home 2018 Unerwartetes Engagement bei der Ausstattung, gesanglich noch nicht ganz ausgereift

Unerwartetes Engagement bei der Ausstattung, gesanglich noch nicht ganz ausgereift

Alexandre Dumas’ literarische Vorlage ist schon auf verschiedenste Art für die Bühne verarbeitet worden. Die gelungenste Musicalfassung lieferten Rob und Ferdi Bolland 2003 ab. Seitdem gab es vor allem im deutschsprachigen Raum viele kleinere und größere Inszenierungen (u. a. 2010 in Tecklenburg) dieses Stücks.

Das Junge Staatstheater in Wiesbaden hat sich diese Spielzeit des dramatischen Stoffs angenommen und ihn sehr ansprechend umgesetzt. Viel Handlung und abwechslungsreiche Charaktere geben Regisseurin Iris Limbarth viele inszenatorische Möglichkeiten, die diese aber nur am Rande nutzt. Den besten Job im Kreativteam liefert in dieser Produktion Britta Lammers ab, die der kleinen Bühne im Wiesbadener Staatstheater durch den diagonal platzierten Rahmen im Hintergrund mehr Tiefe und viele schöne Spielebenen verleiht. Auch die gut ausgearbeiteten Kostüme von Heike Korn helfen sehr gut dabei, das Publikum an den französischen Königshof im 17. Jahrhundert zu versetzen.

Die Charaktere sind gut besetzt. Benjamin Link gibt einen jugendlich-aufmüpfigen D’Artagnan, Tim Speckhardt den strengen Athos, dem sein gebrochenes Herz mehr zu schaffen macht, als er zuzugeben bereit ist. Benjamin Geipel ist der schusselig-gemütliche Porthos und Imannuel Mich der mehr oder weniger streng christlich lebende Aramis.

Rainer Maaß und Norman Dobrovsky geben das bösartige, hinterlistige Duo Cardinal Richelieu und dessen Handlanger Rochefort. Brandon Miller und Dennis Fritzinger spielen die beiden Staatsmänner Lord Buckingham und König Ludwig.

Die Damen der Herzen, Milady de Winter, Königin Anna und Constance, werden von Felicitas Geipel, Meike Roth und Denia Gilberg gegeben. Christian Sattler kommt die amüsante Rolle von Buckinghams Diener James zu, die er mit Bravour ausfüllt.

Benjamin Link hat eine schöne Stimmfarbe, die insbesondere in langsamen und tiefen Passagen beosnders gut zur Geltung kommt, und bringt als ungestümer D’Artagnan einen großen Sympathiefaktor mit. Einige Passagen („Heut ist der Tag“) sind im schlichtweg zu schnell und an anderen Stellen ist seine Stimme noch nicht ausgereift genug, um mit den Bolland-Kompositionen mitzuhalten.

Während Benjamin Geipel und Imannuel Mich als Porthos und Aramis ihre wenigen Momente rollendeckend nutzen, sticht Tim Speckhardt in der Doppelrolle als D’Artagnas Vater und Athos heraus, da er sowohl sehr souverän spielt als auch gesanglich die tiefen Gefühle, die ihn bewegen, zu vermitteln weiß. Als Vater hat er viel Sanftheit in der Stimme, als Athos kann er Stärke und Verletzbarkeit gleichermaßen intonieren. Einzig bei „Engel aus Kristall“ offenbart auch er ein paar Schwächen. Hieran hat aber auch das etwas befremdliche Arrangements des Songs einen großen Anteil. Zudem greift das Orchester auch bei diesem Song öfter daneben (Musikalische Leitung: Frak Bangert).

Felicitas Geipel kann als Milady de Winter leider weder schauspielerisch noch gesanglich überzeugen. Sie wirkt wenig verführerisch und zu steif für das, was man dieser Dame nachsagt. „Männer“, einer der Showstopper in diesem Stück wird als langatmiger Tango inszeniert, dem es an jeglichem Feuer fehlt.

Auch der sichtbare Altersunterschied zwischen Geipel und Speckhardt beeinflusst die Glaubwürdigkeit dieser beiden Charaktere. Es fällt schwer sich vorzustellen, dass die beiden einmal ein Paar waren.

Ähnlich hölzern ist auch Norman Dobrovsky, der als Rochefort einfach zu nett ist. Dagegen liefert Rainer Maaß eine einschüchternde und selbstbewusste Interpretation des intriganten Kirchenmannes ab. Auch gesanglich setzt er sich von den meisten anderen Ensemblemitgliedern ab.

Einzig Denia Gilberg ist gesanglich noch etwas sicherer. Sie spielt sehr süß und sympathisch, ob gleich sie in dieser Inszenierung viel mehr Selbstbewusstsein bekommt als man es aus früheren Produktionen kennt. Doch auch Meike Roth lässt zumindest anklingen, dass sie über eine wunderschöne Stimme verfügt.

Die Choreographien (ebenfalls Iris Limbarth) sind gut, aber für die meisten der jungen Nachwuchsdarsteller dann doch zu komplex. Dafür sind die Degenkämpfe von Atef Vogel recht gut choreographiert, auch wenn sie gerade zum Ende hin etwas plötzlich entbrennen und deplatziert wirken.

Im Großen und Ganzen kann das Junge Staatstheater aber auch mit dieser Leistung sehr zufrieden sein. Vieles wird sich im Laufe der Spielzeit noch besser einprägen und die Darsteller werden an Souveränität hinzugewinnen. Vor diesem Hintergrund kann man auch „3 Musketiere“ in Wiesbaden durchaus empfehlen.

Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: Staatstheater, Wiesbaden
Premiere: 28. September 2018
Darsteller: Benjamin Link, Tim Speckhardt, Benjamin Geipel, Imannuel Mich, Rainer Maaß, Norman Dobrovsky, Felicitas Geipel, Meike Roth, Denia Gilberg
Regie / Musik: Iris Limbarth / Rob & Ferdi Bolland
Fotos: Christine Tritschler