Nicht einmal 13 Monate wurde das Drama-Musical „Rebecca“ in Stuttgart gespielt. Auch Stars der Szene wie Thomas Borchert und Pia Douwes verhalfen dem Stück nicht zu einer längeren Spielzeit, die es inhaltlich und musikalisch durchaus verdient hätte.
Neben dem beherzt aufspielenden Orchester unter der Leitung von Boris Ritter und den für die Stuttgarter Inszenierung hinzugefügten Videoprojektionen bleibt vor allem Pia Douwes intensive Strahlkraft als Mrs. Danvers im Gedächtnis haften. Große Momente haben auch Kerstin Ibald als Maxims Schwester Beatrice und Oliver Heim als Ben.
Doch der Reihe nach… Die Geschichte der verstorbenen Rebecca alias Mrs. de Winter basiert auf Gerüchten der englischen High Society und ihrer Fähigkeit, die Menschen um sie herum zu täuschen. Als sich ihr Witwer neu verliebt und seine junge, naive Frau mit auf seinen Landsitz Manderley im englischen Cornwall bringt, sorgt dies vor allem bei der langjährigen Haushälterin Mrs. Danvers für großen Unmut.
Mrs. Danvers versucht alles, um den vermeintlich guten Ruf ihrer verstorbenen Herrin zu erhalten und den jungen Störenfried aus dem Haus zu ekeln. Auch vor bösartigen Intrigen schreckt sie nicht zurück. Unterstützung erfährt sie von Rebeccas Cousin Jack Favell, der versucht, seinen Vorteil aus der neuen Situation zu ziehen.
Die junge Mrs. de Winter versucht, es allen Recht zu machen und verliert hierüber das Vertrauen ihres sehr introvertierten Gatten Maxim. Doch ihre Liebe ist stark. Sie übersteht das Gerichtsverfahren, in dem sich Maxim plötzlich mit Mordanschuldigungen auseinandersetzen muss. Und Mrs. Danvers findet ihren eigenen endgültigen Ausweg aus der für sie unerträglichen Wahrheit, die ihre Rebecca als Lügnerin entlarvt.
Sylvester Levays raumfüllende Kompositionen kommen bei diesem Musical besonders gut zur Geltung und das für heutige Verhältnisse immer noch sehr große Orchester macht dem Erfolgskomponisten von „Elisabeth“, alle Ehre. Schade, dass die „Rebecca“ flüsternden Chöre aus dem Off in Stuttgart zusammengestrichen wurden. Damit geht ein wichtiges Gänsehautelement verloren.
Die Sängerinnen und Sängern meistern die stimmlichen Herausforderungen, einzig Pia Douwes fällt durch eigene Interpretationsansätze auf. Arvid Larsen (Maxim de Winter) und auch Christina Patten (Ich) verschwinden jedoch in Douwes (Mrs. Danvers) scheinbar übermächtigem Schatten fast gänzlich, obwohl beide gut spielen und singen.
Neu in Stuttgart sind bühnenfüllende Videoprojektionen, die dem Zuschauer einerseits die Phantasie abnehmen und andererseits die Szenerie noch klarer machen. Spinnt man diese Idee weiter, erleben wir in naher Zukunft Musicals vor kompletter Videoprojektion und man wird auf die Kunst der Bühnenbildner und Kulissenbauer fast gänzlich verzichten. So amüsant es ist, einen Arvid Larsen als Maxim direkt am Bahnsteig neben einem einfahrenden Zug stehen zu sehen, so bedauerlich ist es, dass hierdurch der Fokus weg vom Theater hin zum Kino gelegt wird.
Dass Pia Douwes ein komplettes Musical allein tragen kann, weiß seit „Elisabeth“ jeder in der europäischen Musicalszene. Dass sie diesen Part auch in „Rebecca“ übernimmt, ist nicht unbedingt zu erwarten, da es ja mit Maxim und Ich zwei weitere starke Charaktere in dem Stück gibt. Doch ist es einzig Pia Douwes, die dieses Musical an diesem Abend sehenswert macht. Keiner ihrer Kollegen vermag ihr als starke, gnadenlose und tief im Innern enttäuschte Mrs. Danvers das Wasser zu reichen. Für Arvid Larsen ist die Rolle von Maxim de Winter vor allem stimmlich eine Nummer zu groß. Er erinnert phasenweise an ein theatralisch leidendes Phantom der Oper und nicht an einen gehörnten Ehemann. Christina Patten ist eine süße Ich, vermag es aber nicht die Wandlung zur selbstbewussten Frau an Maxims Seite über die Rampe zu bringen.
Sicherlich mag dieser Eindruck ein anderer sein, wenn man Jan Ammann und Valerie Link als Bühnengegner von Pia Douwes erlebt.
Kerstin Ibald brennt sich mit ihrem starken Auftritt als mitfühlende, energische „B“ in Gedächtnis. Von ihr möchte man gern mehr sehen und hören. Oliver Heim legt viel Gefühl in den beschützenswerten Ben und spielt sich damit direkt in die Herzen der Zuschauer. Isabel Dörfler gibt die laute, aufdringliche Mrs. van Hopper ideal und sorgt so für einige heitere Momente. Hannes Stafflers Jack Favell hingegen gerät etwas zu glatt. Man vermisst das Hinterlistige in seinem „Eine Hand wäscht die andere Hand“, was sehr schade ist, denn auch mit dieser vermeintlich kleinen Figur kann man sich gut nach vorn spielen.
„Rebecca“ hat seinen Platz in der Musicalwelt mehr als verdient. Dass der schwere düstere Stoff kein Massenpublikum anzieht, ist nur allzu verständlich, da hier weder mit technischen Raffinessen oder Songs mit Hitpotential aufgewartet werden kann. Es bleibt abzuwarten, ob, wann und wo die Stage Entertainment das Stück in Deutschland noch einmal auf die Bühne bringt.
Michaela Flint
Besuchte Vorstellung: 21. Dezember 2012
Darsteller: Pia Douwes, Isabel Dörfler, Oliver Heim, Kerstin Ibald, Arvid Larsen, Christina Patten
Musik / Texte: Sylvester Levay / Michael Kunze
Fotos: Stage Entertainment