home 2005 König Arthur regiert in Bad Hersfeld

König Arthur regiert in Bad Hersfeld

Camelot, der sagenumwobene Ort, an dem König Arthur seine Tafelrunde aus der Wiege hob. Der Ort, an dem er zuvor das magische Schwert Excalibur aus dem Stein zog. Der Ort, an dem ein Junge namens Arthur viel von seinem Lehrmeister, dem Zauberer Merlin lernte. Der Ort, an dem sich der englische König Arthur in die wunderschöne und nicht minder gescheite Lady Guenevere verliebte.

Camelot ist aber auch der Ort, an dem sich Lancelot und Guenevere ihre unmögliche Liebe gestehen. Der Ort, an dem Arthurs unehelicher Sohn Mordred mit Hilfe von der mystischen Morgan le Fey die Ritter zur Meuterei anstachelt.

Camelot ist vieles, aber der kleine Ort wird immer unwiderruflich mit König Arthur verbunden sein.

Jeder kennt die Geschichte, wurde sie doch in unzähligen Filmen und Theaterstücken aus immer unterschiedlichen Blickwinkeln und mit verschiedenen Schwerpunkten verarbeitet.

Bei Alan Jay Lerners und Frederick Loewes Musicalfassung, die 1960 nach einem mehrjährigen Entstehungsprozess zunächst als fünfstündiges Musicalepos an den Broadway kam, steht ganz klassisch die Lebens- und Leidensgeschichte von König Arthur im Mittelpunkt. Arthur wird von Merlin aufgezogen, verliebt sich in Guenevere, erlebt mit, wie Merlin plötzlich verschwindet, findet einen Verbündeten in Pellinore und trifft Lancelot, den er wie einen Sohn liebt und der doch sein ganzes Leben verändern soll.

Arthur wird innerlich von seinen Gefühlen zerrissen; er zweifelt an sich selbst, seinen Fähigkeiten, der Richtigkeit seines Weges, misstraut den Menschen um sich herum zusehends un wendet sich immer wieder Hilfe suchend an den verschwundenen Ziehvater Merlin.  Schlussendlich fällt Arthur eine wahrlich tugendhafte, eines Königs würdige Entscheidung und sorgt dafür, dass seine Werte und Ansichten in die Welt hinausgetragen werden.

Für die Rolle dieses großen und mächtigen, aber gleichzeitig unsicheren und verzweifelten Mannes wurde in Bad Hersfeld erneut Yngve Gasoy-Romdal verpflichtet, der das Publikum in der Stiftsruine in den vergangenen beiden Jahren als Jesus in „Jesus Christ Superstar“ begeisterte. Als Guenevere steht ihm die in Deutschland bis dato eher unbekannte Andrea Malek zur Seite. Sein geliebter Nebenbuhler Lancelot wird von Aris Sas („Pinkelstadt“, „Tanz der Vampire“ gegeben.

Die Kulisse der Stiftsruine ist zweifellos eine perfekte Spielstätte für ein Ritter-Musical. Das Licht und die Akustik sind – gemessen an der Tatsache, dass es sich um eine Open Air Veranstaltung handelt und man nur fünf Wochen unter zum Teil widrigsten Bedingungen proben konnte (s. Interview mit Reinfried Schießler) – sehr gut. Sabine Wiesenbauer (Lichtdesign) versteht es, die Ruine in die passende Atmosphäre zu setzen.

Der musikalische Leiter Walter Lochmann (Vereinigte Bühnen Wien) hat zusammen mit Regisseur Reinfried Schießler und der Tontechnik vor Ort, Arrangements erarbeit, die nicht im Raum verpuffen, sondern beim Zuschauer direkt ankommen.

Die Voraussetzungen für die Musicalversion von König Arthurs, Camelot und Excalibur waren also mehr als gut. Die Bad Hersfelder freuten sich auf eine gelungene Produktion im Stil von „Jesus Christ Superstar“. Wäre da nicht das staubtrockene und komplett undramatische Buch von Alan Jay Lerner. Gut zweieinhalb Stunden, in Bad Hersfeld traditionell ohne Pause, dauert das Spektakel und der Spannungsbogen bleibt durchgehend auf Minimalniveau.

Im Gegensatz zu „My Fair Lady“, wo es durchaus das ein oder andere musikalische Highlight gibt, tut man sich bei „Camelot“ schwer, eine der klassischen Melodien im Kopf zu behalten. Nicht einmal der Titelsong „Camelot“ in der Interpretation von Yngve Gasoy-Romdal bleibt haften. Hinzu kommt, dass „Camelot“ sehr Dialog-lastig ist und die Musik bei diesem Musical zumindest scheinbar im Hintergrund steht.

Wenn also weder Buch noch Musik den Stoff hergeben, aus dem unterhaltsame Musicals gemacht werden, was bleibt dann noch? Ganz klar: die Darsteller. Aufhorchen lässt in dieser Inszenierung vor allem Andrea Malek, die mit ihrer glasklaren klassischen Stimme den wenigen Songs einen wundervollen Ausdruck verleiht. Ihre Grazie und ihr Auftreten ist absolut königlich und passt sehr gut zur Vorstellung einer eleganten Lady, die auf der einen Seite ihren König und Ehemann unterstützt, auf der anderen Seite aber ihrem Herzen und damit Lancelot folgen möchte. Aris Sas als Lancelot hat vor allem die Lacher auf seiner Seite, wenn er hoch zu Ross, auf seinem Pferd Maurice, die Bühne der Stiftsruine erobert und sein gesanglich einwandfreies „C’est moi“ in dieser Komik untergeht. Arias Sas gibt einen sehr nachdenklichen und unauffälligen Lancelot, bei dem man sich zu Recht fragen darf, was genau ihn für Guenevere anziehend macht. Dass die beiden plötzlich in großer Liebe zueinander entbrennen, kommt mehr als überraschend, da in den vorangehenden Szenen diese Zuneigung nicht transportiert wird. Es ist schade, dass die Figur nicht etwas enthusiastischer angelegt wurde, da Aris Sas, wie in „Pinkelstadt“ bewiesen, durchaus in der Lage ist, ein Ensemble und das Publikum für sich zu gewinnen und mitzureißen.

König Arthur muss dieses Geschehen mit ansehen. Yngve Gasoy-Romdal, versucht sichtbar die Zerrissenheit des Königs darzustellen. Am überzeugendsten wirkt er zu Beginn des Stücks, als junger König, der sich seiner Verantwortung nicht bewusst ist, sowie zum Ende des Stücks, wo er sich den Gefühlen von Guenevere und Lancelot unterordnet und einen kleinen Funken Hoffnung in Tom of Warwick sieht. Die vielen Dialoge kommen dem smarten Norweger nicht unbedingt entgegen. Man wird das Gefühl nicht los, dass er sich in seiner Traumrolle (siehe Interview) nicht richtig wohl fühlt. Die wenigen Szenen, in denen er singen und tanzen(!) kann, nutzt er aus und zeigt, dass seine Stärken ganz eindeutig im Gesang liegen.

Als Arthurs Vertrauter König Pellinore überzeugt Michael Stobbe durch amüsantes Schauspiel und konsequent durchgezogene Verrücktheit. Arthurs illegitimer Sohn Mordred wird von Mario Ramos gespielt, der mit die stärksten Szenen auf sich vereint, wenn er die Ritter von Arthurs Tafelrunde anstachelt, sich gegen ihren König aufzulehnen. Alle weiteren Charaktere sind so schwach ausgeprägt, dass sie als Namen im Programmheft auftauchen, man sich aber spontan nicht an die Figur auf der Bühne erinnern kann. Szenen wie das Verschwinden von Merlin (Erich Schleyer) oder das Auftauchen der optisch einschüchternden Morgan Le Fey (Miriam Japp) verpuffen wirkungslos auf der Bühne.

Dafür rufen Szenen wie beispielsweise das knallbunt inszenierte Ritterturnier, bei dem Lancelot nacheinander Sir Dinadan (André Bauer), Sir Sagramore (Dietmar Seidner) und Sir Lionel (Hans Steuzner) besiegt, letzteren wiederauferstehen lässt und damit endgültig Gueneveres Gunst für sich gewinnt, Erinnerungen an die Turnierszene in Ascot aus „My Fair Lady“ wach.

Sicherlich ist es nicht einfach einen mittelalterlichen „Historienschinken“ auf eine akzeptable Länge und einen unterhaltsamen Spannungsbogen einzudampfen. Hier in Bad Hersfeld ist das Experiment mit „Camelot“ nicht geglückt. Es sei hier aber noch einmal betont, dass dies auf das schwache Buch und die wenig mitreißenden Kompositionen zurückzuführen ist und nicht auf mangelnde Leistungen der Künstler auf der Bühne. Gegen langatmige Dialoge und einfallslose Songs können auch die besten Darsteller nicht erfolgreich ankämpfen.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Stiftsruine, Bad Hersfeld
Besuchte Vorstellung: Juli 2005
Darsteller: Yngve Gasoy-Romdal
Musik / Regie: Alan Jay Lerner / Reinfried Schießler
Fotos: Festspiele Bad Hersfeld