home 2014 Sodom und Gomorrha auch im neunten Jahr

Sodom und Gomorrha auch im neunten Jahr

Seit 2005 verwandelt sich das Schmidt Theater jedes Jahr für einige Wochen in die „Villa Sonnenschein“, ein Altersheim, in dem renitente Rentner, verliebte Twens, sexgeile Führungskräfte und besserwissende Pflanzen und Dekoelemente ihr Unwesen treiben.

Die Handlung bleibt dabei unverändert, nur die Sprüche werden aktuellen Gegebenheiten angepasst und man bekommt den Eindruck, dass sie jährlich spitzer und sarkastischer werden. Doch gerade diese Unverblümtheit macht den Charme dieses Stücks aus.

Wenn ein Dr. Mathieu sagt „Wenn ich das Gammelfleisch hier eingepackt habe, können wir los ins Restaurant.“ bleibt einem das Lachen nur kurz im Hals stecken.

Immer wieder großartig ist Julio, der Ableger vom Ableger vom Ableger vom Ableger der Pflanze, die bei Don Juan im Zimmer stand. Er attestiert Bufdi Felix einen „Flirtfaktor von 15. Knäckebrot hat 10.“

Schön ist auch die Ankündigung des Auftritts von Heimbewohnerin Carlotta von Pörtschach „nicht als Spatz von Paris, sondern als grauer Star von Hamburg“.

Das Publikum kringelt sich vor Lachen, wenn die Sonne folgende Weisheit zum Besten gibt: „Wenn man sein Ohr an den Bauzaun des Berliner Flughafens legt, hört man die Elbphilharmonie leise kichern.“

Auch neu und absolut sehenswert sind die Nippelpuschen von Gustav. Corny Littmann hat offenbar viel Spaß an der Rolle dieses Kotzbrockens mit weichem Herzen. Dafür müht er sich auch gern mit dem Rollstuhl auf der Rampe ab und erschreckt die Zuschauer in Reihe eins, wenn er plötzlich ungebremst auf die zurollt.

Die Darsteller der Wiederaufnahmepremiere kennen ihre Rollen aus dem Effeff. Benjamin Zobrys gibt einen jugendlichen, schüchternen, gewitzten Felix und seine Spielfreude ist ansteckend. Franziska Kuropka spielt die verliebte Melanie, die sich erst spät zwischen dem oberflächlichen Schönling Dr. Mathieu und dem liebevollen, herzensguten Felix entscheiden kann.

Auch Heiko Wohlgemuth hat Freude an der Rolle des egozentrischen Dr. Mathieu. Aber auch als dezent sexfixierte Pflanze Julio gewinnt er die Sympathien des Publikums. Die grantelnde Heimleiterin Mechthild wird einmal mehr von Carolin Spieß gegeben, die den Hausdrachen einschüchternd und berechnend darstellt. Das Paar Carlotta und Gustav wird von Ingrit Dohse und Hans B. Götzfried gespielt. Ihr liebevoller Umgang lässt es einem warm ums Herz werden. Bleibt noch Johanna Haas, die als zweite Hand, Kissen, Bettpfanne etc. eher im Hintergrund spielt, aber ohne sie würden viele Szenen gar nicht funktionieren.

Heimlicher Star des Abend war allerdings Carlos, der Hund von Corny Littmann, der nach der Pause und beim Schlussapplaus die Bühne im Sturm eroberte. Ob sich die Französische Bulldogge ihres Star-Appeals bewusst ist?

Martin Lingnaus Songs verlieren ihre Wirkung auch nach neun Jahren nicht. Das Publikum lässt sich anstecken, klatscht mit und hat sichtlich Spaß. Auch Heiko Wohlgemuths Texte treffen zielsicher ins Schwarze: Politisch unkorrekt, undiplomatisch und wunderbar böse – genauso kennen und mögen wir „Villa Sonnenschein“!

Michaela Flint

Theater: Schmidt Theater, Hamburg
Wiederaufnahme: 10. Januar 2014
Darsteller: Benjamin Zobrys, Franziska Kuropka, Carolin Spieß, Heiko Wohlgemuth
Regie / Musik: Corny Littmann / Martin Lingnau
Fotos: Oliver Fantitsch