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Der König der Löwen – Castwechsel

Mbuso Ndlovu gehört seit zweieinhalb Jahren zum Ensemble im Hamburger Hafentheater. Wie viele seine Kollegen wurde der Südafrikaner direkt in seinem Heimatland Afrika für den „König der Löwen“ gecastet. Ein Mal im Jahr fliegen das Disney- und das Kreativ-Team vom Hafentheater nach Afrika. Dort werden Sängerinnen und Sänger gefunden, die von Klein auf mit Zulu- und Xhosa-Gesängen groß geworden sind und diese Klänge, Laute und Rhythmen fühlen und leben. So ist es auch bei Mbuso Ndlovu: Von Kindesbeinen an gehörte Musik zum Leben des in der Nähe von Durban geborenen Südafrikaners vollkommen selbstverständlich dazu. „Bei uns zuhause ist Singen das normalste der Welt.

Wir singen immer und überall. Die Menschen in Südafrika sind fröhlich und das zeigen sie durch Gesang.“ Mbuso Ndlovu hatte das Glück, seine Leidenschaft für die Musik bereits in der Schule und danach in zahlreichen Chören und Bands ausleben zu können. Noch als Schüler machte er bei den Auditions für die Disney-Show mit. Er überzeugte die Kreativen sofort mit seiner warmen Stimme. Doch er entschied sich, zunächst seinen Schulabschluss zu beenden und so dauerte es noch eineinhalb Jahre bevor er sich – nach einer erneuten Audition in Johannesburg mit hunderten von Mitstreitern – auf den Weg in den hohen Norden machte. In Hamburg angekommen, standen für ihn musikalische und schauspielerische Proben und vor allem Phonetikunterricht auf dem Programm. Inzwischen hat sich der sympathische Künstler eine zweite Heimat in Hamburg aufgebaut. „Ich versuche auch täglich mein Deutsch zu verbessern – bin aber ehrlich gesagt sehr froh, dass im Theater Englisch gesprochen wird.“ Seine kleine Tochter, die erst nach seiner Abreise nach Hamburg zur Welt kam, hat er nur sehr selten gesehen, da das Engagement ihm kaum Zeit lässt für längere Zeit nach Afrika zu fliegen. Einmal im Jahr nimmt er sich aber die Zeit und fliegt für vier Wochen zu seiner Familie und besucht seine Freunde, „obwohl vier Wochen viel zu kurz sind, um wirklich alle zu sehen.“

Im letzten Herbst standen dann wie jedes Jahr die internen Auditions für den anstehenden Cast-Wechsel an. Mbuso Ndlovu suchte eine neue Herausforderung innerhalb des Ensembles – doch das Kreativ-Team vom Hafentheater forderte wesentlich mehr von ihm. „Sie wollten, dass ich für Simba vorsinge.“ Also musste er den Kreativen beweisen, dass er das Zeug zum König der Löwen hat. Gesanglich ließ er hieran keinen Zweifel aufkommen, die Jury war sehr angetan und lud ihn zu den Finals ein, in denen nur noch wenige Darsteller gegeneinander antraten. „Sie mochten mich, meine Stimme, meine Art zu singen. Irgendwie hat es dann doch nicht geklappt. Das gehört bei Auditions aber einfach dazu. Ich werde es dieses Jahr wieder versuchen.“ Eine neue Position im Ensemble bekam der talentierte Südafrikaner dennoch: seit Anfang April ist er nicht mehr nur als Antilope zu sehen, sondern auch in zahlreichen anderen Rollen, wie zum Beispiel Büffel, Pflanzen und Hyänen. „Eigentlich bin ich sowieso der wahre König – beim Schlussapplaus stehe ich nämlich als Letzter auf dem Königsfelsen…“, scherzt Mbuso Ndlovu und lacht fröhlich.

Ganz neu im Ensemble ist Felix Sauer. Die Hyäne Ed ist nur eine von gleich drei Rollen, die er als Walking Cover seit Anfang April regelmäßig spielt. Der gebürtige Berliner setzte sich bei den Auditions im November durch und hatte am 5. April seine Premiere als königlicher Ratgeber Zazu. Der dritte Part, den er zu lernen hat, ist die Rolle von Timon, dem vorlauten Erdmännchen. Wir treffen Felix Sauer an seinem ersten Tag im Theater und begleiten ihn bei den so genannten Fittings. Dort werden für jeden neuen Darsteller die Maße und Abdrücke genommen, um Kostüme und Perücken individuell anpassen zu können.

Er hat vor seinem Engagement beim „König der Löwen“ lange Zeit in London gelebt und sowohl dort als auch in Deutschland in zahlreichen Schauspielrollen auf der Bühne gestanden. „Schon bevor ich nach London ging, war ich aktiver Tänzer. Um im Musical-Business Fuß zu fassen, habe ich meinen Ausbildungsschwerpunkt in England auf Schauspiel und Gesang gelegt. Inzwischen würde ich mich als Schauspieler bezeichnen, der sehr gern singt.“ In London hat Felix Sauer viel mit Kindern gearbeitet und bei der renommierten Stagecoach Ltd., einer Einrichtung, die jungen Talenten die Möglichkeit bietet, sich auszuprobieren, ebenfalls Schauspiel- und Gesangsunterricht gegeben.

Für Felix Sauer ist die Rolle des Zazu eine Traumrolle. „Ich arbeite sehr gern mit Kindern zusammen. Die Show ist so phantasievoll und magisch. Und ich kann meinen kindlichen Spieltrieb ausleben – einfach herrlich.“ Nicht ganz so lustig findet er jedoch die Plastikfolien, die ihm gerade um den Kopf gewickelt werden. Zusammen mit den detaillierten Maßen – von Ohr zu Ohr, von Nase zu Nacken, rund um den Kopf – entsteht so die Form aus der dann der Abdruck für die Kopfform gegossen wird.

Nachdem der Schauspieler fast eine Stunde unter den kundigen und flinken Fingern der Maskenbildnerinnen saß, geht es weiter zur nächsten Station: die Puppet-Werkstatt. Dort hängen an der Tür schon mehr oder weniger gelungene Polaroid-Fotos der neuen Darsteller – damit die Mitarbeiter auch wissen, wer welche Ausstattung braucht. Da Felix Sauer sowohl als Hyäne Ed als auch als Timon mit aufwendigen Kostümen ausgestattet wird, müssen auch hier wieder  Maße ermittelt werden. Während das bei Ed noch recht einfach geht, ist der Aufwand für den Tragebügel von Timon ungleich höher. Während sich der Neu-Hamburger seiner Kleidung entledigt – die Form wird direkt vom Oberkörper genommen – legt Puppet-Master Mike Grimm eine milchige Plastikplatte in ein Heißwasser-bad. „Um zu verhindern, dass die Timon-Darsteller Rückenschmerzen bekommen, wurde ein Bügel entwickelt, mit dem sie sowohl fei singen und spielen können als auch ihren Körper schonen.“ erklärt Mike Grimm den Hintergrund für diese merkwürdige Konstruktion. Was hier jetzt unscheinbar vor sich hinköchelt, wird dem ahnungslosen, zu Recht skeptischen Künstler nach kaum erwähnenswerter Abkühlzeit auf den nackten Rücken gelegt. Der Spruch, „Was tut man nicht alles für die Kunst.“ nimmt hier körperlich spürbare Ausmaße an. Nach dem Abdruck ist der Rest Feinarbeit, den die sieben Mitarbeiter der Puppet-Abteilung ohne den Darsteller erledigen.

Am gleichen Tag wie Felix Sauer hat auch Yanisleisy Aguilar Diaz ihren ersten Arbeitstag beim „König der Löwen“. Die junge Kubanerin ist schon mitten dabei als wir in die heiligen Hallen von Kostümleitung Andrea Steinbüchel platzen. Anhand von Kostümen aus dem Kostümfundus stellt die erfahrene Kostümbildnerin erst einmal fest, welchem Typ die neue Tänzerin ähnelt. „Bei Yanis haben wir ziemlich viel Glück, weil viele Kostüme ihr ohne große Änderungen passen.“ erläutert Andrea Steinbüchel. Als nächstes holt die Kostümbildnerin eine Art Strumpfhosen-Farbfächer hervor. Da einige der Kostüme durchscheinend sind, muss darunter ein Ganzkörperanzug in der Hautfarbe des Künstlers getragen werden. Und von diesen Hautfarben gibt es eine schier unbegrenzte Zahl an Schattierungen. Hinzu kommt, dass die Haut an den Oberarmen eine andere Färbung hat wie an den Knöcheln. Da kommt es durchaus mal vor, dass für eine Person 4-6 Farbtypen ausgesucht werden, die dann bei der Färbung des ursprünglich weißen Stoffes zum Einsatz kommen.

Da Yanisleisy Aguilar Diaz im Ensemble als Tänzerin in zahlreichen unterschiedlichen Rollen zu sehen sein wird, muss sie besonders viele Kostüme anprobieren. Von bunten typisch afrikanischen Kostümen über die weiten Baströcke, die die Savanne darstellen bis hin zur Hyäne ist alles dabei. Der jungen Künstlerin macht es sichtlich viel Spaß in die verschiedenen Kostüme zu schlüpfen und so posiert sie gern zwei Stunden vor dem Spiegel, dreht und wendet sich, während Andrea Steinbüchel und ihre Kollegin an allen Kostümen herumzupfen bis sie perfekt sitzen oder notwendige Änderungen aufnehmen. Das Königskostüm ist natürlich das der Löwin – innerhalb weniger Minuten haben die versierten Kostümbildnerinnen aus dem Fundus und mithilfe von Kostümen aktueller Darstellerinnen die passenden Maße ermittelt und so erscheint die ehemalige „Lady Salsa“-Tänzerin in voller Pracht und strahlt auch ohne Musik, Kulissen und Lichttechnik eine geheimnisvolle Königlichkeit aus. „Das fühlt sich toll an! Ich freue mich schon sehr, die ganzen Kostüme auf der Bühne zu tragen.“

Seine Majestät höchstselbst steht uns drei Tage nach seiner Premiere als Simba Rede und Antwort: Der Australier Winston Hillyer ist im Februar nach Hamburg gekommen und hat seitdem tagelang Texte und Songs gelernt, Tanz- und Schauspielproben absolviert. Für den „König der Löwen“ hat er seine australische Heimat verlassen und kämpft nun wie alle Darsteller von der Südhalbkugel mit den Hamburger Wetterverhältnissen. „Als ich Melbourne verlassen habe, hatte wir Hochsommer. Hier ist es kalt und regnet ständig.“ Recht hat er, der Winter war in Hamburg diesmal besonders lang und unfreundlich. Kein Wunder also, dass er seine neue Heimat auch noch nicht erkundet hat: „Neben den Proben blieb mir keine Zeit. Ich bin ständig im Theater gewesen und nur zum Schlafen nach Hause gefahren. Zeit für meine Hobbies hatte ich in den letzten zwei Monaten leider nicht.“

Eigentlich hat der erst 20-jährige für die australische Produktion vorgesungen, aber das Kreativ-Team entschied sich, ihm die Rolle des Simba in Hamburg anzubieten. Für Winston Hillyer eine große Herausforderung, vor allem weil er weder eine Ausbildung im Musicalfach genossen hat, noch jemals auf einer Bühne gestanden hat. „Ich habe als Schulkind in vielen Bands gesungen. Nach der Highschool studierte ich Musiktheater am Victorian College of the Arts in Melbourne.“ Schon vor zwei Jahren hatte sich der sympathische Australier für die heimische Produktion des „Lion King“ beworben. In den folgenden Monaten hat er an vielen Workshops teilgenommen, die dann in einem sehr schönen Weihnachtsgeschenk endeten: „Weihnachten habe ich einen Anruf bekommen und wurde gefragt, ob ich Simba in Deutschland spielen würde. Ich kann es immer noch nicht so ganz glauben, dass ich jetzt hier bin. Wahrscheinlich begreife ich das erst, wenn ich irgendwann wieder zurück in Australien bin.“

Nach ihrer Premiere in ihren neuen Rollen sind alle noch sehr aufgeregt. Während Felix Sauer seine Premiere als Zazu als „Tanz auf dem Eis“ bezeichnet, ist der junge Simba-Darsteller Winston Hillyer noch sehr gefesselt von der Erfahrung: „Es war unglaublich. Zum ersten Mal vor richtigem Publikum, vor über 2000 Menschen zu spielen, ist einfach großartig!“ Die Premiere von Yanisleisy Aguilar Diaz liegt zwar schon einige Wochen zurück, aber dennoch sind die Emotionen nach ihrer nur zweiwöchigen Probenzeit noch deutlich spürbar: „Hinterher war ich sehr erleichtert und habe vor Freude geweint. Alle waren zuerst erschüttert, weil sie dachten, dass etwas Schlimmes passiert war, aber ich war einfach nur überglücklich, dass alles so gut geklappt hat.“ Felix Sauer war insofern in einer besonderen Situation, da er die Premiere seiner beiden Kollegen aus dem Publikum mit ansehen konnte und die Reaktionen der Zuschauer direkt mitbekam. „Dass ich die Premiere der neuen Cast als Zuschauer erleben durfte, war etwas ganz Besonderes.“ Einen Tag später war es dann auch für Felix Sauer soweit. Normalerweise bekommt ein Walking Cover nicht so schnell die Möglichkeit, das Erlernte vor Publikum zu zeigen. „Ich war sehr überrascht als man mir sagte, dass ich direkt einen Tag nach dem Cast-Wechsel schon als Zazu auf die Bühne sollte. In den letzten sechs Wochen hatte ich die ganze Zeit meinen Rollen-Kollegen zugeschaut und von ihnen gelernt und plötzlich stand ich selbst auf der Bühne. Aber es hat richtig gut funktioniert.“

Die letzten Wochen waren für alle sehr anstrengend. Yanisleisy Aguilar Diaz und Winston Hillyer mussten Deutsch lernen – für Winston Hillyer die größte Herausforderung („Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was ich mache, wenn ich eine Textzeile vergesse.“) – und natürlich auch die Schauspiel- und Gesangsproben mitmachen.

Für Yanisleisy Aguilar Diaz war die Arbeit mit der durchnummerierten Bühne etwas ganz Neues. „Ich hörte während der Proben immer nur: Du stehst auf der 5, aber Du musst in dieser Szene auf der 8 stehen.“ Felix Sauer erläutert den Hintergrund: „Im Bühnenrand sind Zahlen angegeben, die die Positionierung von uns Darstellern auf der Bühne eindeutig machen. Auch und gerade weil wir mit Kindern arbeiten, ist diese Vereinfachung des Stagings sehr hilfreich, wenn auch erst einmal ungewöhnlich. Das ist bei der aufwendigen Bühnentechnik lebenswichtig, damit jeder genau auf dem richtigen Platz steht, wenn zum Beispiel ein Teil der Bühne abgesenkt wird.“ Dass es gerade die Kinder sind, die den erwachsenen Kollegen zeigen und sagen, wann sie falsch stehen, gibt er gern zu. „Die Kids achten da extrem darauf. Ich bekomme sofort direktes Feedback von meinen jungen Kollegen, wenn ich irgendwo falsch gestanden habe.“ „Das gleiche gilt für unsere Texte: Die Kinder kennen jede Zeile und sagen uns sofort, wenn wir uns irgendwo versprochen haben.“ fügt Winston Hillyer hinzu.

In den knapp acht Wochen, die für einen Cast-Wechsel zur Verfügung stehen, war kein Tag wie der andere. „Besonders die letzten beiden Wochen waren sehr aufregend. Das Kreativteam von Disney war hier, da hat sich jeder noch mehr angestrengt.“ erzählt Winston Hillyer. „Man konnte in jedem Raum spüren, dass Disney im Haus war und die Premiere für uns immer näher rückte.“ ergänzt Felix Sauer.

Doch das intensive Training hat sich für alle gelohnt. Yanisleisy Aguilar Diaz fügte sich als Tänzerin perfekt in das Ensemble ein. Sie absolviert die anspruchsvollen Choreographien als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Mbuso Ndlovu zaubert mit seiner Stimme den Spirit Afrikas in seine vielfältigen Rollen. Felix Sauer, der mit seinem knallblauen Zazu-Gesicht backstage kaum wieder zu erkennen war, gibt ein lustiges Plappermaul und erntet damit die Lacher, die er sich verdient hat. Winston Hillyer beeindruckt vor allem vor dem Hintergrund, dass er über keine Musicalerfahrung verfügt: Gesanglich und schauspielerisch ist an dem jungen Australier nichts auszusetzen. Im Gegenteil, das Zusammenspiel mit seiner Nala (Jessica Mears) funktioniert perfekt. Aber was man an ihm nicht hoch genug loben kann, ist durch seine ausgezeichnete deutsche Aussprache. Er steht neben langjährigen und erfahrenen „König der Löwen“-Kollegen auf der Bühne, deren Phonetik lange nicht so gut ist wie seine. Wenn er nun noch die nötige Souveränität bekommt, die er als König der Löwen schon ausstrahlt, die aber letzten Endes noch sehr gespielt wirkt, dann empfiehlt er sich auf lange Zeit für die Musicalbühne.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical