home 2004 Kult hat einen Namen: Hossa!

Kult hat einen Namen: Hossa!

Die knallbunte Gute-Laune-Show von Frank Thannhäuser ist schon längst kein Geheimtipp mehr. Die Schlagerrevue der 70er Jahre lässt kein Klischee und keinen Hit aus. Das Publikum schwelgt abwechselnd in Erinnerungen („Weißt Du noch…?“) oder singt die Schlager (‚Aber bitte mit Sahne’) seiner unbeschwerten Jugend mit.

Am 8. Oktober feierte die Kult-Show ihre Hamburger Wiederaufnahme in dem erst kürzlich von Frank Thannhäuser übernommenen Royal Theater am Holstenwall. Genau wie das nur 400 m entfernte Imperial Theater, in dem seit eineinhalb Jahren sehr erfolgreich Krimistücke von Agatha Christie und Egdar Wallace aufgeführt werden, ist auch das Royal ein gemütliches kleines Theater, in dem sich die Gäste sofort wohl fühlen. Der violette Farbton an den Wänden wird in den Polstern der 250 Sitze wieder aufgenommen. Ein glitzernder Kronleuchter blinkt mit dem flitternden Vorhang um die Wette. Die Rahmenbedingungen konnten besser kaum sein.

Auch bei den Kostümen ist alles beim alten geblieben: Vom neongrellen Tanzanzug ‚Andreas’ mit abnehmbaren Federpuscheln über Hippie-Kostüme nach Woodstock-Vorbild bis hin zu den überschwänglich blumig gemusterten Polyesterkleidern der Damen und den karierten Hosen kombiniert mit gestreiften Hemden und Plateaustiefeletten der Herren ist alles zu sehen, was man mit dem „modischen Chic“ der 70er verbindet.

Bei der sechsköpfigen Besetzung griff Frank Thannhäuser ebenfalls auf Bewährtes zurück – und er tat sehr gut daran. Mit Susi Banzhaf, Steffi Görtemöller, Carolanne Wright, Luciano Di Gregorio und Sebastian Kraft stehen dem schauspielernden Regisseur Kollegen zur Seite, die schon im Imperial Theater in den unzähligen 70er Jahre-Charakteren zu sehen waren. Die Stuttgarter „Mamma Mia“-Rosie Iris Schumacher kam eigens zur Premiere nach Hamburg, um mit ihren ehemaligen Kollegen die Wiederaufnahme zu feiern – wenn auch etwas wehmütig vom Zuschauerraum aus und nicht direkt auf der Bühne. Wie bei der Imperial-Familie üblich waren noch weitere Kollegen aus diversen anderen Hausstücken überall im Publikum verteilt und sorgten für richtig Stimmung.

Luciano Di Gregorio eröffnete den Abend mit den bekannten Worten: „Es war einmal in einer Zeit, nicht lange vor der unseren, da trugen viele Menschen auf dem Planeten Erde freiwillig Polyesterhemden und Plateauschuhe. Sie ließen sich die Haare lang wachsen und schwangen die Hüften zu merkwürdigen Klängen – und irgendwie können wir sie bis heute nicht vergessen…“ Der ihm entgegen schallende Beifall machte deutlich, dass dem Premierenpublikum die Show nicht wirklich unbekannt war. Im Laufe des Abends stellte sich dann heraus, dass die meisten Gäste „Hossa“ schon das ein oder andere Mal gesehen hatten, jeden Satz, jeden Song und jeden Gag bereits im Vorwege kannten.

In über 20 Szenen wurde immer wieder Ausschnitte aus dem Leben von Horst (Frank Thannhäuser) und Gisela Hossa (Steffi Görtemöller) gezeigt. Duette des Ehepaares wie ‚Komm unter meine Decke’ oder ‚Tanze Samba mit mir’ wurden mit einer bestechenden Situationskomik präsentiert.

Imperial-‚Inventar’ Sebastian Kraft zeichnete auch für die Wiederaufnahme-Choreographie verantwortlich und überzeugte sowohl als pubertierender ‚Rolf aus Pinneberg’ als auch als unbeliebter Heino, der sich von den diversen Attentaten seiner Sangeskollegen immer wieder erholte. Unschlagbar komisch gab sich Susi Banzhaf: Sei es nun als komplett unterbelichtete Angelika Kaluppke oder als Schlagersternchen Michelle. Als TV-Ansagerin kündigt sie eine mehrteilige englische Serie an und verliert sich nach bester Evelyn-Hamann-Manier in einem großartigen Monolog zwischen englischer und deutscher Sprache, was bei vielen Premierengästen zu Lachmuskelkrämpfen führte.

Luciano Di Gregorio begibt sich als Moderator auf eine Gratwanderung zwischen souveräner Schilderung der bekannten Entgleisungen wie Pril-Blumen und extrem albernen Nummern wie „Verliebt in den Lehrer“. Diese beiden so unterschiedlichen Charakterzüge beherrscht er bis in kleinste Detail.

Da es ganz sicher inszenatorisch nicht zu leisten wäre, jeden einzelnen der 50 verarbeiteten 70er Schlager komplett zu präsentieren, gibt es mehrere Medleys, die die Vielseitigkeit der Darsteller und die Absonderlichkeiten der 70er Jahre hervorheben: In rasender Geschwindigkeit werden beispielsweise die Grand Prix-Entscheidungen von 1970 bis 1979 vorgestellt. Und die „Kinderstunde“ ist dann endlich auch etwas für die Jüngeren im Publikum, die den 70er-Kult am eigenen Leib nicht erfahren haben: Luciano Di Gregorio als Willi, der seine ‚Biene Maja’ sucht, Steffi Görtemöller und Susi Banzhaf als Gitti & Erika, die ‚Heidi’ rufen und Sebastian Kraft als ‚Vicky, der Wikinger’ geben nur einen kleinen, mega-witzigen Einblick in die heldenhaften Ideen der TV-Macher in den 70ern.

Das schönste Duett des Abends kommt von Carolanne Wright und Sebastian Kraft, die mit „18 Jahr“ und „Es war Sommer“ zunächst einzeln, dann gemeinsam die doch recht unterschiedlichen Sichtweisen von Männlein und Weiblein zum Thema Sex mit älteren Partnern zum Besten geben.

Jede einzelne Nummer wäre erwähnenswert und ist durch Frank Thannhäusers bewährte Regiearbeit sehr speziell. Logisch, dass die ein oder andere Szene aus Platzgründen hier nicht genannt werden kann. Da bleibt nur eine Lösung: Karte kaufen und rein ins Vergnügen. Denn „Hossa“ ist eben nicht nur etwas für Schlagerfans.

Oder um es mit den Worten von Regisseur, Theaterbetreiber und Schauspieler-Sänger Frank Thannhäuser zu sagen: „Wenn man mal wieder einen Abend zwischen Dalli-Klick und Grand Prix, zwischen Dr. Sommer und Schulmädchenreport, Sonntagsfahrverbot, Starparade, Spanien-Urlaub und Flower Power verbringen möchte, dann sollte man sich in sein Polyesterhemd werfen und die Plateauschuhe hervorkramen...“

Michaela Flint
veröffentlicht in Da Capo

Theater: Theater am Holstenwall, Hamburg
Premiere: 8. Oktober 2004
Darsteller: Sebastian Kraft, Carolanne Wright
Regie: Frank Thannhäuser
Fotos: Imperial Theater Hamburg