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Just Another Manic Monday

Die Musical Arts Academy of the Performing Arts in Mainz hat auch im November 2016 eine musikalische Collage zusammengestellt, mit der sich die Schüler der verschiedenen Semester präsentieren konnten. Inhaltlich ging es um Ängste, Konflikte und Selbstzweifel auf der einen sowie Wünsche, Sehnsüchte und Träume auf der anderen Seite. Die Charaktere waren vielfältig und boten musikalisch wie schauspielerisch viel Raum zur Interpretation. Iris Atzwanger hat gemeinsam mit Christina Kühnreich und Chris Ertelt ein kurzweiliges Programm zusammengestellt, das aus beachtlichen 43 Einzelszenen bestand.

Mit dem munteren Wechsel von teilweise schon fast zu kurzen Songabschnitten und zeitlich gut abgestimmten Dialogen und Monologen wird das Publikum in der alten Mainzer Waggonfabrik sehr gut unterhalten. Die zehn Studenten des 5. Semesters, die im Sommer 2017 ihren Abschluss machen werden, werden von sechs Drittsemestern und 12 noch ganz frischen Erstsemestern unterstützt. Diese große Darstellerzahl hat insbesondere Chris Ertelt bei den Choreographien vor besondere Herausforderungen gestellt. Denn auch wenn die Bühne im Vergleich zum Vorjahr um 20 m2 vergrößert wurde, bietet sie den 28 Nachwuchskünstlern nur einen sehr begrenzten Raum, wenn alle gemeinsam auf der Bühne stehen.

Schon bei der Auftaktnummer („9 to 5“) spürt man die Energie des Ensembles. Das Lächeln wirkt genauso echt wie der Enthusiasmus, mit dem die Schüler über die Bühne wirbeln. Dass es unter ihnen herausragende Tänzerinnen gibt, beweist Nathalie Hack bei „Love me still“ von Chaka Khan: Sie ist immer auf den Punkt, tanzt jede Bewegung akzentuiert und mit einer Geschmeidigkeit, die ihresgleichen sucht. Auch schauspielerisch fesselt Hack durch ihre raumgreifende Intensität und ihre ausdrucksstarke Mimik („Liebe im Büro“ von Loriot / „Wie lange noch“ von Kurt Weill).

Lea Hieronymus darf ihr komödiantisches Talent ausspielen, wenn sie im Laufe des Abends immer wieder aberwitzige Telefonate führt, um zu klären, wer sich denn nun um die Versorgung von „Knolls Katzen“ (Jan Neumann) während deren Urlaubs gekümmert hat. Auch ihre Interpretation von „Ich hab heut Nacht sehr schlecht geschlafen“ aus „Baby Talk“ ist sehr gelungen.

David Lee Krohn schlurft die meiste Zeit als übellauniger Hausmeister über die Bühne, doch schon bei „Extraodinary“ aus „Pippin“ zeigt sich der Sänger in ihm. Mit der sehr ungewöhnlichen Fassung von „Der Zauberer und ich“ („Wicked“) empfiehlt er sich für die großen Musicalbühnen dieses Landes. Krohn ist genau das Komplettpaket, das für moderne Musicalproduktionen benötigt wird.

Der „Wicked“-Part wird in einem herausragenden Duett mit „Easy to be hard“ aus „Hair“ kombiniert. Diese Szene ist nicht nur inszenatorisch ganz großes Kino! Nadine Lauterbach gibt den stimmgewaltigen Gegenpart zu David Lee Krohn. Die Energie zwischen den beiden stimmt und so unterschiedlich die Hintergründe ihrer Songs sind, so harmonisch ist ihr Gesamtauftritt. Lauterbach hatte schon im ersten Akt ein akustisches Highlight: Ihr „I’ll take it all“ (Island Song) lässt die ein oder andere Killer Queen aus „We will rock you“ erblassen.

In der Riege der herausragenden Leistungen dieser Collage darf man Amina Liedtke nicht vergessen. „Miss Cellies Blues“ („The Colour Purple“) erfordert von der Sängerin viel Soul, welchen Liedtke ohne Probleme liefert. Und wie! Sie ist sich ihrer Wirkung vollends bewusst und zeigt dies bei „Take me or leave me“ („Rent“) im Zusammenspiel mit Sol Spies nachdrücklich. Ein solch überbordendes Selbstbewusstsein kann auch einschüchternd wirken – sowohl auf die Kollegen auf der Bühne als auch die Zuschauer –, doch zu diesen beiden Gesangsnummern passt es gut.

Bei einigen Szenen fragt man sich, wieso diese überhaupt mit aufgenommen wurden. „Don’t tell Mama“ aus „Cabaret“ ist eine davon: Dorothee Weingarten bleibt in jeglicher Hinsicht blass und Sexappeal sucht man bei ihr – trotz eines sehr passenden Kostüms – vergebens. Auch Valerie Wilhelm hat zu der Irrenhausballade aus „Elisabeth“ offenbar keinen Zugang gefunden. Von der Verzweiflung, die Elisabeth bei „Gar nichts“ ausdrücken soll, ist nichts zu spüren. Julian Schlier muss an dieser Stelle ebenfalls mit erwähnt werden. Er baut keine Beziehung zum Publikum auf und sein „Alles was gut tut“ („Ich war noch niemals in New York“) fehlt es dadurch gänzlich an Schwung.

Auch wenn einige Performances an diesem „Manic Monday“ Weltklasse sind, darf man nicht vergessen, dass man hier Schüler in der Ausbildung vor sich hat. Stärken und Schwächen sind klar zu erkennen und ja, bei einigen gibt es noch Luft nach oben. Auch gestandene Darsteller wie Sabrina Weckerlin oder Carsten Lepper haben eine jahrelange fundierte Ausbildung hinter sich und sind nicht mit den Stimmen, dem Ausdruck und der schauspielerischen Qualität vom Himmel gefallen, mit denen sie jetzt Abend für Abend das Musicalpublikum begeistern.

Michaela Flint
gekürzt erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: Musical Arts Academy of the performing Arts, Mainz
Besuchte Vorstellung: 10. Dezember 2016
Darsteller: Nathalie Hack, David Lee Krohn, Lea Hieronymus, Nadine Lauterbach, Amina Liedtke, Sol Spies, Dorothee Weingarten, Valerie Wilhelm, Julian Schlier
Fotos: Andreas Liebisch