home 2008 Endlich mal eine glaubwürdige Ikone

Endlich mal eine glaubwürdige Ikone

Seit September 2008 wird Andrew Lloyd Webbers „Evita“ in einer sehr frischen Inszenierung im Theater Lübeck aufgeführt. Jörg Fallheier verzichtet auf die üblichen Klischees und zeigt eine sehr menschliche Evita, umgeben von ebenso ‚normalen’ Weggefährten wie Perón oder Ché.

Bei den großen Ensemblenummern kann das Theater Lübeck wie immer aus dem Vollen schöpfen und fährt nehmen dem kompletten Gesangsensemble den Extrachor sowie den Kinder- und Jugendchor auf. Das wirkt in den Massenszenen unter Peróns Balkon sehr intensiv und beim Requiem um ein Vielfaches beklemmender als man es sonst gewohnt ist.

Die Handlung wird ohne Schnörkel erzählt, die Figuren sind klar und es werden nur die Hauptakteure optisch und akustisch hervorgehoben.

Michaela Kovarikova ist eine junge Darstellerin, die altersmäßig exzellent auf die Rolle passt. Endlich mal keine Enddreißigerin / Mittvierzigerin, die den Zuschauer über lange Strecken des Stücks weismachen will, sie sei in ihren Zwanzigern. Allein diese Tatsache trägt schon viel zur Glaubwürdigkeit der Figur Evita bei. Mit viel jugendlicher Energie und Frische wickelt sie nicht nur Perón um den Finger. Ihre Ausstrahlung wirkt auch noch in den letzten Reihen des Theaters. Man vermag zu erahnen, warum ein ganzes Land dieser zierlichen, energischen Frau verfallen ist.

Lokalmatador Steffen Kubach gibt einen wunderbar aristokratischen Juan Perón, lässt aber auch tiefe Gefühle für die Frau an seiner Seite durchblicken.  Das Zusammenspiel von ihm und Michaela Kovarikova ist trotz des beeindruckenden Größenunterschiedes (Kubach überragt Kovarikova um geschätzte 30 cm) stimmig. Sie harmonieren in den Liebesszenen und zeigen ebenso viel Kraft in ihren Auseinandersetzungen.

Der Dritte im Bunde ist Thomas Christ als Ché. Frech wirbelt er über die Bühne, hält dem Fußvolk gekonnt den sprichwörtlichen Spiegel vor, treibt die Descamisados an, stachelt sie wenn nötig auf und gibt dem ganzen Spektakel die notwendige nachdenklich-sarkastische Note.

Gesanglich setzen Thomas Christ und Michaela Kovarikova die Highlights. Das liegt natürlich zum einen an den intensiven Soli und Duetten ihrer Rollen, aber denen muss man auch erst einmal gewachsen sein. Und das sind beide Darsteller! Gekonnt setzen sie die verschiedenen Leidensphasen ihrer Charaktere akustisch um. Bei beiden schwingt immer sehr viel Emotion mit.

Ludwig Pflanz treibt sein großes Orchester erneut zu Höchstleistungen an und rundet so das Gesamterlebnis „Evita“ im Theater Lübeck ab.

Seit Jahren erfreut das Theater in der Marzipanstadt sein Publikum mit gelungenen Inszenierungen weltbekannter Musicals und bisher sind diese auch immer ein voller Erfolg gewesen! Weiter so!

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Theater Lübeck
Premiere: 13. September 2008
Darsteller: Thomas Christ, Michaela Kovarikova, Steffen Kubach
Regie / Musik: Jörg Fallheier  / Andrew Lloyd Webber
Fotos: Theater Lübeck