PBS ist eine US-amerikanische Organisation, die in Zusammenarbeit mit ihren Mitgliedssendern die Medien einsetzt, um zu bilden, zu inspirieren, zu unterhalten und eine Vielfalt von Perspektiven zu vermitteln. Auf pbs.org werden neben zahlreichen Dokumentationen auch sehr häufig kulturelle Highlights gezeigt, nicht selten auch Musicals.
Am 29. August 2021 wurde eine sehr besondere „Wicked in Concert“ Aufnahme gezeigt – aufgenommen an verschiedenen Orten in den USA, mit der Spenden gesammelt wurden, um die Zwecke von PBS zu unterstützen.
Das American Pops Orchestra unter der Leitung von Luke Frazier liefert ein beeindruckendes Opening ab und setzt direkt Maßstäbe, die die Musiker auch den Rest des Abends auf höchstem Niveau halten können. Frazier betont, dass es Stephen Schwartz gelingt, die ganze Bandbreite der menschlichen Gefühle in seiner Musik einzufangen. Da macht es auch ihm als Dirigenten besonders viel Spaß, diese Emotionen mit seinem Orchester zu entfesseln.
Idina Menzel und Kristin Chenoweth übernehmen bei diesem von Bayoork Lee inszenierten Konzert die Moderation. Sie erzählen die Geschichte von „Wicked“, die dann durch ganz spezielle Performances der Songs ergänzt werden.
Gabrielle Ruiz („In the Heights“) und Amber Riley („Glee“, „Dreamgirls“) machen den Anfang: Ganz pur gestaged kommt die Energie des Songs „What is this feeling?“ prächtig zum Tragen. Nach ihrem Auftritt kommen beide Künstlerinnen noch in einer kurzen Interview-Sequenz zu Wort und dürfen ihre Beziehung zu „Wicked“ schildern.
Chenoweth betont, dass es bei „Wicked“ nicht um die Vogelscheuche oder den Wirbelsturm geht, sondern um Freundschaft und um Elphabas Visionen von einer besseren Welt. Menzel fügt hinzu, dass Freundschaft manchmal eine holprige und verwirrende Angelegenheit sein kann.
Rita Moreno (Anita in der „West Side Story“ von 1961) und Ariana DeBose („Hamilton“, „West Side Story“ 2021) performen in der Folge eine Gänsehaut-Version von „The Wizard and I“. DeBose hat eine wunderbare Klangfarbe, ihre Phrasierungen verleihen diesem Song noch mehr Magie.
Im folgenden Special werden eine „original arrangements and interpretations“ zum Besten gegeben. Das ist dann aber manchmal doch etwas zu schräg und individuell.
Seit der 7. Klasse liebt Isaac Powell (“Mamma Mia”, “Once on this island”) Musicals. Und das nur weil er “Wicked“ gesehen hat. Das glaubt man ihm sofort! Seine Version von „Dancing through life“ in einer Big Band Fassung klingt ungewohnt, aber funktioniert sehr gut.
Nicht weniger ungewöhnlich ist das daran anschließende „I’m not that girl“ von Stephanie Hsu („SpongeBob Musical“). Nur mit Cello und Harfe begleitet, bekommt dieser Song eine ungeahnte Verletzlichkeit und Tiefe.
Wenn jedoch direkt danach Alex Newell („Glee“, „Once on this island“) übernimmt, wird’s lustig: Zu „Popular“ tanzt er zwischen vier Klavieren umher, umgarnt die Pianisten und bringt die Zuschauer mit seiner unnachahmlichen Mimik zum Lachen.
Auch wenn Mario Cantone (Sex and the City“) findet, dass „Wicked“ wie die Beatles seien – „Jeder ist davon besessen!“ – ist seine Version von „Wonderful“ eher schauderhaft. Das Orgel-Intro in bester Hollywood-Manier klingt super, doch im Zusammenspiel mit dem Gesang wird das Ganze sehr disharmonisch. Und für eine bewusste Persiflage eignet sich diese Fassung leider auch nicht.
Cynthia Erivo „Harriet“, „The Color Purple“) hat sehr viel Freude an ihrem Song: „I couldn’t be happier“ klingt für sie zwar eher wie ein Schlaflied, aber sicherlich wie eines, das man sehr gern und sehr oft singt.
„Defying Gravity“ von einer Soul-Sängerin? Ist das vorstellbar? Nicht nur das, Amber Riley zeigt deutlich hörbar, wie gut Soul & Stephen Schwartz zusammenpassen. Zweifelsohne eine ungewöhnliche, aber sehr gelungene Mischung und Rileys Energie trägt ihren Teil dazu bei, diesen Auftritt zu einem der Konzert-Highlights zu machen.
Im nächsten Special werden einige Szenen aus den Proben gezeigt. Bayoork Lee bei der Arbeit zuzusehen, ist manchmal sehr amüsant.
Eine der ergreifendsten Performances zeigen Ali Stroker („Spring Awakening”, “Oklahoma”) und Gavin Creel („Hello, Dolly“, „Waitress“) mit „As long as you’re mine“. Der Song scheint ihnen auf den Leib geschrieben: Stimmen, Klangfarbe und Emotionen sind perfekt. Die Energie zwischen den beiden ist fantastisch.
Etwas befremdlich kommt dagegen Jennifer Nettles („Chicago“) „No good deed“ daher: Sie hat eine klassische Stimme und phrasiert den Song so seltsam, dass man denken könnte, sie hätte nicht verstanden, worum es geht. Auch ihr durchaus sehr starker Ausdruck weckt hieran Zweifel.
Gabrielle Ruiz versöhnt dann aber wieder mit einer sehr schönen Version von „I‘m not that girl“.
Das Highlight schlechthin ist natürlich „For good“, das Idina Menzel und Kristin Chenoweth auf sehr persönliche Art interpretieren. Man möchte auf jeden Fall glauben, dass die beiden Leading Ladies durch „Wicked“ auch im echten Leben zu Freundinnen geworden sind.
„Wicked in Concert“ ist eine großartige Möglichkeit mit einmaligen Interpretationen bekannter Songs Spenden für einen guten Zweck zu sammeln.
PBS erbringt einen enormen Beitrag, um den Horizont von Kindern zu erweitern, mit Dokumentarfilmen neue Welten zu erschließen und Amerika die Welt der Musik, des Theaters, des Tanzes und der Kunst näherzubringen. So macht Spendensammeln Spaß!
Michaela Flint
Theater: diverse
Stream auf PBS.org: seit 29. August 2021
Darsteller: Idina Menzel, Kristin Chenoweth, Amber Riley, Gabrielle Ruiz, Cynthia Erivo, Rita Moreno, Ali Stroker, Gavin Creel, Ariana DeBose, Isaac Powell, Alex Newell, Stephanie Hsu, Jennifer Nettles, Mario Cantone
Regie / Musik: Bayoork Lee / Stephen Schwartz
Fotos: Elman Studio, LLC / Nouveau Productions, LLC