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Rocky – Das Musical

Abwechslungsreiche Kompositionen sorgen für Hörgenuss

Der erste Song, der einem beim Stichwort „Rocky“ in den Sinn kommt, ist zweifelsohne „Eye of the Tiger“. Das Album zum gleichnamigen Musical verzichtet auf diesen Hit, nicht jedoch auf die weltberühmte Fanfare. Was man darüber hinaus zu hören bekommt, ist an stilistischer Abwechslung kaum zu überbieten.

Wie der Titelheld lassen sich auch die Kompositionen von Stephen Flaherty in keine Schublade stecken. Man hört voluminöse Musicalnummern, die sich nahtlos an Rocksongs anschließen, fühlt sich in einen Saloon versetzt, lauscht 80er Jahre Broadway-Melodien, möchte das Tanzbein zu schmissigen Discohits schwingen, genießt gefühlvolle Balladen – kurz, man entdeckt in jedem Stück dessen ganz persönliche Einzigartigkeit. Das Orchester ist pointiert abgemischt und macht jeden Stil zu einer runden Sache.

Es ist mutig, ein Musical so ganz ohne musikalischen roten Faden zu kreieren, doch im Fall von „Rocky“ geht die Rechnung auf. Das liegt aber nicht nur an Stephen Flahertys unbestrittenem Feinsinn für den richtigen Ton, sondern auch an Wolfgang Adenbergs Texten, die sich den unterschiedlichen Musikrichtungen anpassen und eine gelungene Einheit bilden. Es lohnt sich genau hinzuhören, denn „Rindfleisch, das nicht zurückschlägt“, „echt miese Reime“ und ein „italienischer Hengst, der bald ein Wallach sein wird“ sind nur einige Highlights der mit viel Augenzwinkern geschaffenen Songtexte. Herausragend ist in dieser Hinsicht „Die Nase hält noch“ – ernst nehmen sollte man diesen Song auf keinen Fall, denn er trieft nur so vor Ironie.

Mit dieser handwerklichen Kunstfertigkeit ist die perfekte Grundlage geschaffen.

Die 18 Stücke auf dem Studioalbum wurden von der Hamburger Premierenbesetzung eingesungen, zu der mit Drew Sarich einer der besten Sänger (nicht nur) auf deutschen Musicalbühnen gehört.

Drew Sarich weiß genau, welchen Song er mit wie vielen Emotionen singt. Er dosiert die Intensität seines stimmlichen Ausdrucks perfekt, singt sanfte Melodien ganz zart und einfühlsam und intoniert Rockklänge mit viel Druck. Er spannt den Bogen vom frustrierten, glücklosen Boxer zum verliebten, erstarkten Kämpfer beeindruckend überzeugend. „Fight From The Heart“ und „Standzuhalten“ sind nur zwei Beispiele, in denen Drew Sarich stimmlich aus dem Vollen schöpfen kann.

Wietske van Tongeren verleiht Adrian Zerbrechlichkeit und schon beim Klang ihrer Stimme hat man viel Sympathie für das schüchterne Mädchen. In den Duetten mit Sarich zeigt sie aber durchaus auch ihre starke Seite.

Terence Archie ist als Apollo Creed zu hören. Stimmlich füllt er die Rolle von Rockys Kontrahent vollends aus. Schade ist jedoch, dass er zum Zeitpunkt der CD-Aufnahme mit der deutschen Sprache noch nicht allzu vertraut war und an einigen Stellen die Stärke seiner Songs dadurch verloren geht, dass man seiner Aussprache schwer folgen kann.

Aus dem Ensemble stechen akustisch Patrick Imhof und Alex Avenell als Paulie und Gloria heraus. In bester Leonard Cohen Manier macht Patrick Imhof als Paulie seinem Frust über sein ödes Leben Luft. Und Alex Avenell zeigt eindrucksvoll, was eine Rockröhre ausmacht („Feiertag“). Ihre Intensität ist schlichtweg mitreißend.

Abgerundet wird dieses einwandfreie Album durch ein umfangreiches Booklet, in dem man alle Songtexte zum Mitsingen findet.

„Rocky – Das Musical“ ist eine heutzutage selten gewordene Musicalperlen. Dies verdankt das Stück seinem genialen Komponisten, der zu keiner Zeit Langeweile aufkommen lässt, sondern jeden Zuschauer mit seinem ganz individuellen Geschmack abholt und so ins Stück hineinzieht.

Michaela Flint