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Ich Tarzan, du Jane

Seit 29. Februar zeigt Sat.1 jeden Freitagabend den Auswahlprozess für die beiden Hauptrollen von Disneys „Tarzan“, das Mitte Oktober in der Neuen Flora Hamburg seine Deutschlandpremiere feiern wird.

Den Live-Shows gingen wochenlange bundesweite Auditions voraus, bei denen ebenfalls Kameras dabei waren. Was ist die Motivation als Künstler bei solch einem außergewöhnlichen Casting mitzumachen? Und wie fühlt es sich an, jede Woche live im Fernsehen aufzutreten? blickpunkt musical traf sich am 11. April mit vier Finalisten der Sat.1 Casting-Show „Ich Tarzan, Du Jane!“ und ging diesen Fragen auf den Grund..

Als wir um 18 Uhr beim TV-Studio ankommen, haben die Kandidaten schon die Generalprobe absolviert. Auf den Fluren spürt man die Anspannung so kurz vor der Live-Show. Moderator Hugo Egon Balder hält ein Pläuschchen mit Gastjuror Thomas Hermanns, in der Eingangshalle sammeln sich nach und nach die 600 Zuschauer, die bei der Entscheidung live dabei sein wollen. Und wo sind die Künstler? Die schonen sich – bei vielen halten sich hartnäckige Erkältungen – und bereiten sich mental auf den Auftritt vor.

Die Gründe, warum man als Profi, Musicalschüler oder Quereinsteiger bei einem solchen Casting mitmacht, sind grundverschieden. Während es für Franziska Schuster, die zurzeit ein Studium der Zahnmedizin macht, die große Chance ist, ihren Kindheitstraum, einmal auf einer Musicalbühne stehen, zu erfüllen, ist Felix Maximilian da schon deutlich direkter: „Ich mag die Musik von Phil Collins und nachdem ich das Musical in Holland gesehen habe, war für mich klar, dass ich dabei sein will. Es ist eine tolle Show und Tarzan eine großartige Rolle!“ Melanie Ortner ging an dieses Casting heran wie an jedes andere: „Mir war zunächst nicht klar, dass das alles in live ausgestrahlten Fernsendungen enden würde. Ich dachte, ich gehe zu einer Audition für eine Hauptrolle in einer Deutschlandpremiere.“ Genauso wie Anton Zetterholm kennt Melanie Ortner die Show bis heute nicht. Der 21-jährige Schwede kam als Quereinsteiger in die Workshops, die direkt vor den TV-Shows stattfanden. Ursprünglich hatte er sich für eine Nebenrolle in „Tarzan“ beworben: „Ich dachte eigentlich nicht, dass ich Tarzan wäre. Aber inzwischen sehe ich es als eine große Chance an, hier mit dabei sein zu können. Immerhin ist Tarzan die einzige männliche Hauptrolle in einem Musical, die man spielen kann, ohne die Sprache perfekt zu beherrschen.“ sagt er lachend. Dieses Understatement hat er eigentlich nicht nötig, denn obgleich wir das Interview in Englisch geführt haben, ist sein Deutsch in den letzten Wochen sehr gut geworden, was man im Laufe des Abends in den Einspielern der Show auch deutlich hört.

Alle stehen zum ersten Mal vor Kameras auf der Bühne. „Dass man tatsächlich im Fernsehen ist, merkt man vor allem an den vielen SMS und E-Mails, die man nach jeder Sendung bekommt. Aber wirklich realisieren, kann man das eigentlich kaum.“ sagt Melanie Ortner und spricht damit auch für ihre Kollegen, die versuchen, den Spaß an der Sache in den Vordergrund zu rücken. Natürlich sind alle zwei Stunden vor der Show schon merklich nervös, doch „wir sind es als Musicaldarsteller gewöhnt, keine zweite Chance zu bekommen. Alles muss beim ersten Mal passen. Das ist im Fernsehen nicht anders.“ erklärt Anton Zetterholm. Der größte Unterschied zur Musicalbühne liegt für den Schweden darin, dass alles viel kleiner gespielt werden muss: „Wir haben gelernt, alles groß und raumgreifend zu spielen. Hier müssen wir jedoch nicht wirklich weinen, um Traurigkeit auszudrücken. Das kann die TV-Kamera über einen traurigen Gesichtsausdruck in einer

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Nahaufnahme viel direkter einfangen.“

Auch wenn die eigentliche Arbeit auf der TV-Bühne sich nicht wesentlich von der im Theater unterscheidet, so haben es die TV-Shows doch in sich. Genauer gesagt weniger die Shows selbst als die kurze Probenzeit. „Für eine Bühnenrolle haben wir vier bis sechs Wochen Zeit, uns bis ins kleinste Detail vorzubereiten. Hier bekommen wir die Songs für die kommende Woche direkt nach der Live-Show, haben dann drei Tage Zeit, uns diese zu erarbeiten und ab dienstags sind wir dann schon wieder hier in Köln und proben gemeinsam.“ schildert Felix Maximilian seinen Alltag der letzten Wochen. Hinzukommt, dass er wie viele andere Kollegen, die jeden Freitag zu sehen sind, parallel noch in anderen Engagements verpflichtet ist und somit an den Wochenenden nach der Freitags-Sendung immer direkt auf die Musicalbühne müssen. Für Melanie Ortner ist die wöchentliche Rückkehr auf die Berliner „Mamma Mia!“Bühne fast ein bisschen Erholung: „ich spiele die Sophie schon sehr lange und daher ist es keine extrem harte Arbeit für mich. Die Unterstützung, die ich vom Theater und meinen Kollegen in Berlin erhalte, ist sehr wichtig und motiviert mich jede Woche neu, auch und gerade weil ich nach drei Wochen merke, dass die Kombination aus TV-Casting und Muscial-Engagement an meinen Kräften zehrt.“ Und auch die, die keine anderen musicalischen Verpflichtungen haben, sind an den „freien“ Tagen unterwegs, um ihre Familie zu treffen oder wie Anton Zetterholm es ausdrückt: „seine Freundin in Göteborg zu sehen und schwedische Luft zu atmen.“

Einig sind sich alle darin, dass die kurze Probenzeit das härteste an diesem Casting sind: „Die Kameras nehme ich schon kaum mehr wahr“, sagt Felix Maximilian. Songs, Partner und auch Inhalt der Szene werden von der Jury (Pia Douwes, Ralf Schaedler und Michael Hildebrandt) vorgegeben. Gesanglich erarbeiten sich die Kandidaten ihre Songs allein und mit dem Vocal Coach der Show, Ratan Julian Jhaveri. Auch die schauspielerische Arbeit liegt, abgesehen vom Grundaufbau der Szene, bei den Künstlern selbst. Pia Douwes steht jedoch die ganze Zeit über unterstützend zur Seite und wenn die Proben dann auf der großen Show-Bühne stattfinden, hat auch der Regisseur der Show ein Wörtchen mitzureden.

Auch die verbliebenen zwölf Finalisten von „Ich Tarzan, Du Jane!“ hatten keinen Einfluss auf die Songauswahl. Felix Maximilian erklärt uns, dass man aber immer das Arrangement des jeweiligen Songs auf seine Stimme anpassen kann, um die Tonlage gegebenenfalls zu optimieren. „Ich finde es gut, dass wir keinen Einfluss auf die Songauswahl haben,“ meint Melanie Ortner, „so kann man immer wieder andere Facetten von sich zeigen. Die Jury denkt sich ja auch etwas bei den Songs, die sie für uns auswählt und unterstützt uns auch bei der Erarbeitung der Stücke.“ Anton Zetterholm ist heute mit seinem Song, „I want to break free“ von Queen nicht sehr glücklich „Ich bin eher ein lyrischer Tenor. Bisher hatte ich Glück mit den Songs, aber mit dieser Rock-Nummer ist es etwas schwieriger.“

Letztendlich sind alle noch verbliebenen Finalisten Konkurrenten, wenn es um die Besetzung der Rollen von Tarzan und Jane geht. Doch davon spürt man nichts. „Wir sind wie eine kleine Cast.“ sagt Melanie Ortner und Felix Maximilian pflichtet ihr bei: „Wie weinen miteinander, wir lachen miteinander und sind eine tolle Gruppe.“ Gibt es innerhalb der kleinen TV-Musical-Familie denn Favoriten? „Nein, wir sind alle sehr gut, jeder könnte die Hauptrolle spielen. Ich möchte nicht entscheiden müssen, wer als nächstes geht.“ beantwortet Felix Maximilian unsere Frage. Anton Zetterholm sieht es ähnlich: „Wir Tarzan-Kandidaten sind alle so unterschiedlich und jeder hat sehr gute Chancen. Es hängt einfach vom Geschmack des Publikums ab.“ „Jeder hofft natürlich, dass er die Rolle bekommt“, fügt Melanie Ortner hinzu, „aber alle können super singen und schauspielen.“ Franziska Schuster sieht es etwas lockerer: „Auch wenn es mein Traum ist, auf einer Musicalbühne zu stehen, gehe ich sehr unbefangen daran. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich ja mit meinem Studium ein zweites Standbein habe.“

Grundsätzlich überwiegt aber bei allen Beteiligten die Freude dabei zu sein. Anton Zetterholm trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er sagt: „Wir sollten hier einfach eine schöne Zeit haben und es genießen Vergesst den Wettbewerb!“

In diesem Sinn begeben sich unsere bereits zu diesem Zeitpunkt perfekt geschminkten Interviewpartner zum Verkabeln, während das Publikum in das Studio strömt. Ca. 15 Minuten vor der Show kommt ein „Warm-Upper“ auf die Bühne und erzählt den Zuschauern, was sie machen sollen (frenetisch klatschen, jubeln, pfeifen) und was sie tunlichst unterlassen sollen (Nasebohren, gelangweilt gucken, aufstehen). Nach dieser Instruktion hält die Jury Einzug ins Studio und auch Moderator Hugo Egon Balder richtet ein paar Worte an das Publikum, bevor es ernst wird.

Dann geht es los und eines muss man festhalten: Eine solche Sendung zündet live um ein Vielfaches besser! Die Akustik am Bildschirm ist in der Regel grauenvoll, doch davon ist live nichts zu spüren. Musik und Gesang harmonieren und der Funke springt direkt aufs Publikum über. Philipp Hägelis sehr emotionales „Angels“ klingt noch lange im Studio nach und Katrin Löbbert („River deep, Mountain high“) und Elisabeth Hübert („Since you’ve been gone“) lassen die Wände wackeln. Selbst Jury-Mitglied Ralf Schaedler wippt fröhlich in seinem Sessel mit und Thomas Hermanns verschlägt es bei den ausgezeichneten Darbietungen der Finalisten fast die Sprache. Musical ist eben Live-Entertainment und nicht für das Format TV gemacht.

Nach knapp zwei Stunden und einer Zitterpartie für Jessica Kessler, Melanie Ortner, Patrick Stamme und Felix Maximilian, die alle noch ein zweites Mal singen mussten, verkündet die Jury das finale Urteil dieser Show. Die Anspannung ist bei allen Beteiligten deutlich zu spüren und die Luft vibriert: Melanie Ortner und Felix Maximilian sind am 18. April nicht mehr dabei. Beide tragen es mit Fassung, auch wenn die jeweiligen Fanblöcke doch sehr lange Gesichter machen und auch die ein oder andere Träne sich nicht unterdrücken lässt.

Wer wird Tarzan und Jane werden? Wir wissen es nicht. Verdient haben es ganz sicher alle. Die Entscheidung fällt am 2. Mai um 20.15 Uhr in Sat.1.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

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