Heiko Wohlgemuth hat die „Fakten“ so gut wie möglich recherchiert und daraus eine plausible Geschichte über die spannende Jugend des Piraten ersonnen. Dabei hat er historisch-hanseatische Besonderheiten mit eingearbeitet, sympathisch-raubeinige Charaktere erschaffen und vergaß auch nicht, dass mit einem Familienmusical ein gewisser Bildungsauftrag einhergeht.
Ein wichtiger Faktor sind hierbei natürlich auch die Dialoge und Songtexte. Wohlgemuth schafft es scheinbar spielend, den Bogen zwischen kindgerechter Sprache und spitzfindigem Wortwitz für die älteren Zuschauer zu spannen. Begriffe, die heutzutage auch kaum ein Erwachsener mehr kennt (Oder wissen Sie, was ein „Büttel“ ist, was „Likedeeler“ sind oder was genau es bedeutet, „an den Pranger zu kommen“?), werden kurzerhand von einem der Darsteller erklärt.
Irgendwann durchschaut Nikolaus die Spielchen von Hieronymus und flieht. Da er nicht weiß, wo er hingehört, es ihn aber schon immer ans Meer gezogen hat, landet er – nachdem er mit der sprechenden Ratte Justinius Schiffbruch erlitten hat – bei den Piraten rund um Kapitän Gödeke Michels (den es übrigens wirklich gab).
Klaus fühlt sich bei den gar nicht so bösen Piraten sehr wohl, erfährt von ihnen, dass sie nur die Schiffe der Reichen überfallen, um ihre Beute dann den Armen zu geben („So wie Robin Hood?“ „Ja, aber der ist noch gar nicht erfunden!“) und dass es einen legendären Schatz beim Hamburger Pfeffersack gibt, hinter dem alle her sind. Aber da Kinder und Frauen an Bord Unglück bringen, wird er in Hamburg an Land gebracht. Dort lernt er die Gepflogenheiten auf dem Hamburger Fischmarkt kennen, erfährt, was es mit dem gemeinen Pfeffersack auf sich hat, und trifft – oh Schreck – ein Mädchen. Das Mädchen Theodora, genannt Theo, nimmt ihn bei sich unter der Brücke auf und erzählt ihm, dass ihr Vater Schreiber beim Pfeffersack war, aber irgendwann verschwunden ist, und ihre Mutter dort immer noch für einen Hungerlohn arbeiten muss.
Sie steht ihm bei seinem größten Coup – dem Einbruch in Pfeffersacks Villa – bei. Wie sich die beiden durch die dunkle Villa bewegen, vorbei an mehr oder weniger schönen Gemälden von Pfeffersack, Türen öffnen, treppauf und treppab nach dem Schatz suchen, bis sie ihn schließlich im Keller finden, ist inszenatorisch genial gelöst: mit Gummibändern werden Bilderrahmen mit wechselnden Motiven geschaffen; die Wände und Türen werden von anderen Darstellern gebildet und bewegen sich mit den Einbrechern mit.Beinahe werden Klaus und Theo erwischt, aber ihnen gelingt einmal mehr die Flucht. Sie schmuggeln sich als blinde Passagiere auf das Schiff von Kapitän Michels und seiner Piratenbande. Nachdem die Piraten hören, dass die beiden Kinder den Schatz vom Pfeffersack gestohlen haben und vor allem auch, was genau dieser Schatz ist, sind sie ganz euphorisch. Doch Pfeffersack ist ihnen mit seiner „Schnellen Libelle“ auf den Fersen und bringt ihr Schiff zum Kentern. Nach einigen Diskussionen, bei denen vom Kapitän mehrfach der von den Kinder im Publikum bejubelte „Schweigefuchs“ angerufen werden musste, hissen die Piraten gerade noch rechtzeitig die Hamburger Flagge (nicht zu verwechseln mit der Flagge, die einen heutzutage handelsüblichen Hamburger zeigt), verkleiden sich als Damen und zwingen den unwissenden Pfeffersack so, sie zu retten. „Die Damen in Seenot“ ist die lustigste Szene des Stücks. Nicht nur, dass die Piraten, mit Kokosnussschalen und Schleiern nur dürftig verkleidet, die hässlichsten Damen sind, die das Mittelalter je gesehen hat. Ihre Tanzeinlagen, die schmissige Melodie und die komischen Texte sorgen für perfekte Unterhaltung. Das Publikum krümmt sich schon in den ersten Sekunden der Szene vor Lachen und der Szenenapplaus mag nicht enden.
Die Geschichte ist rund und hat – wie es sich für ein Familienmusical gehört – ein Happy End.
Michaela Flint
Theater: Schmidt Theater, Hamburg
Premiere: 1. November 2014
Darsteller: Benjamin Zobrys, Tim Koller, Götz Fuhrmann, Markus Richter, Stefan Leonhard, Mario Saccoccio, Kristina Willmaser
Regie / Buch / Musik: Carolin Spieß / Heiko Wohlgemuth / Martin Lingnau
Fotos: Oliver Fantitsch