home Interviews mit Darstellern Stagecoach Schulen in Deutschland – Schulleiter Sebastian Kraft im Gespräch

Stagecoach Schulen in Deutschland – Schulleiter Sebastian Kraft im Gespräch

Seit der Gründung der Institution 1988 in England sind weltweit mehr als 500 Stagecoach Schulen gegründet worden und machen Stage Coach zur größten Freizeittheaterschule der Welt.

Stagecoach bietet Kindern von 4 – 16 Jahren die Möglichkeit neben der normalen schulischen Ausbildung auch ein erstklassiges Training in den Bereichen Tanz, Schauspiel und Gesang zu erhalten. Und so ganz nebenbei wird auch der Gebrauch der englischen Sprache intensiviert, da viele Materialien, mit denen die Dozenten arbeiten, internationalen Ursprungs sind.

Der Unterricht verläuft in Trimestern; die Klassen sind nach Altersgruppen aufgeteilt. Pro Klasse gibt es nicht mehr als 15 Schüler, was den Lehrern eine intensive Arbeit mit jedem einzelnen Kind ermöglicht. Die wöchentliche Ausbildung beträgt drei Stunden – jeweils eine Stunde in Gesang, Tanz und Schauspiel/Dramatischem Gestalten.

Genau wie an jeder richtigen Schule gibt es auch bei Stagecoach Prüfungen und Zeugnisse. Während die Prüfungen derart gestaltet sind, dass sich die Schüler in Gruppen zu freiwilligen Prüfungen am Londoner Trinity College anmelden können, erhalten die Eltern hingegen zweimal jährlich ein Zeugnis, das sie über Einsatz, Entwicklung und Einstellung ihrer Sprösslinge auf dem Laufenden hält.

Große Aufregung herrscht jedes Mal, wenn das Erlernte vor Publikum präsentiert wird: Zweimal pro Jahr zeigen die Schüler, was sie bei Stagecoach gelernt haben, einmal davon in Form eines komplett einstudierten Stücks.

In Großbritannien erfreuen sich diese Schulen großer Beliebtheit, sind sie doch eine Möglichkeit spielerisch, ohne Drill und die gestrengen Eltern in der Nähe auszutesten, ob ein Kind Talent für die darstellenden Künste hat und in welcher Form diese zukünftige weiter ausgebaut werden können. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, denn viele Kinder, die bei „Billy Elliot“ auf der Bühne stehen oder in den „Harry Potter“-Filmen zu sehen sind, haben ihre Ausbildung bei Stagecoach begonnen.

Auch in Deutschland gibt es mittlerweile neun Stagecoach Schulen. Erst im Frühsommer wurde die Hamburger Niederlassung in den Räumen einer Tanzschule eröffnet und seitdem geht es jeden Samstag hoch her. Wir treffen Sebastian Kraft, den Schulleiter der Hamburger Schule, inmitten der größten Hektik: Der Unterricht ist in einer halben Stunde zu Ende, die ersten Eltern sind da, um ihre Kinder abzuholen und vorher noch ein bisschen zuzuschauen, wie sich ihre kleinen Lieblinge so machen… „Dabei mögen wir das gar nicht gern, wenn die Eltern so früh hier sind. Die Kinder sollen hier ungestört das machen können, was sie möchten.“ sagt Kraft etwas beunruhigt.

Kraft war schon bei der Gründung der Hamburger Stagecoach Schule als Tanzdozent mit dabei. Als der ursprüngliche Schulleiter Daniel Witzke sein Amt nach sehr kurzer Zeit wieder niederlegte, wurde Sebastian Kraft von der deutschen Stagecoach Zentrale in Nürnberg gefragt, ob er sich vorstellen könne, die Hamburger Schule zu leiten. „Natürlich habe ich ja gesagt. Ich denke, dass diese Institution für Hamburg genau das richtige ist. Hamburg ist nun einmal die Musicalstadt schlechthin und so etwas wie Stagecoach – eine Schule, in der die Kinder Tanz, Gesang und Schauspiel an einem Ort an einem Tag lernen können, ohne dass ihre Eltern sie von einem Lehrer zum anderen quer durch die Stadt fahren müssen – fehlte hier einfach noch.“ Der Hamburger Schauspieler und Sänger hatte nur eine Bedingung an seine neue Position: „Ich wollte das nur machen, wenn unsere Dozenten Hamburger Bühnenprofis sind. Das ist nicht an allen Schulen so, aber für mich ist es sehr wichtig, dass die Lehrer alle aktuell selbst noch auf der Bühne stehen.“ Die Lehrer, das sind Femke Soetenga und Kalliopi Lazou im Bereich Gesang, Robert Kotulla für das Schauspiel und Jonathan XX im Tanzbereich. „Wir haben alle keine pädagogische Grundausbildung, sehr wohl aber Unterrichtserfahrung.“ erläutert Kraft, „Es geht uns ja nicht um das Erziehen der Kinder, sondern wir möchten ihnen zeigen, was wir so auf er Bühne machen, um sie so zum mitmachen zu animieren. Wir gehen da ganz pragmatisch und diszipliniert vor. Immerhin haben wir einen Plan und wissen, wo wir mit den Kindern hinwollen. Die Kinder nehmen das, war wir im echten Bühnenleben erfahren auf spielerische Art und Weise mit und entwickeln so mehr Selbstvertrauen und Kreativität.“

Zurzeit hat die Hamburger Stagecoach Schule 17 Schülerinnen und Schüler. Ende Oktober fand ein Workshop statt, auf dem sich 36 weitere potentielle Schüler mit dem Unterricht von Stagecoach vertraut machten. „Die Kinder, die am Workshop teilnehmen, können im Januar direkt bei uns anfangen. Da wir aufbauenden Unterricht praktizieren, ist ein Einstieg mitten im Trimester nicht möglich. Auch da setzen wir sehr auf Disziplin.“ erklärt Kraft die für einige doch recht strengen Sitten.

Noch ist das Modell der Stagecoach Schulen in Hamburg und Deutschland nicht so bekannt wie in England, dennoch „finden alle, die uns kennen lernen, die Idee großartig. Da die Hamburger sehr wählerisch sind, dauert es natürlich eine Weile, bis sich solch ein Konzept herumspricht und durchsetzt.“ Bei diesen Startschwierigkeiten würde es sich doch direkt anbieten, wenn eines oder mehrere der Hamburger Theater Stagecoach unterstützen würden. Doch das lehnt Sebastian Kraft vehement ab: „Die Theater sind alle Privatbetriebe und müssen Geld verdienen. Daher würde die Förderung der Kinder nicht aus reinem Altruismus geschehen, sondern nur zum Wohl ihrer Produktionen. Und wir möchten hier keine kleinen Ensembles züchten. Wenn die Kinder später selbst auf der Bühne stehen wollen, ist das ihre Entscheidung und wir werden sie sicherlich unterstützen, aber wir werden sie nicht von vornherein auf die Teilnahme an Auditions oder Castings trimmen.“

Sebastian Kraft hat sich zum Ziel gesetzt, dass es nicht nur bei dieser einer Stagecoach Schule in Hamburg bleibt: „In den nächsten Jahren möchte ich gern in verschiedenen Stadtteilen Schulen eröffnen, denn in Hamburg ist das Potential sehr groß und das werden wir mittelfristig mit einer Schule nicht angemessen abdecken können.“ Dafür gönnt sich der Hamburger auch erst einmal eine Auszeit von der eigenen Bühnenarbeit. „Nach zehn Jahren fester Engagements auf Hamburger Bühnen brauche ich einfach eine kreative Pause. Mein Fokus liegt auf meiner Stagecoach Schule und der Powervoice Academy, die ich ebenfalls leite. Ich habe also arbeitsmäßig genug zu tun…“ sprachs und entschwand, um die Schulglocke zu läuten.

blickpunkt musical wird die Fortschritte von Stagecoach in Deutschland von nun an regelmäßig begleiten und auch bei deren Veranstaltungen dabei sein, um unseren Leserinnen und Lesern dieses wertvolle Konzept noch näher zu bringen.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

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