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Sweeney Todd

Blutig, blutiger, Sweeney Todd – der Splatter-Musical-Film von Tim Burton

Bereits zum sechsten Mal arbeitet das Team Burton / Depp hier zusammen. Schon mit Filme wie „Edward mit den Scherenhänden“, „Sleepy Hollow“ oder „Charlie und die Schokoladenfabrik“ hat das Gespann sein Händchen für schräge Stoffe und nicht minder bizarre Charaktere hat.

Mit Stephen Sondheims „Sweeney Todd“ bot sich ein Musical an, das thematisch auch nicht unbedingt als leichte Unterhaltung gilt. Die düstere Stimmung wird auf der Leinwand perfekt eingefangen, so richtig Tag wird es in Tim Burtons London nicht. Überall ist es grau-braun und schmutzig. Einzig die Klingen von Sweeney Todd alias Johnny Depp schillern als gäbe es kein Morgen. Ebenfalls auffallend farbenfroh ist das Kostüm von Sacha Baron Cohen als der als erster von Todd gemeuchelte Signor Adolfo Pirelli.

Der Film ist mit seinen 116 Minuten im Vergleich zur Bühnenfassung erstaunlich kurz und kompakt, aber deshalb nicht weniger blutig. Nicht ohne Grund wurde das Leinwandmusical in Deutschland erst ab 16 Jahren freigegeben. Nichtsdestoweniger lohnt sich der Besuch des Kinos auf jeden Fall!

Johnny Depp spielt den mordenden Barbier sehr verletzt und für seine Außenwelt schwer durchschaubar. Depp lässt den Zuschauer die Verletztheit beinahe körperlich spüren, die den von Richter Turpin in jungen Jahren so böswillig abgeschobenen Mann überhaupt zum Mörder macht. Schauspielerisch lässt er es an nichts vermissen. Gesanglich darf man sch schon fragen, ob die Gesangsstunden, die seine Kollegen eigens für diesen Film genommen haben, ihm nicht auch gut getan hätten. Nur allzu oft hört man schiefe Töne oder nicht ausgesungene Passagen von ihm. Das ist sehr bedauerlich, doch schadet es der Figur an sich weniger, denn zu einem Mann mit gebrochenem Herzen passt auch die emotionale Wankelmütigkeit in der Stimme.

Mrs. Lovett, deren Pie Shop durch Todds spezielle Füllungen zu einem der angesagtesten Lokale Londons wird, wird von Helena Bonham Carter einfühlsam und mit viel Herz gespielt. Dass sie im Grunde nur den Mann für sich gewinnen will und sich dann mit dem Kompromiss als „Arbeitskollegen“ zufrieden gibt, wird in einigen Szene mehr als deutlich. Dennoch wäre Sweeney Todd ohne die pfiffige Mrs. Lovett aufgeschmissen, vermietet sie ihm doch seine alte Wohnung und versorgt ihn als es ihn bei seiner Ankunft in London emotional fast zerreißt.

Jamie Campbell Bower spielt Anthony Hope, der sich Hals über Kopf in Todds Tochter Johanna (Jayne Wisener) verliebt und sich damit den fiesen Richter Turpin (Alan Rickman) zum Feind macht. Der hat, nach dem sich deren Mutter und ehemalige Frau von Todd selbst das Leben genommen hat, ganz andere Pläne mit seinem Mündel: Er möchte die bildhübsche junge Frau ehelichen. Dass Todds Frau und Johannas Mutter mit ihrem Selbstmordversuch nicht erfolgreich war, kommt zum Ende des Film heraus als Todd in den Gesichtszügen einer vom ihm ermordeten Bettlerin seine geliebte Frau wieder erkennt. Laura Michelle Kelly spielt die wenigen Szenen als glückliche junge Mutter und entstellte Bettlerin rollendeckend und verzückt durch ihre Erscheinung seither nicht mehr nur Bühnenproduzenten (zurzeit steht sie im „Lord of the Rings“ in London auf der Bühne).

Alan Rickman ist der geborene Fiesling – das hat er in diversen Rollen eindrucksvoll bewiesen. Auch als Richter Turpin sammelt er keine Sympathiepunkte. Er gibt Todds Widersacher sehr eigensüchtig und rücksichtslos. So stellt man sich den Grund für den blutigsten Racheplan in einem Musical vor! Man kann sich vorstellen, dass Rickman sich auf dem Stuhl von Sweeney Todd / Johnny Depp und den messerscharfen Rasierklingen and seinem Hals nicht sonderlich wohl gefühlt hat, denn zwischen den Schauspielern brennt spürbar die Luft vor Hass.

Turpins Handlager Beadle Bamford wird von Timothy Spall gegeben, der an Widerlichkeit kaum zu überbieten ist. Eine selten unsympathische Erscheinung, deren schleimige Äußerungen vor Ekel für Gänsehautschauer sorgen.

Apropos Ekel, „Sweeney Tood“ ist als Musicalfilm schon fast im Splattergenre anzusiedeln. Wenn Todd wieder einem seiner Opfer die Kehle durchschneidet, spritzt das Blut nur so durch die Dachgeschosswohnung. Alles ist in Filmblut getränkt – das ist nichts für zart besaitete Zuschauer!

Gesanglich werden die Zuschauer vor allem durch Edward Sanders als Toby überzeugt. Der inzwischen knapp 15-jährige Engländer überzeugt durch glockenklaren Gesang und strahlt während des Showstoppers „Not while I’m around“ tiefe Liebe aus, die man bei einem Nachwuchsdarsteller so nicht erwartet. Auch wenn Toby in seinem jungen Leben schon viel erlebt hat und ein rechtes Schlitzohr ist, verleiht ihm Sanders eine verletzliche und kindlich-schützenswerte Seite.

Damit läuft er seinem nur fünf Jahre älteren Kollegen Jamie Campbell Bower spielend den Rang ab, auch wenn dieser durch seine zerbrechliche Optik (das Gesicht erinnert mehr als nur vage an Keira Knightley) und eine schöne Stimme seinen Charakter überzeugend mit Leben füllt.

„Sweeney Todd“ gibt als Film eine Art Kurzfassung vom Bühnengeschehen. Kaum taucht ein Charakter auf, schon wird er schon ermordet. Das ist ein wirkliches Manko an dieser ansonsten sehr gut umgesetzten Musicaladaption. Das Geschehen entwickelt sich so schnell, dass man kaum zum Luftholen kommt, ganz zu schweigen davon, dass man sich mit den einzelnen Charakteren ausgiebiger befassen könnte.

Die Sondheim-Kompositionen eignen sich hervorragend für die Leinwand. Das fängt bei der nach typischer Burton-Manier optisch umgesetzten, rein instrumentalen, Ouvertüre an, geht über das flehende „Johanna“ weiter, versetzt einen bei „Pretty Women“ in Schwingung und endet bei der kitschigen Traumsequenz „By the Sea“ noch lange nicht.

Der Film ist düster und seine Charaktere alle auf ihre Art dämonisch. Wenn man sich darauf einlässt, kann man ein mit wenigen Mitteln (es gibt eigentlich nur eine Handvoll Schauplätze anhand derer Sweeney Todds Geschichte erzählt wird) sehr gut für die Leinwand umgesetztes Musical erleben.

Michaela Flint

veröffentlicht in blickpunkt musical
Ausgabe 02/08, März-April 2008

Regie: Tim Burton
Darsteller: Sacha Baron Cohen, Helena Bonham Carter, Johnny Depp, Laura Michelle Kelly, Alan Rickman
Musik: Stephen Sondheim
Verleih / Fotos: Warner Bros.
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