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Odette

Mit „Odette“ möchte Murray Woodfield die dunkle Seite des beliebten Tschaikowsky-Balletts „Schwanensee“ beleuchten. Für die Regie holte er sich Mark Leipacher an die Seite, den musikalischen Part besorgte Alexander S. Bermange, der erst kürzlich beim Grazer Musical Festival den Publikumspreis für sein Musical „Shadowless“ gewann.

Zur Auffrischung kurz die Handlung von „Schwanensee“: Prinz Siegfried gibt am Abend vor seinem Geburtstags ein Fest. Seine Mutter, die Königin fordert ihn auf, sich am nächsten Tag endlich eine Braut zu suchen. Der Abend endet mit dem Aufbruch zu einer Schwanenjagd. Siegfried trifft am See auf Odette, eine Prinzessin, die von dem Zauberer Rotbart mit einem Fluch belegt wurde, der sie tagsüber als Schwan leben lässt und nur nachts als Mensch. Nur wenn jemand sie ehrlich liebt und ihr treu ist, kann sie erlöst werden. Siegfried lädt sie zum Ball am nächsten Abend ein, um sie der Königin als Braut vorzustellen. An Siegfrieds Geburtstagsfeier nehmen Abgesandte aus alle Herren Länder teil und stellen ihre Heiratskandidatinnen vor. Als Rotbarts Tochter Odile in der Gestalt Odettes, ganz in schwarz gekleidet, erscheint, macht Siegfried ihr einen Heiratsantrag. Als er seinen Irrtum erkennt, ist der Prinz entsetzt und eilt zum See. Der Prinz bittet Odette um Verzeihung und sie vergibt ihm. Eine große von Rotbart heraufbeschworene Welle reißt Siegfried in den See. Odette eilt ihm nach, um ihren Geliebten zu retten.

Woodfields „Odette“ erzählt die Geschichte aus der Sicht der verzauberten Prinzessin Odette. Odettes Vater Otto erschießt bei einer Jagd aus Versehen die Frau des Zauberers, woraufhin dieser den erwähnten Fluch gegen die hübsche Odette ausspricht. Siegfried und Odette treffen am See aufeinander, dessen Ufer Odette seit dem Zauberspruch nicht mehr verlassen kann. Odile kann ihre Eifersucht kaum im Zaum halten und klagt ihren Vater, Zauberer Rotbart, an, der ihr einen Prinzen zum Heiraten versprochen hat. Dieser jedoch beschließt selbst Odette zu heiraten, um ihr mögliches Glück mit Prinz Siegfried zu verhindern. Dann gibt es da noch die Hellseherin Wezenina, die Rotbart sein Schicksal vorhersagt und ihm damit nun wahrlich keine Freude macht. Im zweiten Akt, geht es um Siegfrieds missglückte Brautschau, die unglückliche Odile und das Happy End für das glückliche Prinzenpaar Siegfried und Odette.

Alexander S. Bermange hat für dieses Musical 19 abwechslungsreiche Songs geschrieben, die er am Piano gemeinsam mit seinem Bassisten Justin Homewood spielte. Neben für ein Musical passenden Popsongs hört man ebenso intensive Balladen wie dramatische Stücke, die perfekt auf die verschiedenen Auseinandersetzungen abgestimmt sind. Da ist zunächst der Kampf zwischen Rotbart und Otto („Revenge“). Schwungvoll und aggressiv gehen der Zauberer und der Vater von Odette aufeinander los. Im Hintergrund versucht Odette, die beiden Kontrahenten auseinander zu bringen. Wunderschöne balladesque Soli wie „Don’t hold back my heart“ von Prinz Siegfried, „Your wedding night“ von Odile oder „Living for the light“ von Odette sind unzweifelhaft aus Bermanges Feder und unterstreichen sein großes für romantische Themen.

Ein besonderes Highlight ist im 2. Akt war der Comedy-Song „My Prince“ ebenfalls von Odile, in dem Bermange sein Händchen für geistreiche Songtexte in Kombination mit schnellen Melodien unter Beweis stellte.

Das elfköpfige Ensemble verfügt über reichhaltige Erfahrungen auf der Musical- und/oder Theaterbühne. Während die Darsteller von Prinz Siegfried (Ben Fleetwood-Smyth) sowie der Königin und Wezenina (beide gespielt von Nova Skipp) zwar schöne Songs haben und wichtig für den Fortgang der Geschichte sind, bleiben sie deutlich weniger im Gedächtnis hängen als Melissa Keyes, die Darstellerin der Titelfigur Odette und ihr Vater Otto (Morgan Crowley), und die beiden dunklen Gestalten – Zauberer Rotbart (Greg Canestrari) und seine Tochter Odile (Deborah Crowe). Insgesamt sind die Charaktere nicht besonders stark ausgearbeitet, was schade und zugleich das größte Manko am Stück ist.

Während Musik, Kostüme und Kulissen das Beste aus dem Stück und den vorhandenen Möglichkeiten des kleinen Bridewell Theatre machen, ist das Buch die Schwachstelle. Auch wenn der Konflikt zwischen Gut und Böse alles andere als neu ist, und auch die Grundstory durch den „Schwanensee“ bekannt ist, hätte Woodfield seinen Figuren mehr Tiefgang verleihen können. Ein Musical ausschließlich über die Songs zu erzählen, ist – auch wenn die Songs noch so vielseitig sind – für einen erfahrenen Autor etwas zu wenig.

Insgesamt hat „Odette“ nicht die Zugkraft, die „Shadowless“ vor einigen Jahren an gleicher Stelle unter Beweis stellte. Und dennoch waren die Musik und die Darsteller einen Besuch diesen zweiwöchigen Tryouts wert.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musica

Theater: Bridewell Theatre, London
Besuchte Vorstellung:
18. Oktober 2007
Darsteller: Ben Fleetwood-Smyth, Nove Skipp, Deborah Crowe, Greg Canestrari
Musik: Alexander S. Bermange
Fotos: privat