home Interviews mit Musikern & Ensembles The Sankt Pauli Mad Pack: Swing ist eine Leidenschaft, die uns verbindet

The Sankt Pauli Mad Pack: Swing ist eine Leidenschaft, die uns verbindet

Michaela Flint: Swing und der Hamburger Kiez – wie passt das zusammen?

Marcus Prell: Es gibt einen direkten Bezug zwischen Swing und Kiez, wenn man in die Geschichte des Dritten Reichs schaut. Dort gab es die legendären Swing Kids, die in höchstem Maße illegale Tanzveranstaltungen gemacht haben und für ihre Musik ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben.

Dennis Durant: Allerdings haben wir bei der Gründung des „Sankt Pauli Mad Pack“ nicht an diesen historischen Zusammenhang gedacht. Doch die Kombination aus vermeintlich schmuddeligem Kiez und Swing funktioniert sehr gut. Es kommen Zuschauer zu unseren Auftritten auf dem Spielbudenplatz, die lange nicht mehr auf der Reeperbahn waren. Und viele stellen dabei fest, dass der Kiez nicht mehr so dreckig und gefährlich ist, wie er vielleicht mal war, sondern sehr schöne, unterhaltsame Seiten hat.

Michaela Flint: Wie hat es denn mit dem Sankt Pauli Mad Pack angefangen?

Dennis Durant: Marcus und ich haben uns schon vor ein paar Jahren auf einem Straßenfest kennengelernt. Ich habe dort mit meiner Funk & Soul-Band gespielt und Marcus als Swing-Interpreten anmoderiert. Danach haben wir den Kontakt immer gehalten und waren auch gemeinsam auf Auftritten.

Marcus Prell: Die Zusammenarbeit hat immer sehr gut funktioniert und deshalb habe ich dann im Winter 2007 auf dem Santa Pauli Weihnachtsmarkt gemeinsam mit Dennis meine Swing-Auftritte bestritten anstatt allein.

Dennis Durant: Wir haben sehr schnell gemerkt, wie gut wir als Duo harmonieren und dass wir zu zweit viel Erfolg haben können. Außerdem ist es zu zweit auf einer Bühne immer leichter, das Publikum zu gewinnen als allein. Und dann fiel mir eines Tages der Name „Sankt Pauli Mad Pack“ ein, der für unser Programm einfach perfekt war. Der Rest ist Geschichte…

Michaela Flint: Seit der Gründung des Sankt Pauli Mad Pack im Januar 2008 hat sich einiges getan…

Marcus Prell: Ja, vor allem das Tempo mit dem sich alles entwickelt, hat uns sehr überrascht, Wir waren von Anfang an überzeugt, dass unser Konzept erfolgversprechend ist, hätten aber nicht mit einem so rasanten Aufstieg gerechnet.

Dennis Durant: Aber ich muss auch dazu sagen, dass wir nicht bei Null angefangen haben, sondern dass wir Marcus’ Fanstamm von seinen Solokonzerten für uns gewinnen konnten. So hatten wir von Anfang an eine kleine Zuschauerbasis.

Marcus Prell: Mit jedem Auftritt konnten wir neue Kontakte knüpfen, aus denen dann neue Anfragen für Konzerte resultierten. Seit April 2008 spielen wir mindestens wöchentlich auf dem Spielbudenplatz und im Juni kam der NDR für ein Kurzporträt, im Sommer sind wir auf Hamburger Dom aufgetreten usw.

Dennis Durant: Aber der Spielbudenplatz ist und bleibt die Keimzelle, in der alles angefangen hat. Hier haben wir völlig unvoreingenommenes Publikum überzeugt, Menschen, die noch nie Swing gehört hatten. Das zu erreichen, ist schon sehr viel. Deshalb wollen und werden wir solange und sooft es geht, auch in unserem Wohnzimmer auftreten.
Großer Dank gilt an dieser Stelle Julia Staron vom Kukuun, die uns die ersten Auftritte ermöglichte und Jochen Bohnsack von der Spielbudenplatzbetreibergesellschaft, der schon früh das Potential des „Sankt Pauli Mad Pack“ erkannte und uns für den Spielbudenplatz engagierte. Nicht zu vergessen unser Techniker Serge, der eigentlich Jörg heißt und uns jedes Mal hervorragend betreut, obwohl wir ihn auch ganz gern mal auf die Schippe nehmen.

Michaela Flint: Warum haben Sie sich für ein Swing-Programm entschieden? Gerade in diesem Bereich ist die Konkurrenz mit Künstlern wie Roger Cicero oder Tom Gaebel nicht gerade klein…

Dennis Durant: Da gab es nie eine Diskussion. Marcus hat mit seinem Swing-Programm in und um Hamburg schon sehr früh angefangen. Er gehört meines Erachtens zu den besten Frank Sinatra Interpreten in Deutschland. Auch ich habe schon früher Swing gemacht; da gab es Roger Cicero und Tom Gaebel in dieser Form noch gar nicht. Swing ist eine Leidenschaft, die uns beide schon lange verbindet.
Dass andere mit ihren Swing-Programmen erfolgreich sind, ist auch für uns nur von Vorteil. Aber Marcus und ich haben einfach immer das gemacht, was uns am besten gefällt, ohne auf die Konkurrenz zu schauen.

Marcus Prell: Zudem heben wir uns allein schon durch den Entertainmentfaktor deutlich von den anderen Künstlern ab. Während Cicero oder Gaebel allein vor ihrer Big Band stehen, können wir zu zweit unsere Show abliefern. Genau diese kleinen Scherze und Frotzeleien sind es, die auch das Rat Pack mit Frank Sinatra, Dean Martin und Sammy Davis Jr. so beliebt gemacht haben.

Dennis Durant: Wenn man so möchte, profitieren wir auch von Robbie Williams’ CD „Swing when you’re winning“. Mit diesem Album hat er klassischen Swing einem jüngeren Publikum zugänglich gemacht.

Marcus Prell: Die Spannbreite reicht bei unseren Konzerten von 20 bis 80 Jahren. Das ist jedes Mal wieder faszinierend.

Michaela Flint: Zu Ihrem Programm gehört es auch, dass Sie einige Songs inmitten Ihrer Zuschauer singen. Wie kommt das beim Publikum an?

Marcus Prell: Dadurch, dass wir die Nähe zum Publikum suchen, zeigen wir ganz klar „Wir gehören zu Euch!“. Die Zuschauer sind begeistert, dass wir „Künstler zum Anfassen“ sind. Die Menschen sagen uns immer wieder, wie dankbar sie sind, dass sie unser Konzert sehen konnten. Genau diese pure Ehrlichkeit macht unsere Auftritte auch für uns so außergewöhnlich.

Dennis Durant: Durch diese Loslösung von der reinen Bühnenshow durchbrechen wir die so genannte vierte Wand. Wir sehen Erstaunen in den Gesichtern, weil wir uns trauen, scheinbar eingefahrene Pfade zu verlassen und uns auch nicht zu schade sind, die schrägen Späße einiger Zuschauer mitzumachen.

Michaela Flint: Was waren denn die skurrilsten Momente, die Sie bei Ihren Auftritten auf dem Spielbudenplatz erlebt haben?

Marcus Prell: Ich gebe ehrlich zu, manchmal sind die Betrunkenen und Obdachlosen echt sehr schwer zu ertragen. Aber zum Glück gibt es nur sehr wenige, die uns wirklich durch Grölen o. ä. belästigen. Viele tanzen einfach zu unseren Liedern oder singen unerwartet textsicher mit.

Dennis Durant: Einmal hatten wir Standard-Tanzpaar unter unseren Zuschauern; das war schon sehr beeindruckend. Und wenn unsere Zuschauer dann zu „New York, New York“ eine Kick-Line tanzen, sind wir auf der Bühne jedes Mal gerührt.

Marcus Prell: Oder es gibt diese Zuschauer, die wochenlang nach den Auftritten zu uns kommen und fragen, ob wir auch was von Elvis im Programm haben. Das ist keine erfundene Geschichte, die wir auf der Bühne erzählen. Es war wirklich so! Wir haben uns dann hingesetzt und überlegt, welcher Elvis-Song am besten in unser Programm passt.

Dennis Durant: Inzwischen ist „Can’t help falling in love“ zu einem der Programm-Highlights geworden.

Marcus Prell: Nicht vergessen dürfen wir auch unsere ältesten Fans: Zwei Damen jenseits der 80, die uns sowohl auf dem Spielbudenplatz als auch auf dem Alstervergnügen immer wieder besuchen und vor unserer Bühne tanzen.

Michaela Flint: Woher nehmen Sie die Inspiration für Ihr Programm?

Dennis Durant: Wir haben sehr schnell gemerkt, dass wir einander auf der Bühne positiv motivieren können, indem man den anderen neckt. Da wir beide ausgebildete Schauspieler sind, können wir sehr gut interagieren. Viele Zuschauer denken, dass sei einstudiert. Aber es ist alles spontan und in jedem Konzert anders. Unsere Fans, die teilweise auch bei dem größten Schietwetter mit uns ausharren, kennen sogar schon einige unsere Insider-Gags und stecken dann andere mit ihrem Lachen an.

Marcus Prell: Dadurch dass wir auch privat viel zusammen unternehmen, sind wir imstande immer wieder neue Witze zu machen und – was sehr wichtig ist – auch selbst darüber zu lachen.

Michaela Flint: Das Sankt Pauli Mad Pack hat oft mehrere Auftritte pro Woche. Was machen Dennis Durant und Marcus Prell, um zu entspannen?

Dennis Durant: Ich fotografiere leidenschaftlich gern. Außerdem bin ich mindestens einmal pro Woche auf dem Fußballplatz. Und samstags gibt es für mich nichts Schöneres als über den Flohmarkt zu schlendern und nach verborgenen Schätzen zu stöbern.

Marcus Prell: Neben meiner Familie bleibt nicht mehr viel Platz für Hobbies. Meine Frau ist mein Ruhepol. Am besten erhole ich mich auf langen Spaziergängen mit ihr.

Michaela Flint: Sie sind beide ausgebildete Bühnen- und TV-Schauspieler. Juckt es Sie nicht manchmal in den Fingern, wieder auf die Schauspielbühne zu wechseln?

Marcus Prell: Momentan nicht. Denn dass, was wir zurzeit machen, macht uns beiden viel zu viel Spaß. Wir kennen die steife Maschinerie eines Theaters mit all ihren Abhängigkeiten und als „Sankt Pauli Mad Pack“ sind wir unser eigener Herr. Warum sollten wir das freiwillig aufgeben?

Dennis Durant: Es ist großartig, mit unserem Team etwas aufzubauen und zu erleben, wie es von Monat zu Monat wächst, erfolgreicher und natürlich auch lukrativer wird.

Michaela Flint: Am 27. November präsentieren Sie im Rahmen der Eröffnung des Santa Pauli Weihnachtsmarkts Ihre erste eigene CD „Swing is back in town“ Worauf dürfen wir uns freuen?

Dennis Durant: Wir kommen gerade aus dem Studio und haben die ersten vier von elf Songs eingesungen. Wir haben eine klassische Jazz-Band gefunden, die sehr konzentrierte, klare, ehrliche Musik macht, die sehr gut zu unserer Art zu singen passt.

Marcus Prell: Natürlich sind Highlights wie „Mr. Bojangles“ oder „My Way“, aber auch neue Stücke wie „As time goes by“ auf unserer CD.

Michaela Flint: Was sind Ihre nächsten Ziele mit dem Sankt Pauli Mad Pack?

Marcus Prell: Unser Programm hat ein großes Potential, das wir gern über Hamburgs Grenzen hinaus in ganz Deutschland bekannt machen möchten.

Dennis Durant: Ein Traum von uns ist es auch, einmal mit einer richtig großen Big Band live zu spielen. Unsere „Sankt Pauli Mad Pack“ Band, mit der wir das Eröffnungskonzert des Santa Pauli Weihnachtsmarkts spielen werden, ist schon ein erster Schritt in diese Richtung.

Michaela Flint: Seit 1. Oktober 2008 nennen Sie sich das „Sankt Pauli Mad Pack“. Wie kam es zu dieser Namensänderung?

Dennis Durant: Als ich mir letztes Jahr den Namen „Sankt Pauli Rat Pack“ ausgedacht habe, habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht, ob der Begriff „Rat Pack“ vielleicht geschützt ist. Wenn man jedoch eine CD produziert, muss man namensrechtliche Belange jedoch unbedingt prüfen. Dabei bin ich auf eine Entertainment-Show gestoßen, die sich den Namen „Rat Pack“ gesichert hat.
Also mussten wir uns nach einer Alternative umsehen.

Marcus Prell: Wichtig war es, das „Sankt Pauli“ im Namen zu erhalten. Denn das ist und bleibt unser Wohnzimmer. Ein Vorschlag war dann das „Sankt Pauli Bad Pack“, aber wir sind ja kein schlimmes Pack, da passt das „Mad Pack“ im Sinn von „crazy und abgedreht“ schon eher. Denn ungewöhnlich ist es allemal, was dort auf dem Spielbudenplatz stattfindet.

Michaela Flint