Das Theater des Westens ist das erste Haus, in dem „Ich war noch niemals in New York“ nach Udo Jürgens Tod im vergangenen Winter aufgeführt wird. Und das Publikum kann sich ganz offenbar nicht sattsehen und -hören an den Mitsing- und Mitklatsch-Schlagern. Denn das Theater war zu gut 80 % ausgelastet, was heutzutage unter der Woche eher Seltenheitswert hat.
Vielleicht hat sich aber auch herumgesprochen, dass man „Ich war noch niemals in New York“ auch dann unterhaltsam findet, wenn man Udo Jürgens Gassenhauer nicht kennt oder schätzt. Denn das Buch von Gabriel Barylli und Christian Struppeck hat einige sehr gute Einfälle, und die drei parallelen Handlungsstränge, die alle in einem großen, bunten Finale münden, ermöglichen es einem breiten Publikum sich darin wiederzufinden.
Natürlich musste sich optisch im Vergleich zur Hamburger Weltpremiere etwas ändern, denn das Theater des Westens hat nicht die Größe des Operettenhauses. Doch auch hier hat man einen sehr guten Kompromiss gefunden. Wenn man den Vergleich zu Hamburg nicht hat, vermisst man nichts. Denn auch in Berlin bewegen sich die Protagonisten spielend vom Bug über das Oberdeck bis zum Heck.
Nicht ganz unglücklich war ich persönlich darüber, dass man beim Matrosenballett auf die Teilung der Schiffsbugs im Hintergrund verzichtet hat. Da hier der Bug gar nicht erst gezeigt wird, stehen die Darsteller mehr im Vordergrund und man bringt auf der Bühne nicht mutwillig ein Schiff zum Untergang. Ein schöner Kniff ist auch der Szenenwechsel vom Altenheim zum Reisebüro während der Traum(reise)sequenz von Maria und Otto, auch wenn die eigentliche Szene dann etwas zu lang gerät.
Doch dieses Musical steht und fällt mit seinen Protagonisten. Ist Lisa auch nur etwas zu süßlich oder Axel etwas zu weich funktioniert das gesamte Konstrukt nicht. In Berlin hat die Casting-Abteilung der Stage Entertainment ein gutes Händchen bewiesen. Als dauergestresste, völlig fremdgesteuerte Moderatorin Lisa steht Sarah Schütz auf der Bühne, die die Lisa sehr streng anlegt und erst ganz spät ihre sanfte Seite zeigt. Gesanglich und schauspielerisch wird sie dem Rollenprofil mehr als gerecht: „Alles im Griff“ ist einer der Showstopper des Abends. Sie hat zudem eine tolle Rockstimme, die sie bei „Aber bitte mit Sahne“ gut einsetzen kann und damit alle anderen in den Schatten stellt.
Als freiheitsliebender, mit all der Verantwortung leicht überforderter, aber deshalb nicht weniger pragmatischer Axel ist Karim Khawatmi zu erleben. Er strotzt vor Selbstbewusstsein und zeigt der Zicke Lisa ziemlich schnell, wie der Hase läuft. Es gelingt ihm präsent zu sein und der weiblichen Hauptrolle dennoch nicht den Rang abzulaufen. Auch gesanglich lässt er keine Wünsche offen.
Das rüstige Rentnerpaar Otto und Maria, das sich selbst auf keinen Fall zum alten Eisen zählen lassen will, geben Peter Kock und – für das Berliner Publikum ein ganz besonderes Schmankerl – Ellen Kessler. Gesanglich scheinen die beiden mit dem Titelsong deutlich überfordert, doch sie spielen so charmant, dass man ihnen dies nachsieht.
Bleiben noch Freddie Costa, Lisas Assistent nebst Freund, gespielt von Andreas Bieber, und Gianni Meurer. Beiden machen die Figuren sichtlich Spaß und mit dem „Ehrenwerten Haus“ singen sie zudem eine der dankbarsten und pfiffigsten Nummern des Abends, mit der sie das Publikum vollends für sich einnehmen.
Es gibt nach wie vor etwas langatmige Szenen – „Schöne Grüße aus der Hölle“ und „Tut Mut gut“ gehören dazu. Auch die Überleitung zu „Griechischer Wein“ ist etwas platt und beim Finale dieses Songs hätte man auf den obligatorischen „Titanic“-Moment von Freddie und Costa gern verzichten können, aber „Ich war noch niemals in New York“ erhebt ja nicht den Anspruch hochtrabendes Musiktheater zu sein. Stattdessen bleibt die Show auf dem Niveau seichter, aber gut gemachter Unterhaltung. Und das gelingt auch in Berlin vorzüglich. Ein durch alle Reihen schunkelndes Parkett ist ein mehr als klares Anzeichen dafür. Nicht zuletzt auch dank des frechen Robin, der als Florian eine starke Bühnenpräsenz hat und den Udo Jürgens Hit „MIt 66 Jahren“ quasi mal eben so nebenbei zum Besten gibt. Der stürmische Applaus zeigt, wie sehr das Publikum seine Auftritte mochte.
Michaela Flint
Besuchte Vorstellung: 4. Juni 2015
Darsteller: Sarah Schütz, Karim Khawatmi, Andreas Bieber, Gianni Meurer, Peter Kock, Ellen Kessler
Musik: Udo Jürgens
Fotos: Eventpress / Stage Entertainment