder in den Saal zurückkehrenden Zuschauer mit allerlei Kunststücken und pantomimischen Frechheiten sowie Selfies unterhält. Hier macht das Zuschauen richtig Spaß!

Es ist schade, dass die Kombination aus Musical und Akrobatik bei „Paramour“ nicht funktioniert. Man hätte auf ein Ineinandergreifen der beiden Genres gehofft, auch ein sich gegenseitiges Ergänzen und Bereichern. Doch so, wie es in der Neuen Flora gezeigt wird, springt der Funke leider nicht über.

Michaela Flint

Theater: Neue Flora, Hamburg
Premiere: 14. April 2019
Darsteller: Vajèn van den Bosch, Pasquale Aleardi, Anton Zetterholm
Regie / Musik: Sergio Trujillo / Andreas Carlsson
Fotos: Stage Entertainment / John Davis
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