home 2019 Eine pfiffige Showidee, die durchaus polarisiert

Eine pfiffige Showidee, die durchaus polarisiert

Man kann sich gut vorstellen, dass Amor sich von der ganzen modernen Technik überfordert fühlt: Wer schießt heute schon noch mit Pfeil und Bogen? Die Verkupplung bindungswilliger Großstädter übernehmen doch heute Tinder, Parship, Lovoo & Co.  Da braucht’s doch keinen altmodischen Liebesboten mehr, der sich detailliert überlegt, welche zwei Menschen gut (und langfristig) zueinander passen könnten. Oder?!

Im neuen Zwei-Personen-Stück von und mit Tom van Hasselt und Stefanie Schwendy „Amor läuft Amok“ geht es genau darum: Amor verzweifelt an dem ganzen neumodischen Technikkram, kennt aber ein Paar, dass sich dringend verlieben sollte, da es für Clara die letzte Chance auf ein Baby sein wird. Doch Gott knackt lieber hochaufgeregt seinen Egoshooter Highscore anstatt Amor Gehör zu schenken. Amor ist diese Algorithmus-Versessenheit zuwider und er gibt alles, um Gotts Aufmerksamkeit auf Clara und Hans zu lenken, die dringend ein bisschen göttliche Unterstützung in Sachen Partnersuche benötigen.

Schlussendlich gibt Gott nach und die Reise in Claras und Hans‘ Leben beginnt: Beide kennen sich aus Schultagen, sind irgendwie befreundet, aber so richtig „klick“ gemacht hat es nie. Dafür war Hans immer viel zu sehr Nerd und Clara viel zu sehr auf der Suche nach Anerkennung durch die ach so beliebten Mitschüler, Kollegen, Chefs usw.

Hans hat inzwischen „BigDater“ gegründet und verhilft anderen per Algorithmus zum Liebesglück. Als er nun Clara seine ungebrochene Zuneigung gestehen will, sie aber immer noch in erster Linie den Computerfreak in ihm sieht, empfiehlt er ihr die Partnersuche im Internet. Er kreiert einen Avatar, der Claras vermeintlichem Traummann entspricht, und chattet so „ganz ungezwungen“ mit ihr. Es kommt, was kommen muss: Clara möchte diesen Supermann treffen. Hans alias Zorro lädt sie zum Firmentreffen von „BigDater“ ein und schlägt so zwei Fliegen mit einer Klappe: Er kann den jungen, hippen Geschäftsführer beobachten, der ihn gerade aus seinem eigenen Unternehmen wegrationalisieren möchte und kann parallel als Zorro Clara weiter den Kopf verdrehen.

Leider kommt – u. a. dank Claras nymphomanischer Mutter – alles anders als geplant und der junge CEO verführt Clara zu einem Quickie. Die dachte, sie hätte ihrem Traumprinzen dieses Vergnügen zugestanden, muss jedoch feststellen, dass sie ein Opfer eines Missverständnisses wurde. Im Zuge dieses Wirrwarrs gibt sich auch Hans als Zorro zu erkennen und Clara erkennt, dass sie nur der Idee vom perfekten Mann hinterhergelaufen ist, während im richtigen Leben doch jemand auf sie wartet, der sie auf Händen trägt. Diese Erkenntnis führt gleichtätig zum nächsten Beischlaf, was wiederum neun Monate später zur Geburt von sehr ungleichen Zwillingen führt.

Das klingt alles reichlich verwirrend? Ist es auch. Das Stück ist schnell, die beiden Darsteller verwandeln sich in fast jeder Szene in einen anderen Charakter, spielen neben dem Keyboard auch Cello und Gitarre, und man muss schon aufmerksam dranbleiben, um dann auch noch sämtlichen Wortwitz mitzubekommen.

Einige Passagen sind absolut dazu geeignet, dem Smartphone-fixierten, egozentrischen Publikum den Spiegel vorzuhalten und mehr als deutlich aufzuzeigen, dass man auch mal wieder hochschauen sollte. Denn das richtige Leben findet weder im PC noch in Smartphone Apps statt.  Andere Szenen sind sehr schräg, enervierend und das Stück bekommt Schlagseite mit der Tendenz ins Trashige zu kippen.

Genau dies ist es, was es einigen Zuschauern schwer macht, sich gut unterhalten zu fühlen.

Die Idee, den analogen Amor in die digitale Partnerschaftssuche zu katapultieren, um seine Position neu zu erfinden, ist wirklich gut und hat sehr viel Potential. Tom van Hasselt und Stefanie Schwendy sind erfahrene und vielseitige Darsteller, die ihre acht Rollen und Instrumente schnell und amüsant bedienen können. Van Hasselt ist nicht der beste Sänger, was manchmal arg ins Gewicht fällt. Aber insgesamt harmonieren die beiden sehr gut und ihre Spielfreude kann man genießen.

In der aktuellen Version kann „Amor läuft Amok“ nicht ganz überzeugen. Es wäre sicherlich schon einiges gewonnen, wenn eine dritte Person mit auf der Bühne stünde, die die ganze Zeit das Keyboard bedienen würde, so dass sich die anderen beiden aufs Spiel konzentrieren könnten. Aber wie üblich im Schmidtchen wird hier auch mal etwas ausprobiert und weiterentwickelt. Und vor diesem Hintergrund ist „Amor läuft Amok“ ein wirklich guter Anfang!

Michaela Flint

Theater: Schmidtchen, Hamburg
Besuchte Vorstellung: 5. Januar 2019
Darsteller: Tom van Hasselt, Stefanie Schwendy
Regie / Musik: Felix Powroslo / Tom van Hasselt
Fotos: Morris Mac Matzen