Spontainment

Am 18. September wusste keiner so richtig, was ihn erwarten würde. Angekündigt war die „One Man – No Concept“-Show „Spontainment“ von und mit Thomas Borchert. Nicht einmal der Künstler selbst wusste, wie der Abend laufen würde.

Nachdem er einige Gäste persönlich begrüßt hatte, ließ sich Borchert durch Stichworte aus dem Publikum zu improvisierten Songs am Flügel hinreißen. Weder Texte noch Melodien waren bekannt. Auch die Tonlage – Dur oder Moll – ließ sich Borchert von den Zuschauern vorgeben. Wenn einmal keine Impulse aus dem Publikum kamen, erzählte der Wahl-Hamburger eine kurze Geschichte oder versuchte sich im Stand-Up Comedy und entwickelte daraus den nächsten Song.

Viele Stücke waren harmonisch eingängig am Flügel umgesetzt, doch die Texte entbehrten jeglichem Sinngehalt. Es scheint für Thomas Borchert leichter, Melodien zu improvisieren als sich stimmige Texte auszudenken. So hörte man Songs über Tauben oder Seemänner mit Gicht und erhielt eine Ruhrpott-Lehrstunde („Komm ma’ lecker bei mich bei“). Auch romantische Themen mit teilweise bekannt erscheinenden Textfragmenten klangen an. Thomas Borchert bot ein vielseitiges Programm, dessen Anspruch jedoch im Laufe des Abends auf der Strecke blieb.

Carolin Fortenbacher („Mamma Mia!“) und ihrer unvergleichlichen Art verdankten die ca. 250 Zuschauer ein Stöhnkonzert der Extraklasse („Ich will ein Kind von Dir!“). Allerdings nervte das Stöhnen nach 5 Minuten mehr und mehr und die einzige, die noch Spaß hatte, war Carolin Fortenbacher. Thomas Borchert, der nicht wusste, wem er diese Sondereinlage zurechnen konnte, kam nur schwer wieder aus dieser Situation heraus, denn jeder neue Song-Ansatz wurde entsprechend „kommentiert“.

Einen Improvisationsabend ausgerechnet in Hamburg zu testen, ist sehr mutig. Doch die aus ganz Deutschland angereisten Fans glichen das spröde, eher unspontane Wesen des einheimischen Publikums spielend aus.

Nach knapp eineinhalb Stunden, zum Leidwesen seiner Fans ohne jeglichen bekannten Song, fand „Spontainment“ nach mehreren Zugaben ein Ende. Noch eine Stunde später erfüllte Thomas Borchert die zahlreichen Autogrammwünsche.

So pur hat man Thomas Borchert sicherlich noch nicht erlebt. Doch so ganz ohne Netz und doppelten Boden – sprich einige erprobte Impro-Songs oder Comedy-Einlagen – begibt sich der alte und neue Graf von Krolock immer mal wieder auf sehr dünnes Eis. Aber vielleicht ist es auch genau das, was den Reiz an diesem Abend ausmacht. Weitere „Spontaniment“-Shows finden im Kehrwieder Variéte am 20. November und 19. Februar. Und ganz sicher wird kein Abend wie der andere, sondern komplett neu.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Kehrwiedertheater, Hamburg
Premiere: 18. September 2006
Sänger: Thomas Borchert
Fotos: Stephan Drewianka