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Mamma Mia!

Eine künstlerisch wenig wertvolle Gelddruckmaschine

Natürlich ist es legitim auf den Erfolgszug des Bühnenmusicals „Mamma Mia!“ aufzuspringen und zu versuchen, daraus eine Leinwandparty zu machen. Als im vergangenen Sommer die Besetzung für „Mamma Mia!“ – Der Film bekanntgegeben wurde, schluckte man an der ein oder anderen Stelle schon, war aber dennoch neugierig, wie sich die Partystimmung auf Celluloid bannen lassen würde.

Die griechische Insel, die als Hauptspielstätte gewählt wurde, versprüht dann auch wirklich jede Menge Urlaubsfeeling. Auch die Kostüme sind passend gewählt und halten wenig Überraschendes bereit. Nicht nur an diesen „Äußerlichkeiten“ merkt man von Beginn an, dass die Verant-wortlichen der Bühnenshow auch maßgeblich an der Entstehung des Films beteiligt waren. Gleiches gilt auch für die Choreographien, die 1:1 von der Bühne ans Filmset übertragen wurden.
Auch die Songs von ABBA, die zum Glück in der Originalversion, d. h. in englisch, belassen wurden, verfehlen ihre Wirkung nicht. Gestrichene Songs wie „Knowing Me, Knowing You“ und der neu hinzugefügte Titel fallen da schon mehr ins Gewicht. Warum lässt man die Szene, in der Sam Sophie von seiner Vergangenheit erzählt und die beiden eine Bindung zueinander aufbauen, so wirkungslos verpuffen? Und musste man am Schluss unbedingt noch einen gemeinsamen Titel für Donna und Sam „hineinquetschen“? Die Bühnenfassung kommt auch prima aus. Ein weiterer Vorteil des Musicals im Theater ist das fulminante Finale, das im Kino als zusammenhanglos hinzugesetzter Abspann funktionieren muss, es aber leider nicht schafft, die Tanzlaune zu verbreiten, mit der man üblicherweise aus einer Vorstellung von „Mamma Mia!“ herauskommt.

Das größte Manko an dieser filmischen Umsetzung eines Musicals sind jedoch Regie und Besetzung; letztere zumindest in Teilen. Phyllida Lloyd hat den Film streckenweise so inszeniert wie eine Bühnenshow. Das Ergebnis sind Akteure, die Mimik wie Gestik deutlich übertreiben – „over-acting“ nennt man das im englischsprachigen Raum. Diese überzogene Darstellung kommt dem Stück nur wenig zugute und trägt dazu bei, dass man die ohnehin schon recht flache Handlung überhaupt nicht mehr ernst nimmt.

An der Besetzung scheiden sich wie so oft die Geister. Amanda Seyfried und Dominic Cooper als Sophie und Sky agieren rollendeckend: Seyfried ist die erwartete süße Blondine mit sympathischem Dickschädel und Cooper als Sky der übliche Schönling, der sich aber ansonsten nicht aus dem Ensemble hervorhebt. Während Seyfried ihrer Rolle mehr Facetten verleihen kann, was u. a. auf daran liegt, dass sie trotz des offensichtlich bei ihrem Anblick ausgelösten Kindchenschemas weniger das kleine Mädchen ist als eher eine junge selbstbewusste Frau, bleibt Cooper an ihrer Seite sehr blass. Gesanglich überzeugen Seyfried und Cooper ebenfalls.
 
Julie Walters und Christine Baranski geben als schräge Tanten Rosie und Tanya ein Traumpaar ab, wobei Baranski gern noch etwas divenhafter hätte sein können. Aber das was an der einen Seite fehlt, macht Julie Walters spielend mit ihrem trockenen Humor wieder wett. Jede Szene dieser beiden ist eine Freude.
Kommen wir zu den Männern: Pierce Brosnan, Stellan Skarsgard und Colin Firth geben als Sam, Bill und Harry eine gute Figur ab. Gesanglich kann sich keiner wirklich mit Ruhm bekleckern, weshalb auch viele Songs so arrangiert wurden, dass sich keiner wirklich mit einem Solo beweisen muss. Im Fall von Brosnan wurde die anspruchsvolle Nummer „Knowing Me, Knowing You“ gleich komplett gestrichen.
Schauspielerisch kann man an den Herren nichts aussetzen; sie sind allesamt Profis in ihrem Fach und beherrschen die verschiedenen Emotionen perfekt.
Man wundert sich jedoch, dass alle „erwachsenen“ Darsteller, und hiermit sind nicht nur die drei potentiellen Väter gemeint, mit Mitte 50 doch schon reichlich alt sind. Führt man sich die Geschichte vor Augen, in der Donna als Teenager schwanger und von ihrem Elternhaus verstoßen wurde und nun 20 Jahre später die Hochzeit ihrer eigenen Tochter vorbereitet, kommt man schnell darauf, dass die älteren Protagonisten in den 40ern sein müssten. Doch die engagierten Darsteller überschreiten dieses Alter deutlich.
 
Während es bei den Männern – wie so oft – nicht sehr ins Gewicht fällt, und auch Walters und Baranksi mit ihrer Spielfreude über ihr hinwegtäuschen können, gelingt dies Meryl Streep als Donna leider nicht.

 
Sie ist mit 59 Jahren die älteste der sechs „Erwachsenen“ und bedauerlicherweise lässt sich über die 15-20 Jahre Altersunterschied zum Rollenalter auch nicht mit noch soviel Schminke hinwegtäuschen. Es ist mehr als klar, das Streep eher die Oma von Seyfried (23 Jahre) sein könnte als ihre jung gebliebene, dynamische Mutter.
 
Diese optische Ungereimtheit wäre zu verzeihen, würde Streep durch Schauspiel oder Gesang punkten können. Doch in beiden Sparten muss man große Abstriche machen. Die übertriebene Darstellung diverser Szenen ist bei ihr besonders häufig zu bemerken. Sie wirkt in den allermeisten Sequenzen wie eine verbitterte, zynische ältere Frau, die mit dem Leben absolut unzufrieden ist. Selbstredend spielt hier die Regie eine große Rolle, weshalb man Streep hier nicht die Alleinverantwortung geben mag. Aber sich die gesanglich anspruchsvolle Rolle der Donna ohne fundierte Gesangs-kenntnisse anzueignen, ist eine große Herausforderung. Leider misslingt dies beinahe vollständig. Showstopper wie „The Winner Takes It All“ verlieren durch die der stimmlichen Leistung von Meryl Streep angepassten Arrangements ans Intensität. Das ist unendlich schade, denn üblicherweise wird „Mamma Mia!“ von Donnas Soli erst zu dem gemacht, was es ist: Die Geschichte einer starken Frau.
 
Doch so, wie es für die Kinoleinwand umgesetzt wurde, kann man den Kreativen zwar gratulieren, weil sie den gewünschten Kassenerfolg erzielt haben, aber künstlerisch ist „Mamma Mia!“ – Der Film leider kein besonders weiter Wurf.
 
Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical
Ausgabe 05/08, September-Oktober 2008
 
Regie: Phyllida Lloyd
Darsteller: Christine Baranski, Pierce Brosnan, Colin Firth, Amanda Seyfried, Stellan Skarsgard, Meryl Streep, Julie Walters
Musik: ABBA
Verleih / Fotos: Universal Pictures International