Getreu diesem bewährten Motto haben sich auch diesmal mehr als 30 Studierende der Stage School daran gemacht, das Hamburger Publikum möglichst frühzeitig auf die besinnliche Zeit des Jahres vorzubereiten. Und so fand bereits am 4. November die Premiere der „Großen Weihnachtsshow 2024“ statt.
In 33 kleinen Szenen, die alle vor Kreativität und Individualität nur so strotzen, zeigen die Studierenden, was sie bereits können (und wo noch Luft nach oben besteht). Antonia Crames, selbst Absolventin der Stage School Hamburg (2022), hat die verschiedenen Gesangs- und Tanzszenen in eine kleine Handlung gebettet, in der die Bewohner von Mistelstadt im Rahmen eines internationalen Wettbewerbs um die Auszeichnung als weihnachtslichste Stadt buhlen.
Das Setting ist in diesem Jahr besonders gelungen: Felix Wienbürger zeichnet für Kulissen und Licht verantwortlich und schafft mit nahezu jeder Szene eine neue Weihnachtswelt. Der Fluss unter der Brücke, die Wasserbecken im Hintergrund, die den Dorfplatz umrahmenden Rundbögen sorgen für einen sehr harmonisch gestalteten Rahmen für das Auftaktfeuerwerk („I wish it could be Christmas every day“).
Für Highlights im ersten Akt sorgen Gina Tuveri und Luisa Neumann, die mit „Es ist so kalt hier“ zur Melodie von „Was fühl ich in mir“ aus „Wicked“ für Begeisterung sorgen. Ihre Stimmen harmonieren perfekt, jeder Ton sitzt pointiert und die Timings sind perfekt!
Dass man auf einer Musicalbühne selten einen korrekt getanzten Langsamen Walzer erleben kann, zeigt sich auch im „Anastasia-Medley“, auch wenn das Gesamtbild dieser Szene sehr ansprechend ist. Optisch gilt Gleiches auch für „Noch in tausend Jahrn“: Die Kleider der Tänzerinnen sind wunderschön.
Leider bleibt Philine Ehrich gesanglich recht unemotional, so dass der Funke nicht überspringt. Dass man eine klassische Steppnummer auch ohne einen einzigen Steppschritt performen kann, zeigt Lorin Goltermann zur Roger Ciceros „Bin heute Abend bei Dir“: Goltermann ist ein Charmebolzen wie er im Buche steht und sein gewinnendes Lächeln passt perfekt zum schwungvollen Inhalt des Songs. Er wirbelt über die Bühne, Stepptanz drängt sich hier geradezu auf, doch das Publikum wartet vergeblich darauf.
Die „Christmas Party“ hat sich Jule Marie Gilster als Hommage an Bob Fosse vorgestellt. Der Ansatz ist super und die Energie der Nachwuchskünstler ist super, doch leider sind die Choreos doch recht unsauber, was gerade bei Fosse deutlich sichtbar wird. Ein herausragendes Timing bei ihrer Schlittenfahrt beweist Ruby Smeets („A lovely sleigh ride“), die diese komische Nummer perfekt umsetzt.
Die mit Abstand beste Sängerin an diesem Abend ist Munja Meier. Im ersten Akt verzaubert sie die Zuschauer mit „The first Noël“. Einfach traumhaft und auch szenisch ein hübsches Gesamtbild. Aus dieser weihnachtlichen Traumwelt wird man mit „Cowboy for Christmas“ sehr schwungvoll wieder herausgezogen. Die Nummer zündet super, Laura Schäfer sorgt für lachende Gesichter. Warum sie allerdings jodelt, wird nicht ganz klar…
Auch die Folgeszene sorgt eher für Fragezeichen: „I’ll be home for Christmas“ von Camila Cabello hat Nicole Torres Baker dazu inspiriert, die Tänzerinnen in Flamenco-Kleidern auftreten zu lassen, ohne jedoch auch nur ansatzweise lateinamerikanische oder spanische Tanzelemente zu integrieren oder das mit diesem Kleidungsstil gemeinhin verbundenen Temperament zu verbinden. Hier hätte man sich mehr Stringenz gewünscht.
Zum Finale des ersten Akts geht es nach Irland. Zunächst mit einer sehr gelungenen Interpretation von „Fairytale of New York“, direkt gefolgt von einer „Lord of the Dance“-Interpretation, die ihre Wirkung nicht verfehlt. Vergleiche mit Michael Flatley und seiner Kompagnie sind hier nicht angebracht, doch was Choreograf Adam M. Cooper aus den Studierenden herauskitzelt, ist aller Ehren wert. Das Publikum ist schlichtweg begeistert!
Der zweite Akt hätte mit einem Knalleffekt beginnen können. „In diesem Zimmer“ aus „Hamilton“ hat genug Potential dafür. Doch auch wenn er eine sehr schöne Stimme hat, der Ausdruck lässt die Zuschauer nicht glauben, dass er unbedingt „in diesem Zimmer“ sein möchte. Die Choreos sind leider nicht ganz sauber, doch die sehr guten Hip Hop Passagen versöhnen. Die folgende „Schwanensee“-Sequenz ist lustig, wenn auch ein bisschen zu sehr mit der Brechstange umgesetzt.
Traumhaft schön gelungen ist die Szene mit Geige und Tänzerin („Elgar“), die eine wundervolle Einheit bilden. Hier erkennt man das große Potential und die Vielseitigkeit der jungen Künstlerinnen an diesem Abend. Ganz anders, aber auf ihre Art einfach perfekt sind Babak Malekzadeh und Aminata Ndaw. Sie zicken sich zu Stevie Wonders „Someday at Christmas“ herrlich an. Ähnlich schwungvoll gelingt „Boss Christmas Party“ zu Kelly Clarksons „Run Run Rudolph“. Elena Krieft singt sehr gut und auch die Choreos fügen sich stimmig in das Gesamtbild.
Das „Weihnachtsteam“ überzeugt die Zuschauer zur Melodie von ABBAs „Dancing Queen“: Die Texte sind sehr gelungen adaptiert und die Szene ist als Ganzes sehr süß umgesetzt. Das Kontrastprogramm liefert direkt danach „Eiskalt“ von Culcha Candela. Der Song wirkt frisch und die Darbietung authentisch. Man wird das Gefühl nicht los, dass sich die Studierenden mit diesem Song besonders gut identifizieren konnten und es ihnen so leichter fiel, ihn auf der Bühne umzusetzen.
Nach einem aufgrund des ungewöhnlichen Arrangements (Ellie Goulding) sehr gewöhnungsbedürftigen „Your Song“ folgt der zweite Highlight-Moment mit Munja Meier. „Have yourself a merry little Christmas“ ist einmal mehr rundum gelungen: Gesang, Kostüm, Ausdruck, Bühne, Licht – alles ist perfekt!
Kurz vor Schluss wird es mit „Roter Glühwein“ (statt Udo Jürgens‘ „Griechischer Wein“) nochmal richtig schwungvoll: Das Publikum darf mitsingen, die fast schon obligatorischen „Ugly Xmas Jumper“ werden in gelungene Choreografien verpackt und die Energie des Ensembles ist ansteckend.
Henk Nagel setzt mit „Hallelujah“ den Schlusspunkt einer sehr gelungenen Weihnachtsshow. Diese „Große Weihnachtsshow“ hält, was sie verspricht: jede Menge Weihnachtssongs, schöne Choreographien, stimmungsvolle Szenenbilder und engagierte Nachwuchsdarsteller. Wer nach dem Besuch dieser Show nicht in Weihnachtsstimmung kommt, der ist der Grinch!
Michaela Flint
Theater: First Stage Theater, Hamburg
Premiere: 4. November 2024
Darsteller: Studierende der Stage School Of Music, Dance and Drama
Regie & Choreographie: Antonia Crames / Adam M. Cooper
Fotos: Dennis Mundkowski