home 2006 Der Tournee-Erfolg wieder in Hamburg

Der Tournee-Erfolg wieder in Hamburg

Fünf Jahre nach der Premiere im Schmidt’s Tivoli kehrte das schwungvolle Swingmusical diesen Sommer wieder auf den Hamburger Kiez zurück, jedoch nicht in eines der beiden Schmidt Theater, sondern direkt ein Haus weiter ins St. Pauli Theater.

Die mitreißende Musik von Martin Lingnau und großartige junge Darsteller helfen, das gar nicht lustige Thema des Stücks zu verdrängen: Auf St. Pauli vergeht kein Tag, ohne dass sich die Swing Kids, eine Clique junger Leute, treffen, um mit unbändiger Lebenslust ihre Musik, den Swing, zu feiern. Doch die Zeichen der Zeit stehen für Max (Benjamin Zobrys), Fritz (Janko Danailow), Heini (Jan Radermacher), Alberta (Charlotte Heinke) und Beate (Dörthe Breidenbach) auf Sturm: Es ist das Jahr 1941, die Nazis sind an der Macht und Deutschland befindet sich im Krieg.

Täglicher Treffpunkt für die Swing Kids ist „Leo’s Bar“, den der charismatische Oskar Leonhardt (Nik Breidenbach) führt.

Oskars Devise „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ ermöglicht ihm eine Existenz am Rande der Legalität, denn seine Hausband spielt den von den Nazis verbotenen Swing. Als eines Tages die junge Jüdin Emma (Michèle Connah) bei Oskar auftaucht und ihn um Hilfe bittet, spitzt sich die Lage zu. Prompt verliebt sich Max in Emma, ohne jedoch ihr Geheimnis zu kennen. Und dann auch noch das: Den Jugendlichen flattern die Frontbefehle ins Haus…

Trotz der beengten Bühne des St. Pauli Theaters wurde das Stück sehr gut umgesetzt: Es war lange nicht mehr so düster und beklemmend wie noch im Schmidt’s Tivoli. Ein Grund waren auch die deutlich kleineren Hakenkreuzflaggen: Während diese vor fünf Jahren noch in erschlagender Übergröße rechts und links der Bühne hingen, sind sie bei der Tourneefassung auf „beschauliches“ DIN A 1 Format geschrumpft. Auch die Nazis (gespielt von Thorsten Hammann und Jo Kappl) sind lange nicht mehr so imposant und einschüchternd wie früher, obwohl beide nach wie vor brutale und bösartige Gesellen sind.

Alle Ensemble-Mitglieder spielen ihre Rollen überzeugend. Die Tanzeinlagen wirken ansteckend und das Publikum ist froh als es beim Schlussapplaus endlich selbst das Tanzbein schwingen darf. Charlotte Heinke ist einmal mehr für die gesanglichen Highlights verantwortlich. Dörthe Breidenbach spielt die spießige Beate sehr glaubhaft. Beide haben ihre Männer sehr gut im Griff. Benjamin Zobrys ist der präsenteste von den drei Jungs. Doch auch Janko Danailow und Jan Radermacher haben ihre starken Momente. Lediglich Michèle Connah bleibt gesanglich ein wenig hinter ihren Kollegen zurück.

Im Mittelpunkt stand besonders Nik Breidenbach, der in der Uraufführung 2001 mit Fritz noch einen der aufmüpfigen Jungs gespielt hat, und nun zum souveränen Bar-Inhaber avanciert. Diese Wandlung meistert er glaubhaft und führt das Ensemble sicher durch den Abend. Er selbst war am Schluss so gerührt vom positiven Feedback des Publikums, dass er beim Schlussapplaus seine Tränen kaum zurückhalten konnte.

Besonders amüsant war es, Heiko Wohlgemuth und Martin Lingnau während der Vorstellung zuzuhören: Sie kommentierten anerkennend jede noch so kleine Änderung. Am Schluss waren auch sie sehr zufrieden, mit der Entwicklung, die „Swinging St. Pauli“ in den letzten fünf Jahren gemacht hat. Ein Stück, das auch oder gerade wegen der dunklen Rahmenhandlung, sehr zu empfehlen ist. Und keine Sorge: Man geht gut gelaunt und beschwingt aus dem Theater.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: St. Pauli Theater, Hamburg
Premiere: Herbst 2006
Darsteller: Nik Breidenbach, Charlotte Heinke, Jan Radermacher, Benjamin Zobrys
Buch / Musik: Heiko Wohlgemuth / Martin Lingnau
Fotos: St. Pauli Theater, Hamburg
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