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Weltpremiere in Bremen

Dem kleinen Waldau Theater in Bremen gebührt großer Respekt, dass sie sich mit „Maria Stuart“ an einen so anspruchsvollen und geschichts-trächtigen Stoff herangewagt haben.

Die Geschichte der schottischen Königin füllt unzählige Bücher und auch filmisch und im Theater wurde der umstrittenen Regentin gehuldigt. In Bremen hat man sich auf die oberflächliche Rahmen-handlung beschränkt und so wenig Abstecher in die Tiefe der Handlung wie möglich gemacht. Bei einem so komplexen Thema ist diese Herangehensweise mehr als legitim.

Thomas Blaeschke hat eine ansprechende Pop-Partitur geschrieben, in die er schottische Elemente wie den obligatorischen Dudelsack geschickt mit eingeflochten hat. Die Kompositionen reichen von Balladen über schmissige Tanznummern und das Zuhören macht dem Publikum sichtlich Freude.

Dem steht leider ein sehr schwaches Buch von Kerstin Toelle gegenüber. Eine umfangreiche Geschichte nur anzudeuten, ist sicherlich kein Problem und im Musicalbusiness gang und gäbe, doch sollte man die Oberflächlichkeit nicht auch auf die Charaktere übertragen. Und so lernt man an diesem Abend gerademal, dass Maria Stuart viele Männer hatte, sich leicht verliebte, aber wer genau diese Frau war, die Beweggründe für ihr Handeln, das bleibt hinter der Fassade.

Das verwundert besonders, da der erste Akt mit 1 Std. und 45 Min. außerordentlich lang ist und Platz genug für Handlung böte. Stattdessen werden die durchaus gelungenen Kulissen laut, umständlich und langwierig über die Bühne geschoben. Die Szenenwechsel sind wirklich kaum erträglich. Man wird jedes Mal komplett aus dem Stück herausgerissen und das Buch ist leider nicht so spannend angelegt, dass man sofort wieder ins Geschehen eintauchen kann. Szenische Übergänge gibt es so gut wie gar nicht und die abrupten Unterbrechungen stören den Genuss des ansonsten hübsch anzuschauenden Musicals sehr. Gleiches gilt für die dilettantische Lichttechnik, die die Spots permanent falsch setzt und damit den Darstellern das Spiel ungemein erschwert.

Denn so lästig die Szenenbild-Wechsel sein mögen, man muss dem Team zugute halten, dass es sehr gute Kulissen geschaffen hat, die immer wieder neue, passende Umgebungen für die Handlung schaffen. Gleiches gilt für die Kostüme (Ilse-Maria Feltz), die man in solcher Detailtreue und Akkuratheit von dem kleinen Bremer Theater sicherlich nicht erwartet hätte. Alle Kleider der Damen brauchen den Vergleich mit Großproduktionen nicht zu scheuen; die Klassenunterschiede zwischen Königshaus und Fußvolk werden vorzüglich herausgearbeitet. Das Kostüm von Elisabeth I. ist genauso wie man es von zahlreichen Bildern und Filmen kennt.

Auch gesanglich muss sich das Ensemble nicht verstecken. Das Ensemble besteht aus Profis, Semi-Profis und Musicalschülern der hauseigenen Academy und macht seine Sache sehr gut. Von den Protagonisten fällt keiner positiv oder negativ aus dem Rahmen. Alle spielen rollendeckend und überzeugend. Während sich die Herren allesamt nichts nehmen, merkt man bei den beiden Königinnen doch deutliche Unterschiede: Inga Jamry gibt eine sehr überzeugende Elisabeth I., überzeugt in Gesang und Schauspiel gleichermaßen, kann sich aber doch zurücknehmen, da sie eben nicht die Hauptfigur des Stücks ist.

Kerstin Toelle, die sich die Titelrolle selbst auf den Leib geschrieben hat, kann leider an ihre Bühnenkontrahentin nicht ganz heranreichen. Sie spielt gut und singt auch passabel, aber leider fehlt ihr das gewisse Etwas, das eine Hauptdarstellerin ausstrahlen muss, wenn sie eine solche tragische Figur spielt.

Doch alles in allem kann man dem Waldau Theater zu seiner Weltpremiere nur gratulieren.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Waldau Theater, Bremen
Premiere: April 2008
Darsteller: Inga Jamry, Kerstin Toelle
Buch / Musik: Kerstin Toelle / Thomas Blaeschke
Fotos: Waldau Theater