home 2016 Näher dran an der Originalinszenierung geht es kaum

Näher dran an der Originalinszenierung geht es kaum

Wenn Sie britischen Humor mögen und mal wieder zwei Stunden herzlich lachen möchten, empfehlen wir Ihnen Monty Python’s „Spamalot“ im English Theatre in Frankfurt. Die irrwitzige Gralssuche von King Arthur und seinen Rittern wurde von den britischen Komikern rund um John Cleese und Eric Idle bereits 1975 unter dem Titel „Monty Python and the Holy Grail“ (zu deutsch: „Die Ritter der Kokosnuss“) in die Kinos gebracht. Ab 2004 konnte man viele der doch reichlich skurrilen Charaktere auf der Musicalbühne wiedersehen: die „Lady of the Lake“, die „Knights who say Ni“ und „Sir Robin the Not-Quite-So-Brave-As-Sir-Lancelot“ sind nur einige Beispiele. Natürlich kommt auch God zu Wort und die für die deutsche Filmfassung namensgebenden Kokosnüsse werden von King Arthurs Diener Patsy auch auf der Bühne in der gewünschten Gangart zum Klingen gebracht.

Wer glaubt, dass man für „Spamalot“ eine große Broadway-Bühne braucht, irrt. Im English Theatre hat Tim McQuillen nach „The Life“ und „Ghost“ erneut eine in sich stimmige Umgebung geschaffen. Die Bibliothek, in welcher der Historiker die Zuschauer begrüßt, umrahmt das Geschehen. Dahinter findet sich eine Burgmauer mit Tor, und auch der „dark and extremely expensive forrest“ fehlt nicht. Und auch die Kostüme (ebenfalls von McQuillen) sind sehr gelungen. Hervorzuheben sind hier insbesondere die Kleider der Lady of the Lake, die bei jedem ihrer Auftritte in einer neuen Robe erscheint. Nicht ganz so gelungen ist hingegen Lancelots „Coming Out“-Dress. Dieser erfüllt zwar ganz klar seinen farbenfrohen, schillernden Zweck, aber hier wäre sicherlich etwas Besseres möglich gewesen. Auch die Turnkleidchen der „Laker Girls“ mit ihren fransigen Röckchen wirken zunächst etwas fehlt am Platz. Doch als die Röcke sich zu Pompons verwandeln, die den Song „Laker Girls Cheer“ perfekt visualisieren, passt wieder alles zusammen.

Die nur 13 Akteure auf der Bühne agieren auf höchstem Niveau, obwohl sie einen Erfahrungsschatz haben, der unterschiedlicher nicht sein könnte. So ist es für Anthony Cragg (Swing) und Joe Etherington (Sir Bedevere / Concorde) die erste Rolle nach Abschluss ihrer Ausbildung, während Matthew Gent (Sir Robin), Jo Parsons (Galahad) und John McManus ( Historian / Prince Herbert / Not dead Fred) zahlreiche Engagements im West End vorweisen können. Eine beeindruckende Vita haben auch George Rae (Patsy) und Scott Armstrong (Lancelot), die schon für viele UK-Tourneen von Musicals engagiert waren. Nic Kyle (King Arthur) war in seiner Heimat Neuseeland in vielen Hauptrollen (u. a. Chris in „Miss Saigon“ und Jesus in „Jesus Christ Superstar“) zu sehen. Soophia Foroughi (Lady of the Lake) stand schon auf der halben Welt auf einer Musicalbühne und hat dort mit Stars wie Michael Ball gearbeitet.

Keine leichte Aufgabe für Regisseurin Lisa Blair, den bunten Haufen auf Linie zu bringen, doch es gelingt ihr ganz vorzüglich. Was man deutlich spürt, ist Blairs Schauspiel-Schwerpunkt: Viele Musicals hat sie bisher nicht inszeniert, doch genau dies kommt den Charakteren sehr zu gute. Die Protagonisten spielen akzentuierter und authentischer (sofern bei einem Slapstick-Musical überhaupt möglich), die Dialoge sind sehr gut ausgearbeitet, und die Mimik der Darsteller ist perfekt auf die jeweilige Figur abgestimmt, wobei die meisten gleich mehrere Rollen übernehmen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Publikum beim Gesang Abstriche machen muss. Weit gefehlt! Ausnahmslos alle Songs werden sauber intoniert, lediglich in den chorischen Nummern der Ritter hört man zweimal eine leichte Disharmonie.

Augenscheinlich hat Blair mit ihren Darstellern sehr gut gearbeitet, denn jeder gibt seiner Rolle etwas Besonderes. Nic Kyle wirkt zwar sehr jung und sanft für King Arthur, kann aber mit seinem klaren Tenor und seiner Fokussierung überzeugen (insbesondere bei „I’m so alone“). Soophia Foroughi weiß ihr „Handwerkszeug“ Stimme sehr gut zu nutzen. Sie wechselt Stimmlagen genauso problemlos wie Stile. Die beleidigte Diva („Whatever happened to my part?“) steht ihr besonders gut. Da vergisst man schnell, dass ihr die Jazz-/Swing-Nummer in Camelot (die zweite Version vom „Song that goes like this“) nicht ganz gelingt.

George Rae interpretiert mit „Always look on the bright side of life“ den einzigen bekannten Song. Er gibt einen sehr zurückhaltenden, aber nicht duckmäuserischen Patsy. Folglich kommt auch dieser Showstopper eher schüchtern als kraftvoll über die Rampe. Doch das passt wiederum sehr gut zum Gesamtbild der Figur, die man einfach mögen muss. Vielseitigkeit – und diese durchaus glaubwürdig – beweist John McManus. Als „Not dead Fred“ bringt er das Publikum mit seiner lustigen Tanzeinlage zum Lachen und als Prince Herbert erweichen seine großen Kulleraugen und seine unerwartet klare, trotz der Höhen volle Stimme, jedes Herz.

Als der schöne Galahad, der es King Arthur als bockiger Dennis (inklusive Querverweis auf den Brexit als Folge vom Volk nicht erwünschter Entscheidungen regierender Persönlichkeiten) wirklich nicht leicht macht, ist Jo Parsons zu erleben. Gesanglich gefällt er genauso wie in seinen Rollen, wobei er als grantelnder Vater von Herbert fast noch überzeugender ist als als Galahad. Auch sein mit einem deutlichen Essex-Akzent ausgestatteter Dennis ist großartig.

Matthew Gent überzeugt als ängstlicher Sir Robin von der ersten Sekunde an. Er ist auf der Bühne jederzeit präsent und sein Spiel zieht immer wieder die Blicke auf sich, selbst wenn er gar nicht im Mittelpunkt steht (bspw. als die Ritter den Anweisungen Gottes zu ihrer Gralssuche lauschen und sich jeder deutlich sichtbar seine Gedanken dazu macht, was für ihn der Gral bedeutet). „Brave Sir Robin“ und „You Won’t Succeed on Broadway“ zeigen die beiden Seiten des Ritters (ängstlich und mit einem großen Musicalwissen ausgestattet). Beide Szenen folgen direkt aufeinander und wo man sich eben noch über den Angsthasen ausgeschüttet hat, klatscht man bei seinem Lehrstück zu einem erfolgreichen Broadway-Musical begeistert mit.

Den zunächst etwas widerborstigen Lancelot, der scheinbar nur auf Kampf aus ist, gibt Scott Armstrong. Der gebürtige Schotte weiß seine Herkunft in den meisten Dialogen zu kaschieren, doch als er den Rittern eröffnet, dass sie das Monster-Kaninchen besiegen müssen, belehrt sie in knallhartem Schottisch. Auffällig ist seine ausdrucksstarke Mimik, mit der er das Geschehen um ihn herum – gleich in welcher seiner vier Rollen – nonverbal kommentiert. Auch damit setzt er sich von seinen Kollegen ab. Herausragend ist seine Performance als Anführer der „Knights who say Ni“: Der souveräne Stelzengang in einem unhandlichen Kostüm, seine intensive Mimik und die unmissverständliche Ausdrucksweise und ehrfurchtgebietende Haltung zeigen eine große Bandbreite seines Könnens. Dass er zudem auch noch gesanglich gefällt, macht ihn zum besten Darsteller dieser Produktion.

Herausforderungen ganz anderer Art hatte Rebecca Howell (Choreographie) zu meistern. Die Tanznummern sind allesamt sehr schwungvoll und ausladend. Das geht in den meisten Szenen gut, doch bei „Always look on the bright side of life“ wird es für die sieben tanzenden Ritter plus Patsy – allesamt mit Regenschirmen ausgestattet – doch etwas eng. Dafür wird „His name is Lancelot“ mit der lässig wirkenden Choreographie nicht nur wegen der ausgefallenen Kostüme der Tänzer zum Hingucker.

„Spamalot“ im English Theatre in Frankfurt ist aber nicht nur wegen der gelungenen Kulissen und Kostüme sowie der exzellenten Künstler auf der Bühne sehenswert. Auch Sonya Kraus als Stimme Gottes ist hörenswert. Insbesondere die englischen Originaltexte machen diese Inszenierung zu einem Must-See. Die Witze sind mal versteckt, mal sehr plakativ, und der Humor ist schwarz und britisch-böse, was in der Muttersprache der Schöpfer dieses Stücks einfach nochmal um ein vielfaches authentischer ist als in einer (durchaus gelungenen) deutschen Übersetzung.

Michaela Flint
gekürzt erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: English Theatre, Frankfurt
Premiere: 16. November 2016
Darsteller: Scott Armstrong, Nicole Carlisle, Anthony Cragg, Joe Etherington, Soophia Foroughi, Jemma Geanaus, Matthew Gent, Keith Henderson, Nic Kyle, John McManus, Jo Parsons, George Rae, Katy Stredder
Musik / Regie:  Eric Idle, John Du Prez, Neil Innes / Lisa Blair
Fotos:  Martin Kaufhold