home 2002 Pompös, beeindruckend, unübertrefflich?

Pompös, beeindruckend, unübertrefflich?

Hamburg, 3. November 2002, Premiere von »Mamma Mia!« im Operettenhaus. Die Stage Holding hatte im Vorfeld den Hamburger Spielbudenplatz mit einem massiven doppelstöckigen Zelt bebaut, in dem die über 2.000 geladenen Premierengäste nach der Show feiern sollten. Allein der Anblick dieses Zeltes ließ auf einen grandiosen Premierenabend hoffen.

Das Wetter zeigte sich an diesem so wichtigen Tag leider von seiner allerschlechtesten Seite: Es war sehr kalt und regnete in Strömen. Sehr zum Bedauern der zahlreichen Schaulustigen und Fotografen am roten Teppich wurden die Gäste unter einem Himmel aus »Mamma Mia!«-Regenschirmen in das frisch renovierte Operettenhaus geleitet.

Im Theaterfoyer wurden alle Gäste von Maik Klokow (General Manager der Stage Holding Deutschland und Produzent von »Mamma Mia!«) persönlich begrüßt und defilierten an einer Heerschar von Fotografen, TV-Kameras und Mikrofonen vorbei.

Das Operettenhaus hat sich von innen nicht so massiv verändert wie man aufgrund der mehrere Millionen Euro hohen Baukosten vermuten könnte. Es wirkt alles etwas heller, allerdings hinterlassen nur die neue rot-gelbe Fassade und die Spiegelwand am Treppenaufgang zum Rang hinauf einen bleibenden Eindruck.

Unter den Premierengästen waren neben Thomas und Christoph Gottschalk, Thomas Hermans (Quatsch Comedy Club) auch viele TV-Stars wie Reinhold Beckmann, Johannes B. Kerner, Jörg Pilawa und die Daily Talker Franklin und Vera Int-Veen. Auch die Schauspieler Steffen Dürr, Carsten Spengemann und Telekom-Aushängeschild Enie van de Meiklokjes kamen der Einladung der Stage Holding gern nach. Für ein bisschen Lokalkolorit auf der Gästeliste sorgte Lilo Wanders (allerdings in zivil), die beiden NDR-Moderatorinnen Eva Herman und Bettina Tietjen sowie Hamburg 1 Chefredakteur Herbert Schalthoff.

»Mamma Mia!« erzählt die Geschichte von der 20-Jährigen Sophie, die ihren Traummann Sky zum Entsetzen ihrer emanzipierten Mutter Donna heiraten möchte und zu ihrer Hochzeit – ohne das Wissen ihrer Mutter – ihre drei potentiellen Väter einlädt.

Das Premierenpublikum war im ersten Akt mit überschwänglichem Applaus noch etwas zurückhaltend, aber als im zweiten Akt Kerstin Marie Mäkelburg alias Tanja dem jungen Pepper (Guido Zarncke) zeigt, „wo der Hammer hängt“, wollte der Applaus gar nicht mehr enden. ‚Was sagt Deine Mami dazu?‘ – im englischen ‚Does your mother know?‘ – entwickelt sich zu einem regelrechten Show-Stopper, was in erster Linie auf das komödiantische Talent und die Stimmgewalt von Kerstin Marie Mäkelburg zurückzuführen ist.

Ein ähnlicher Knaller ist ‚Komm und wag’s mit mir’ (‚Take a chance on me’), eine Szene,  in der Rosie (Jasna Ivir) ihre Liebe zu Bill (Ulrich Wiggers) entdeckt und ihn auf sehr eindeutige Weise von sich zu überzeugen versucht. Eine urkomische Szene!

Überhaupt sind es die drei weiblichen Hauptrollen, die das Stück tragen. Kerstin Marie  Mäkelburg, Carolin Fortenbacher (Donna) und Jasna Ivir geben die erste Girlgroup „Donna And The Dynamos“ und überzeugen gleichermaßen durch einfühlsames Schauspiel und ausdrucksstarke Komik.

Die drei möglichen Väter von Sophie, Sam (Frank Logemann), Bill (Ulrich Wiggers) und Harry (Cusch Jung), wirken stimmlich und schauspielerisch etwas blass, obwohl alle drei einen schauspielerisch-musikalischen Background haben. Dies fällt besonders während  der Songs auf, in denen die männlichen Darsteller sich gegenüber der lautstarken ABBA-Musik – gespielt von der grandiosen Band rund um den Musikalischen  Leiter Perrin Allen – kaum behaupten können.

Sky (Jörg Neubauer) und Sophie (Katja Berg) – das eigentlich im Mittelpunkt der Story stehende Brautpaar – bewegen sich sehr unauffällig durch die Show und setzen kaum Akzente in ihrem Spiel. Dies ist sehr schade, denn gerade Stücke wie ‚Leg Dein Herz an eine Leine‘ (‚Lay all your love on me‘) bieten hierzu zahllose Möglichkeiten.

Dem »Mamma Mia!«-Ensemble zuzuschauen, ist demgegenüber eine wahre Wonne! Die 18 Darstellerinnen und Darsteller beeindrucken durch ausgefeilte Tanzsequenzen, in denen die gegebene Möglichkeit zur Improvisation von allen eindrucksvoll genutzt wird. Auch in der Traumszene von Sophie begeistert das Ensemble die Zuschauer und hat die Lacher auf seiner Seite, denn es ist ganz sicher nicht einfach in Badeanzügen, Rettungswesten und Schnorcheln zu singen und zu tanzen.

Beeindruckende Lichteffekte und Farbspiele unterstützen die Popmusik perfekt und geben der Bühne immer wieder ein vollkommen neues Antlitz. Am besten wirkt die Light-Show aus dem Rang. Von dort kann man nicht nur die Choreographie der Darstellerinnen und Darsteller in allen Einzelheiten beobachten, sondern erlebt auch in allen Regenbogenfarben mit wie aus der Taverne auf einer griechischen Insel eine Disco wird.

Die Hamburger Inszenierung unterscheidet sich lediglich durch die übersetzten Texte von der Londoner Originalproduktion. Das Showdeck mit den eingelassenen Scheinwerfern, die Tavernenkulissen und sogar die Kostüme sind ein exaktes Abbild der West End Uraufführung vom 06.04.1999. Dies liegt vor allem daran, dass das Kreativ-Team das gleiche ist wie in London und allen anderen weltweiten »Mamma Mia!«-Produktionen. Björn Ulvaeus (ABBA), Phyllida Lloyd (Director), Judy Craymer (Original Producer) und Michael Kunze (Übersetzung der Liedtexte) zeigten sich beim donnernden Schlussapplaus sichtlich erleichtert, dass alles vorbei und Resonanz des Premierenpublikums so überwältigend war.

Nach der Show wurde alle Theaterbesucher durch einen eigens aufgestellten überdachten Gang trockenen Fußes in das Partyzelt geführt. Beim Betreten dieses 3200 m² großen Zeltes verschlug es einem die Sprache! Im ganzen Zelt waren lange Tischreihen mit einer wunderschönen Dekoration aus tiefroten und lachs-farbenen Rosen sowie silbernen Kandelabern aufgebaut. Es war Teppich ausgelegt und – entgegen jeder Vermutung – angenehm warm im Zelt. An den zahlreichen Büffet-Stationen wurde das »Mamma Mia!«-Menü angeboten: Hierzu gehörten zehn Vorspeisen (u. a. Stockholmer Heringshappen, Sushi, Armagnacpastete, Schweinerückenfilet in Blätterteig) und zehn Hauptgänge (z. B. Atlantikseezungenröllchen, Lamm-carré, Truthahnroulade mit Pilzfarce, Romanescoröschen) und zahlreiche Torten- und Dessertvariationen.

Die ausgezeichnete 13-köpfige Live-Band „Soulkitchen“ unterhielt die Premierengesellschaft mit Rhythm&Blues und lud später am Abend zum Tanzen auf die Tanzfläche.

Die Stimmung erreichte Ihren Höhepunkt als das »Mamma Mia!«-Ensemble im Zelt von den 2000 Premierengästen empfangen wurde. Von der großen Anspannung, die während der Show hinter der Bühne geherrscht hatte, war nichts mehr zu spüren. Alle waren froh und glücklich, dass die Premiere ohne Pannen abgelaufen war und die Resonanz so überwältigend war.

In vielen Unterhaltungen auf der Premiere wurde neben Lobeshymnen auf die außergewöhnliche Show und die Darsteller auch diskutiert, ob die Texte wirklich übersetzt werden mussten. Würde »Mamma Mia!« auf englisch nicht genauso gut ankommen? Und wäre es nicht vielleicht doch authentischer?

Diese Frage konnte aber nicht abschließend beantwortet werden. Sicherlich verliert die deutsche Produktion im Vergleich zum Original, da sich der britische Humor nicht einfach übertragen geschweige denn übersetzen lässt.
Viele Dialoge gleiten ins Comedy-Fach ab, machen einen Slapstick-artigen Eindruck und wirken daher manchmal sehr aufgesetzt und künstlich.

Auch die Songtexte sind im Vergleich zum englischen Original lange nicht so flüssig wie sie sein müssten, um eine perfekte Show zu liefern. Am deutlichsten wird die größere Akzeptanz englischer Texte bei der Zugabe: Dancing Queen wird auf deutsch präsentiert und führte zu Jubel im Publikum, aber in dem Moment, wo Waterloo auf englisch angestimmt wurde, kannte die Begeisterung kein Halten mehr und das ganze Theater tobte.

Dennoch gibt die Begeisterung des Premierenpublikums den Kreativen recht, die die Entscheidung zur vollständigen Übersetzung des Stücks getroffen haben. »Mamma Mia!« ist eine Show, die von der genialen Musik von ABBA lebt. Ein unterhaltsamer Musicalabend, den man genießen kann, ohne sich über die Story Gedanken machen zu müssen, ist mit diesem Stück garantiert!

Die Premierengäste aus der Musical- und Entertainment-Branche waren von »Mamma Mia!« sehr angetan. Uwe Kröger, der für die Premiere aus Essen angereist war, wippte während der gesamten Show mit seinem Kopf im Takt und Felix Martin, der sich aktuell einem CD-Projekt mit Songs von Alexander S. Bermange widmet, hielt es bei der Zugabe nicht mehr auf seinem Sitz. Auch Andreas Bieber und Carsten Lepper (ab Dezember als Ingenieur Thomas Andrews bei »Titanic«) waren von dem Party-Musical und der powervollen Musik sehr angetan.

Der Aufwand, den die Stage Holding für diese Premiere betrieben hat, hat sich allemal gelohnt, denn alle mochten »Mamma Mia!« und konnten ihre Begeisterung für diese prunkvolle Premierenfeier kaum verhehlen. Und die mehr als 100.000 bereits vor der Premiere verkauften Tickets lassen darauf schließen, dass dieses Musical deutlich länger im Hamburger Operettenhaus verweilen wird als seine Vorgänger »Fosse« und »Oh! What a night«.

Michaela Flint

Theater: Operettenhaus, Hamburg
Premiere: 3. November 2002
Darsteller: Carolin Fortenbacher, Frank Logemann
Musik / Regie: ABBA / Phyllida Lloyd
Fotos: Stage Holding