Im Dezember 2018 schickte BB Promotion die UK Tour von Chris D’Arienzos Rockmusical auf Stippvisite nach Berlin. Nur sechs Tage hatten die Zuschauer Zeit, sich die hierzulande insbesondere durch den namhaft besetzten Hollywood-Film (2012) bekannte Geschichte von Drew und Sherrie, Lonny und Dennis und natürlich Stacee Jaxx als Bühnenspektakel anzusehen.
Entsprechend hoch waren die Erwartungen des Publikums – wenn auch nicht an die Story, so doch zumindest an die Musik –, aber schon die ersten Töne der Ouvertüre sorgten für begeistertes Mitklatschen und Mitjohlen. Natürlich sind Hits von Quiet Riot, David Lee Roth, Poison, Starship, Whitesnake oder Foreigner schon fast Selbstläufer, doch auch die muss man erstmal sauber über die Rampe bringen.
Ethan Popp hat die bekannten Songs sehr geschmeidig für die kleine Tourband arrangiert und bereitet damit den perfekten Boden. Das Ensemble (mehrheitlich die Erstbesetzung der 10th Anniversary UK Tour), allen voran Lucas Rush als „Erzähler“ Lonny, sprüht vor Energie und holt das Publikum punktgenau ab.
Rush ist frech, spart nicht an schlüpfrig-süffisanten Kommentaren und interagiert ganz lässig mit dem gemeinhin eher als träge geltenden deutschen Publikum. Die englischen Dialoge stören den Genuss nicht, im Gegenteil – die Zuschauer honorieren seine Moderation mit viel Applaus. Diese Authentizität ist einfach ansteckend!
Im Laufe des Abends entdeckt man viele Unterschiede zum Film von 2012, der von den Darstellern scherzhaft auch als „crap“ bezeichnet wird. Die Charaktere haben zumindest teilweise mehr Tiefgang, einige sind einfach nur schräger. Dem abgehalfterten Stacee Jaxx kommt in der Bühnenversion fast nur eine Nebenrolle zu. Sam Ferriday spielt Jaxx gut und rollenkonform eher abstoßend als anziehend. Gesanglich kommt er mit den Rocksongs jedoch nicht so richtig zu recht, dafür ist er stimmlich zu sehr im Musicalfach verhaftet.
Da sind Cameron Blakely als Clubbesitzer Dennis und Rush als Lonny schon ganz andere Kaliber. Die beiden geben nicht nur ein süßes Paar ab und werfen sich die Bälle nur so zu. Ihr gemeinsamer Tanz („Can’t fight this feeling“) ist auch gefühlvoll und komisch zugleich.
Regie mit Augenzwinkern – das ist es, was Nick Winston mit seiner Inszenierung exzellent gelungen ist. Die Darsteller übernehmen ihre Rollen glaubhaft, aber sie brechen immer wieder durch Interaktion mit dem Publikum oder entsprechende Kommentare aus ihrem Korsett aus. Das ist abwechslungsreich und durchaus unterhaltsam.
Sehr stimmig sind ebenfalls Bühnenbild und Kostüme (beides Morgan Large), die in ihrer effizienten Ausarbeitung genau ins Schwarze treffen. Die meisten Kostümwechsel haben naturgemäß die Damen. Da bildet auch Jodie Steele als Sherrie keine Ausnahme. Mal in extrem knappen Hotpants, mal in sexy Lingerie an einer Stange tanzend, verdreht sie den Männern den Kopf. Auch Drew (gespielt von Luke Walsh) kann dem aufblühenden Landmädel nicht widerstehen. Die beiden sind ein hübsches Paar und harmonieren auch gesanglich, wobei man sagen muss, dass Walsh die eindeutig passendere Rockstimme hat und diese auch sehr treffsicher zu nutzen weiß („I wanna rock“).
Lustige Sidekicks sind die Demonstrantin Justice, die von der grauen Maus im Bürgermeister-Büro zur extrovertierten, in einem Regenbogen-Onesie für den Mann ihres Herzens einstehende Siegerin wird. Besagter Angebeteter von Justice ist Franz, der Sohn des skrupellosen Immobilienhais Hertz. Man fragt sich die ganze Show, ob er nun schwul ist oder nicht. Gestik und Kleidungsstil entsprechen jedem gängigen Klischee und als er am Ende zu seiner Justice findet, ist man sich nicht ganz so sicher, ob das wirklich passt. Als er jedoch sagt, dass er nicht schwul sei, sondern deutsch, johlt das Publikum vor Lachen. Tori Allen-Martin und Andrew Carthy haben sichtlich Spaß an ihren leicht exzentrischen Charakteren. Schade, dass beide kaum Gelegenheit haben, auch zu zeigen, was stimmlich in ihnen steckt.
Die Choreographien sind schwungvoll, rockig und durchaus passend, wenn auch nicht außergewöhnlich. Nick Winston verantwortet auch diese. Leider schleichen sich aber viele Unsauberkeiten ein, über die auch die knappen Kostüme und die druckvolle Musik nicht hinwegtäuschen.
Dass diese Show schon 13 Jahre auf dem Buckel hat, merkt man kaum. Sie wirkt immer noch frisch und jung, was aber auch an den zeitlosen Rock-Hits liegt. Spätestens beim Finale („Don’t stop believin‘“) hält es niemanden mehr auf den Sitzen. Das Publikum feiert ein Ensemble, das sehr gut abgeliefert hat und eine Show, die ohne komplizierte Handlung auskommt. Das nennt man dann wohl eine erfolgreiche Compilation-Show!
Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin
Besuchte Vorstellung: 8. Dezember 2018
Fotos: Richard Davenport