home 2014 Kurzweilige Unterhaltung mit unerwarteter Musikauswahl

Kurzweilige Unterhaltung mit unerwarteter Musikauswahl

In der Musical-Landschaft kennt jeder die Geschichte von Sky und Sophie, deren Mutter Donna und Sophie drei potentielle Väter Sam, Bill und Harry. Die Rede ist natürlich vom Kassenschlager „Mamma Mia“. Doch wie geht es nach Donnas und Sams Hochzeit weiter? Wie ergeht es Sky und Sophie nach ihrer Weltreise? Diese Fäden nimmt das Bremer Musical „Pappa Pia“ ganz lose auf und erzählt eine unterhaltsame Bäumchen-Wechsel-Dich-Geschichte in einer griechischen Ferienanlage, die von den Nachwuchs-Hoteliers Kai und Marie geführt wird.

Die Gäste im 150 Plätze Theater Fritz bekommen genau das, was sie nach der Vorankündigung erwarten können; allerdings irgendwie doch ganz anders! Es gibt keinen einzigen ABBA-Song, mit dem an das weltbekannte Hitmusical angeknüpft wird, aber dennoch sorgt eine kunterbunte Genremischung für jede Menge Spaß und gute Laune.

Die Story ist schnell erzählt: Kai und Marie kehren nach ihrer Weltreise in Monas Taverne auf Skiatos zurück und finden diese verlassen vor.

Der schriftliche Erklärungsversuch von Maries Mutter Mona, die mit ihrem Mann nach New York gezogen ist, weil er dort einen besseren Job angenommen hat, mündet in einem Wutausbruch („Ich werd‘ wahnsinnig“ zur Melodie von „Maniac“) Maries, die es überhaupt nicht witzig findet, dass ihre Mutter sie mit der Taverne und der ganzen Arbeit allein lässt. Kai ist auch nur bedingt eine Unterstützung, da er von konsequenter Arbeit ohne Spaß nicht allzu viel hält. Zu allem Überfluss kommen am gleichen Tag noch vier Gäste: Gräfin Emilia – eine zwielichtig erscheinende Dame, das Ehepaar Gisela und Eberhard Neumann aus Essen sowie der etwas zudringliche Alfredo Santini.

Die Gäste sorgen für mächtig Wirbel: Die Gräfin schmückt ihr Zimmer mit Deko-Gegenständen der Taverne und kann sich an Kais knackigem Äußeren kaum satt sehen. Eberhard Neumann ist eigentlich auf Geschäftsreise und soll im Auftrag seines Chefs, der zugleich sein Schwiegervater ist, mögliche Geldwäsche-Aktivitäten in der Taverne aufdecken. Gisela möchte ihren Urlaub genießen, kann sich aber von ihrer erotischen Chatbekanntschaft nicht losreißen. Muss sie auch gar nicht, denn es stellt sich heraus, dass Alfredo ebendieser Cybersex-Partner ist. Doch wie den so übermächtigen Gelüsten nachgeben, ohne dass Eberhard es bemerkt? Alfredo birgt ebenfalls ein Geheimnis, denn er ist mitnichten der heißblütige Italiener, der er vorgibt zu sein, sondern kommt aus Flensburg und sucht ein Urlaubsabenteuer.

Mittendrin ist Marie, die versucht, das Chaos irgendwie halbwegs professionell zu bewältigen. Parallel arbeitet Kai schon an einer Lösung, die in Form von Gräfin Emilia zum Greifen nahe ist. Am Schluss packen Kai und Marie erneut ihre Koffer, um ihren eigenen Traum zu leben. Gisela und Eberhard trennen sich einvernehmlich. Während Gisela sich voll und ganz auf Alfred ohne „o“ einlässt, erliegt Eberhard den Verführungskünsten Emilias, kündigt seinen Job und führt fortan mit ihr die Taverne.

Das Stück aus der Feder von Christopher Kotoucek und Sascha Korf lässt kein Klischee aus und bedient sich effektivem Schenkelklopfhumor. Dies ist aber in diesem Fall nicht albern oder platt, sondern passt zum gesamten Aufbau der Komödie. Dazu gehört vor allem die Figur von Eberhard Neumann, der als Vorzeige-Beamter in kurzen Hosen mit Socken in Sandalen ein Vorurteil nach dem anderen vom Stapel lässt. Roger Leonhard hatte die Rolle sehr kurzfristig nach der Premiere übernommen, da Tim Schulz, der diese Figur kreiert hat, unerwartet an einer Meningitis verstorben ist. Diese Lücke zu füllen, war sicherlich eine große Herausforderung für alle Beteiligten, da Tim Schulz seit Jahren aus der Bremer Musicalwelt nicht wegzudenken war. Doch es gelingt. „The Show must go on!“ Nie war es so wahr wie in dieser Situation.

Leonhard gibt ein sehr anstrengenden Hotelgast Eberhard, dessen jahrelang in sich hineingefressene Frustration sich in einer Nacht mit Emilia Bahn bricht: Das Duett „Dich zu spüren“ (Roland Kaiser) gehört zu den stimmigsten Szenen des Abends und es gelingt, sie nicht vollends ins Trashfach abgleiten zu lassen. Doch auch als „Daddy Cool“ zeigt er nachdrücklich, was ein Beamter so alles zu bieten hat. Dass das nicht unbedingt das ist, was man gemeinhin als sexy bezeichnet, ist klar.

Ebenfalls sehr überzeugend ist Travestiekünstler Stefan Monsees als Gräfin Emilia. Seine Bühnenpräsenz wird der alle überragenden, geheimnisumwitterten Gräfin mehr als gerecht. Auch gesanglich fügt er sich ideal in das Ensemble ein.

Tim Reichwein darf als leicht schmieriger Italiener mit seinem omnipräsenten „Großvater aus Kalabrien“ alles aus der Kalauerkiste hervorholen, was vorhanden ist. Aber auch als Alfred Sanders mit allerbreitestem norddeutschen Akzent macht er eine sehr gute Figur. Sein Hüftschwung, den er in einigen durchchoreographierten Szenen („Sag mir cuando“) unter Beweis stellen darf, verzückt nicht nur Gisela (Lena Wischhusen). Wischhusen gibt eine wunderbar gestresste Ehefrau, die ihrem Mann in deftiger Ruhrpott-Manier Paroli bietet, sich aber bis kurz vor Schluss nicht traut, ihren eigenen Weg zu gehen. Das Duett mit Leonhard („Ich wünsch Dir Liebe ohne Leiden“) gehört ganz bestimmt auch zu den gelungenen Momenten der Show.

Wie auch bei „Mamma Mia“ sind es Kai und Marie (Michael Svensson und Saskia Leppin), die etwas blass bleiben. Sie sind zwar das Bindeglied für die Handlung, doch wirklich herausragende Soli haben beide nicht. Doch als „Nebendarsteller“ kann Svensson durchaus überzeugen: ob nun als Emilias Fitnesstrainer oder gemeinsam mit Alfredo (Tim Reichwein) Mozarts „Papageno“ rezitierend, während er auf der Leiter balancierend die Taverne dekoriert.

Auch wenn das Finale, in der sich Emilia als ehemalige Nanny von Marie entpuppt, die die Taverne als Alterssitz von Mona gekauft hat, etwas plötzlich kommt und sich wirklich alles in Wohlgefallen auflöst, so hat man doch zweieinhalb Stunden gute Unterhaltung genossen. Von Schlager über Pop der 70er und 80er Jahre ist alles dabei; mitsingen und mitklatschen ausdrücklich erwünscht! Die Atmosphäre im liebevoll mit griechischen Flaggen dekorierten Kellertheater und die ansprechenden Kulissen tun ihr Übriges, damit man sich im Fritz rundum wohl fühlt.

Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: Fritz Theater, Bremen
Besuchte Vorstellung: 27. Juni 2014
Darsteller: Sarah Leppin, Michael Svensson, Stefan Monsees, Roger Leonhard,  Tim Reichwein, Lena Wischhusen
Buch: Christopher Kotoucek, Sascha Korf
Fotos: Oliver Soller