home 2019 Kurzweilige Unterhaltung im beschaulichen Eutin

Kurzweilige Unterhaltung im beschaulichen Eutin

Cole Porters (Musik, Texte) und Samuel und Bella Spewaks (Buch) Shakespeare-Musical ist tendenziell eher sperrig, da der Zuschauer hier ein Stück im Stück verfolgt. In beiden Handlungssträngen passiert viel, es wird mit zahlreichen Namen und Städten hantiert. So ist es nur allzu verständlich, wenn man ab und an den Überblick verliert.

Doch Hardy Rudolz‘ flotte und abwechslungsreiche Inszenierung begeistert die Zuschauer bei den Eutiner Festpielen vollends. Das schöne Wetter und die angenehme Atmosphäre rund um die Bühne am Eutiner See steuern ihren Teil dazu bei, dass der Premierenabend gelingt.

Man steigt direkt in die Handlung ein: Regisseur Fred Graham leitet die Proben zu seiner Musicalfassung von William Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“. Dabei wird schnell klar, dass ihn mit der Hauptdarstellerin Lilli Vanessi eine gemeinsame Vergangenheit verbindet (die beiden waren verheiratet und sind durch eine Hassliebe verbunden) und er mit der jungen Nachwuchsdarstellerin Lois Lane eine Affäre hat. Dieses Gefühlschaos gepaart mit einem Schuldschein, der von dem spielsüchtigen Darsteller Bill Calhoun auf den Regisseur ausgestellt wurde, führt zu diversen Verwicklungen, die schlussendlich auch die Premiere des Musicals beeinträchtigen.

„Kiss Me, Kate“ lebt von Cole Porters klangvollen, zeitlosen Songs, die vom Orchester der Kammerphilharmonie Lübeck unter der Leitung von Romely Pfund mit Schwung und Stil umgesetzt werden. Das Publikum schunkelt zu Klassikern wie „Wunderbar“ oder „So verliebt“ selig mit und hat sichtlich Spaß an Gassenhauern wie „Schlag nach bei Shakespeare“.

Vanni Viscusi zeichnet für die Choreographien verantwortlich. Diese sind passend zu Porters Swing raumgreifend, schnell und mit vielen Hebefiguren gespickt. Leider werden diese jedoch oft unsauber und gehetzt getanzt.

Die beiden Hauptfiguren – Lilli und Fred – werden von Patricia Hodell und Peter Bording überaus sympathisch gespielt. Hodell ist als enttäuschte Exfrau herrlich zickig. Sie ist leidenschaftlich, divenhaft und weiß genau, wie sie die Männer um den Finger wickelt. Fred alias Bording ist der einzige, der hinter ihre Fassade blickt und genau weiß, wie er mit Lillis Allüren umzugehen hat. Beiden gelingt die Gratwanderung zwischen Operette und Musical, Trash und ernsthafter Handlung, Comedy und Shakespeare gut. Auch gesanglich überzeugen beide vollends. Auch die Tempiwechsel bei „Ich bin Dein“ hat Bording sehr gut im Griff.

Die deutschen Texte (Günther Neumann) funktionieren gut, auch wenn sie an einigen Stellen schlicht altmodisch sind. Aber so passen sie perfekt zum Stück. Während bei „Viel zu heiß“ von Lois und Bill (Lina Gerlitz und Daniel Johnson) das hohe Gesangstempo unter dem parallelen Tanz leidet, sind die Texte bei „Wo ist die liebestolle Zeit“ treffsicher. Spiel und Mimik der Darsteller und das fulminant aufspielende Orchester bilden eine perfekte Symbiose.

Das selbsternannte „Schlachtross“ auf der Bühne, die gute Seele und Ratgeberin für alle Lebenslagen – Hattie – wird von Gudrun Schade mit Inbrunst gespielt. Sie kann mehr und darf dies bei „Wenn man mich nur ließe“ auch zeigen. Dass sie die Bühne nicht mehr verlassen möchte und um mehr und mehr Applaus bittet, ist absolut glaubwürdig und sehr amüsant.

Die dankbarsten Rollen haben allerdings Andreas Zaron und Thomas Schirano, die als Ganoven und Geldeintreiber dem Regisseur und später auch dessen Hauptdarstellerin ganz schön zusetzen. Sie wirken – auch dank breitestem norddeutschen Akzent – tollpatschig und zugleich gefährlich, wenn sie mit ihren Waffen herumfuchteln. „Schlag nach bei Shakespeare“ erfreut sich auch bei der dritten Strophe größter Beliebtheit. Auch diese beiden Darsteller werden von den Zuschauern kaum von der Bühne gelassen.

„Kiss Me, Kate“ ist ein rundum gelungenes Sommermusical. Auch Bühne (Jörg Brombacher) und Kostüme (Martina Feldmann) fügen sich in dieses Gesamtbild ein. Hardy Rudolz hat eine wunderbare Umgebung geschaffen, in der seine Darsteller ausreichend Raum haben, sich zu entfalten und das Zusammenspiel aller Künstler auf, unter und hinter der Bühne wunderbar aufgeht.

Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: Seebühne, Eutin
Premiere: 28. Juni 2019
Darsteller: Patricia Hodell, Peter Brding, Lina Gerlitz, Daniel Johnson, Andreas Zorn, Thomas Schirano, Gudrun Schade
Regie / Musik: Hardy Rudolz / Cole Porter
Fotos: Eutiner Festspiele 2019
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