Amerikanisch-brav und doch sehr einfühlsam
Wenn man an Burlesque denkt, kommen einem sofort leicht bekleidete, lasziv tanzende Damen in den Sinn, deren Publikum zumeist aus Männern besteht, die auf der Suche nach leichter Unterhaltung sind. Das Ganze findet in mehr oder weniger eleganten Clubs mit viel rotem Plüsch statt, deren Beleuchtung auf ein schmeichelndes Minimum reduziert ist.
Eine große Bühnenshow, ausgefallene Kostüme, brillante Sängerinnen und nicht minder exzellente Choreographien findet man in der Burlesque-Szene wohl eher seltener. Doch genau das ist es, was der Zuschauer in Steven Antins Film geboten bekommt.
Tess, Inhaberin der Burlesque-Lounge in Los Angeles, steht das Wasser bis zum Hals. Wenn sie ihre offenen Rechnungen nicht binnen kürzester Zeit bezahlt, wird ihr Club geschlossen und ihr Lebenswerk vernichtet. Da passt es natürlich gar nicht, dass die Kleinstadtpflanze Ali Rose versucht, mit allen Mitteln einen Job als Tänzerin zu ergattern.
Doch Ali ist hartnäckig und lässt sich von Tess‘ Ablehnung nicht einschüchtern. Sie weiß, was sie kann und will und wenn das bedeutet, dass sie zunächst nur als Kellnerin in der Burlesque-Lounge arbeiten kann, nimmt sie das in Kauf! Schließlich bekommt sie aber ihre Chance als eine andere Tänzerin aufgrund ihrer Alkoholsucht ausfällt. Tess und ihr Dresser/bester Freund Sean sind ziemlich angetan vom diesem Talent. Als durch einen Sabotage-Akt der beleidigten Nikki die Playbacks ausfallen, fasst sich Ali ein Herz und singt sich die Seele aus dem Leib, damit die Show weitergeht. Tess sieht die Gelegenheit zur Rettung ihres Clubs gekommen…
Ali findet in Barkeeper Jack nicht nur einen Mitbewohner, sondern auch einen sehr guten Freund. Dieser merkt beinahe zu spät, dass er für Ali mehr empfindet als bloß Freundschaft. Er löst seine Verlobung und nach einem heftigen Streit mit vielen verletzten Gefühlen auf beiden Seiten finden Ali und Jack schlussendlich zueinander.
Der Film besticht durch viele einfühlsame zwischenmenschliche Szenen. Die verschiedenen Figuren handeln nachvollziehbar, doch Antin geht nicht so sehr in die Tiefe, dass hieraus ein Milieu-Drama wird.
Nach besten Vorbild amerikanischer Klischeefilme gehen selbst die egoistischen Charaktere (die alkoholsüchtige Nikki und der Immobilienspekulant Marcus) geläutert aus dem Geschehen hervor.
Doch das Hauptaugenmerk liegt klar auf den Songs, Tänzen und der Ausstattung. Die Kostüme sind detailverliebt, sexy und zeigen viel Haut – aber auf keinen Fall zuviel. Die Choreographien erinnern mehr als einmal an Bob Fosse und sorgen für viel Schwung auf der Bühne.
Christophe Beck hat mehr als zehn mitreißende Shownummern geschrieben und diese durch trefflich arrangierte Klassiker wie „Diamonds are a girl‘s best friend“ ergänzt. So entsteht ein ideal abgestimmtes musikalisches Feuerwerk, das durch herausragende Sängerinnen wie Christina Aguilera und Cher erst so richtig glänzt.
Alle Bühnenszenen sind sehr gut ausgeleuchtet und die Kamerafahrten lassen das Publikum nicht nur als Beobachter dabei sein, sondern direkt in die düstere, ganz leicht verruchte Szene eintauchen. Besonders gelungen ist die Kombination von Bühnensongs und Rahmenhandlung: Ein Song wird auf der Bühne zum Besten gegeben, während zu fortlaufender Musik in nachfolgenden Szenen das Tagesgeschehen gezeigt und so die Geschichte vorangetrieben wird.
Schauspielerisch wächst keiner über sich hinaus. Christina Aguilera liefert ein braves Celluloid-Debut ab, überzeugt aber nur in den Musiknummern wirklich. Cher lässt die weiche, verletzliche Seite der Club-Besitzerin leider viel zu selten durchblicken, transportiert deren Sorgen aber durchaus glaubhaft. Stanley Tucci hat zwar nur eine Nebenrolle als Dresse rund bester Freund von Tess, doch er bleibt als ehrlicher Sympathieträger in Erinnerung. Allan Cumming hat als Conferencier Alexis nur ein paar Miniszenen und doch ist er so einmalig, dass man sich an ihn erinnert.
Cam Gigandet hat als Jack mit der aufkeimenden Liebe zu Ali und seiner Loyalität zu seiner Verlobten noch den größten emotionalen Spagat zu leisten. Auch die kreative Ader als Komponist nimmt man ihm ab. Bleibt noch Eric Dane, der als Jacks schärfster Konkurrent um Alis Gunst und schwerreicher Immobilienhai rollendeckend protzig und arrogant agiert. Dane scheint dieser nicht sonderlich sympathische Mitbürger jedoch gut zu legen.
„Burlesque“ ist wirklich hübsch anzusehen, bietet durchaus kurzweilige Unterhaltung und lässt wenig Spielraum für Diskussionen, da sich alle Schwierigkeiten am Ende in Wohlgefallen auflösen. Der Film hätte sicherlich inhaltlich noch gewinnen können, wenn man den Charakteren mehr Tiefe verliehen hätte. So jedoch plätschert die Geschichte vom armen Landei, das in der Weltstadt L. A. den Traumjob und die große Liebe findet, sehr vorhersehbar hin.
Michaela Flint
Regie: Steven Antin
Darsteller: Christina Aguilera, Cher, Alan Cumming, Eric Dane, Cam Gigandet, Stanley Tucci
Musik / Kostüme: Christophe Beck / Michael Kaplan
Verleih / Fotos: Sony Pictures Home Entertainment