home 2004 Was ist das Besondere an Samstagnacht?

Was ist das Besondere an Samstagnacht?

Diese Frage stellt man sich nach dem Besuch im Münchner Zirkus Krone Winterquartier unweigerlich. Denn so richtig springt der Funke in den gut zwei Stunden Show nicht über. Trotz mitreißender Musik von den Bee Gees und den originellen, sehr anspruchsvollen Choreographien fehlt das gewisse Etwas.

Die Tanzeinlagen werden nahezu perfekt präsentiert, ganz selten sieht man unsynchrone Bewegungen einzelner Darsteller. Das Ensemble leistet harte Arbeit und ist durch die Bank gut besetzt. Doch leider sind wederRon Holzschuh als Tony Manero noch Barbara Köhler als die ihm verfallene Annette richtige Sympathieträger, die das Publikum fesseln könnten.

Nachhaltig im Gedächtnis bleiben lediglich John Davies, der als freakiger Monty gleich in drei Rollen (DJ im ‚2001 Odyssey’, Tonys Vater und Tonys Boss) zu sehen ist, und Marc Seitz, dessen ‚Tragedy’ in CD-Qualität der tragischen Figur Bobby C. Charakter verleiht. Da verwundert es wenig, wenn diese beiden Darsteller beim Schlussapplaus die meisten Jubelrufe bekommen und der eigentliche Hauptdarsteller Ron Holzschuh daneben etwas verblasst.

Der „Marienhof“-Darsteller Ron Holzschuh bleibt als Frauenschwarm Tony Manero zu steril. Auch in emotionalen Songs wie ‚Immortality’ wirkt er unnahbar und sehr arrogant. Den Zuschauern fällt es sichtlich schwer, sein Schicksal zu teilen, geschweige denn Mitleid mit ihm zu haben. Barbara Köhler ist als Annette dem anziehenden Tony mit Haut und Haaren ergeben. Schauspielerisch wie gesanglich liefert die Ex-Sarah von den Stuttgarter Vampiren eine saubere Leistung ab. Sie begeistert das Publikum mit ihrer kraftvollen Stimme, doch ihr sauberer Gesang wirkt stellenweise zu kalt und emotionslos. Während der Tanznummern fügt sie sich gut in das Ensemble ein. Durch ihre latent vorhandene Steifheit hat man jedoch von Zeit zu Zeit das Gefühl, dass sie dort nicht wirklich hingehört.

In der Rolle der Stefanie Mangano überzeugt Zweitbesetzung Laurie Reijs sowohl tänzerisch als auch stimmlich. Fließende Bewegungen und ihre klare Stimme unterstützen ihre weibliche Ausstrahlung hervorragend und runden das optisch sehr ansprechende Erscheinungsbild ab. Die Szenen, in denen sie mit Ron Holzschuh tanzt, gehören ganz sicher zu den Highlights des Abends, denn zwischen den beiden stimmt die Harmonie und sie scheinen sich blind zu verstehen.

Marc Seitz spielt einen von Tonys Freunden und hat die tragische Rolle des Abends, denn Bobby C. nimmt sich jeden Abend das Leben. Dafür wird sowohl der Darsteller als auch das Publikum durch den mit Abstand schönsten Song (’Tragedy’) entschädigt. Marc Seitz singt live auf dem gleichen Niveau wie auf der Studio-Aufnahme der Kölner „Saturday Night Fever“-Inszenierung. In seinen Szenen wird klar, dass die qualitativen Mängel, die man zunächst auf die schlechte Akustik im Zirkusbau geschoben hatte, nicht ausschließlich der Technik zuzurechnen sind.

Fazit: Die Show ist für eine Fun-Show mit etwas über zwei Stunden viel zu kurz. Die Handlung wurde zugunsten lieblos präsentierter 70er Hits fast komplett vernachlässigt; die Charaktere bekommen keine Chance, sich zu entfalten. Das beste Beispiel ist hier Tonys Bruder Frank Jr. (Marco Heinrich), der zwar in zwei Szenen auftaucht, aber man fragt sich doch, was genau das ganze soll. Denn zum Fortgang der Handlung trägt sein Erscheinen durch die fehlenden Hintergrundinfos und seine nicht zu Ende erzählte Geschichte nicht bei. Das ist sehr bedauerlich, denn wie man an anderen Pop-Musicals sieht, kann man mit einem guten Buch sehr viel mehr erreichen und muss nicht auf die bloße Aneinanderreihung von bekannten Songs zurückgreifen.

Das Live-Orchester spielt die Bee Gees Hits aus dem Filmsoundtrack ausgezeichnet und sorgt für Stimmung im Zeltbau. Leider überstimmen die Musiker das singende Ensemble doch manchmal so stark, dass von einem Miteinander nicht mehr die Rede sein kann.

Das Münchner „Saturday Night Fever“-Ensemble hat seine Stärken ganz eindeutig im tänzerischen Bereich und bekommt ausreichend Gelegenheit diese unter Beweis zu stellen. Während Ron Holzschuh und Laurie Reijs durch echten Paartanz (fast so wie er an der Tanzschule gelehrt wird) versuchen, das Publikum zu gewinnen, erobert das Latino-Pärchen Cesar und Maria (Martin Van Bentem mit Yvon Eggen) mit seinen artistisch orientierten Tanzeinlagen die Zuschauer im Sturm.

„Saturday Night Fever“ ist eine gut gemeinte Bühnenfassung des Films mit John Travolta, doch verdirbt die ungenügend ausgearbeitete Bühnenadaption von Nan Knighton die Freude an der Show, da es zu viele Ungereimtheiten gibt. Dafür kann man jedoch die Künstler auf der Bühne nicht verantwortlich machen, denn diese geben ihr Bestes, um aus der Vorlage einen gelungenen, unterhaltsamen Abend zu machen.

Michaela Flint
veröffentlicht in Da Capo

Theater: Cirkus Krone, München
Premiere: 1. Juli 2004
Darsteller: John Davies, Ron Holzschuh, Barbara Köhler, Marc Seitz
Musik: Bee Gees
Fotos: BB Promotion