Teenager sollten ihre Jugend genießen. Das ist aber leichter gesagt als getan, vor allem, wenn sich die Eltern scheiden lassen und man von New York ins beschauliche Appleton (Indiana) umziehen muss. Genau das passiert der 12-jährigen Erin. Mitten in ihre Geburtstagspläne platzt die Neuigkeit der Eltern und der Umzug. Eine neue Stadt, eine Mutter, die ihre Trauer über die gescheiterte Ehe in Pillen und Alkohol ertränkt und vor allem keine Freunde, mit denen Erin den so wichtigen 13. Geburtstag feiern kann.
Das ist die Grundhandlung von Jason Robert Browns Kammermusical „13“. Er hat dieses Stück eigens für Nachwuchsdarsteller geschrieben und so erzählen 14 Schüler der Musikschule Lüneburg die schwungvolle Geschichte über Freundschaft, Gefühle und Selbstbewusstsein.
Erin legt alles daran, von ihren neuen Klassenkameraden anerkannt zu werden. Dabei stößt sie Patrice und Archie, zwei schulbekannte Außenseiter vor den Kopf. Es dauert einige Zeit bis Erin erkennt, dass der Weg zur Beliebtheit nicht über den Footballstar Brett führt, der sie nur für seinen eigenen Vorteil ausnutzen will.
Sie richtet einiges Chaos an, wird Ziel einer Intrige der Schulzicke Lucy und erkennt am Schluss, dass es total egal ist, was die Mehrheit von ihr denkt, sondern dass Freundschaft in erster Linie etwas mit Loyalität und Ehrlichkeit zu tun hat.
Die Nachwuchsdarsteller übernehmen ihre Rollen mit viel Einsatz. Die Choreographien von Heidrun Kogel sind abwechslungsreich, aber es mangelt doch einige Male an Genauigkeit in der Ausführung.
Barbara Bloch hat mit der Brückenkonstruktion eine gute Kulisse geschaffen, in der Schulhof, die Zimmer von Erin und Patrice und sogar ein Kino Platz haben.
Friedrich von Mansberg hat „13“ übersichtlich inszeniert. Die Jugendlichen bekommen genug Raum, sich auszudrücken. Einige nehmen diese Chance eindrucksvoll wahr. Da ist beispielsweise Felix Barthelmes, der als Archie auf Rollstuhl und Krücken angewiesen ist. Er spielt sehr überzeugend und deutlich auch gesanglich an, dass seine berufliche Zukunft durchaus auf einer Musicalbühne stattfinden könnte. Mithalten kann hier allenfalls noch Terrenia Brunetto, die als Oberzicke Lucy keine Intrige auslässt, um Anerkennung zu erlangen. Sie singt sauber und spielt herrlich affektiert. Man fühlt sich unweigerlich an einige Figuren aus „Glee“ erinnert.
Pia Jauernig und Anna Sophie von Mansberg spielen ihre Parts als Erin und Patrice mit viel Energie und scheuen auch die vielen Gesangsnummern nicht. Schade ist jedoch, dass sie stimmlich ihren Weg noch nicht gefunden haben. Wann immer sie in die Kopfstimme wechseln, klingen sie unsicher. Hier gibt es sicherlich noch Optimierungspotential, denn die Passagen, die von den beiden jungen Damen in den Bruststimme gesungen werden, überzeugen souverän.
Der Ton in Lüneburg ist immer mal wieder ein Kritikpunkt. Das kleine T.3 Theater bildet hier keine Ausnahme. Man kann es nur als Fehlentscheidung bewerten, dass nicht das komplette Ensemble mit Mikrophonen ausgestattet wurde. Auch die im Verlauf des Stücks nachgereichten Handmikros lösen das Problem nicht. Gegen die rockigen Sounds der sechsköpfigen Band, insbesondere gegen die prägnant eingesetzte E-Gitarre haben die Nachwuchsdarsteller keine Chance, wenn sie unverstärkt singen. So verlieren einige große Songs an Wirkung.
Die Band selbst hingegen spielt mitreißend. Jason Robert Browns Kompositionen sind nicht die einfachsten, doch unter der musikalischen Leitung von Hye-Yeon Kim und Alexander Eissele überzeugen die sechs Musiker vollends.
„13“ in Lüneburg ist ein erneuter Beweis dafür, dass Stadttheater für die Musicalszene in Deutschland ungemein wichtig sind. Wo sonst bekommt man kleine, feine Musicals geboten, die nicht nur unterhalten, sondern eine echte Geschichte erzählen und den Boden bereiten für Nachwuchsdarsteller, von denen man in Zukunft mehr sehen möchte?
Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin
Besuchte Vorstellung: 4. Januar 2014
Darsteller: Felix Barthelmes, Terrenia Brunetto, Pia Jauernig, Anna Sophie von Mansberg
Musik / Regie: Jason Robert Brown / Friedrich von Mansberg
Fotos: Andreas Tamme