home 2014 Gut umgesetztes Kammermusical mit starken Charakteren auf der Bühne

Gut umgesetztes Kammermusical mit starken Charakteren auf der Bühne

Die eigentliche Handlung von Jason Robert Browns Kammermusical „Die letzten 5 Jahre“ ist so alltäglich, dass sicherlich jeder ein Paar kennt, dem es schon so ergangen ist wie Cathy und Jamie: Man trifft sich, verliebt sich, lernt sich besser kennen, heiratet, stellt fest, dass die Lebensmodelle nicht zusammenpassen, lebt sich auseinander und trennt sich wieder.

Das Besondere an Browns Stück ist jedoch die Erzählweise: Während Cathy vor den Scherben der Ehe steht und sich rückwärts gewandt an ihre Beziehung erinnert, startet Jamie mit dem vollen Enthusiasmus eines Frischverliebten und wir begleiten ihn chronologisch durch die 5-jährige Beziehung der beiden.

Im Hamburger Sprechwerk stehen Linda Stark und Sascha Kurth in den Hauptrollen auf der Bühne. In Eigenregie haben die beiden Musicaldarsteller Sponsoren gesucht, eine Bühne gefunden, die siebenköpfige Band engagiert und drei Aufführungen von Browns Musical auf die Beine gestellt. Das allein ist schon bemerkenswert.

Was als erstes ins Auge fällt, ist der weiße Klebestreifen, der die Bühne in zwei Spielbereiche trennt. Vor jeder Hälfte steht ein Zählwerk – bei Cathy beginnend mit 5, bei Jamie entsprechend mit einer 0. Damit wird dem Zuschauer, der dieses Stück nicht kennt, sehr viel Hilfestellung gegeben und er findet sich sehr einfach in der Handlung zurecht. Gleichzeitig geht dadurch aber der Charme des Stücks etwas verloren.

Von Beginn an spielen die beiden Darsteller, jeder in der eigenen Hälfte, mit einem imaginären Counterpart. Das führt mehrfach zu Irritationen und verschenkt einmal mehr das Potential des Stücks. Erinnert man sich an andere Inszenierungen war es gerade die Mischung aus gespielten Erinnerungen, ohne auf ein unsichtbares Gegenüber einzugehen, und starken Emotionen, die „Die letzten 5 Jahre“ so besonders gemacht haben. Warum Regisseur Sebastian Matberg sich hiervon abwendet, bleibt fraglich.

Dass sich das Paar in der Mitte der Handlung in einem Boot zur Hochzeit trifft – Jamie kommt allein, Cathy steigt dazu, nach dem Duett steigt Jamie aus und Cathy fährt allein weiter – ist hingegen szenisch sehr gelungen.

Sascha Kurth bringt von der ersten Sekunde an die volle Lebensenergie von Jamie über die Rampe. Man glaubt ihm, wie sehr er Cathy liebt, kauft im die Leidenschaft für seinen Traum, ein erfolgreicher Buchautor zu werden, ab und kann sogar verstehen, warum er sich sukzessive aus der Beziehung zurückzieht.

Stimmlich und auch in seinen Gestiken erinnert er anfänglich stark an Patrick Stanke, der dieselbe Rolle 2005 in Wuppertal gespielt hat. Im Laufe des Abends gelingt es ihm aber, der Figur seine eigene Facette zu geben.

Linda Stark hat eine wunderschöne, warme Stimmfarbe. Leider erreicht sie die hohen Partien der Rolle kaum und überspielt dieses Manko dies mit Lautstärke. Dadurch wirkt Cathy wesentlich weniger verletzlich. Ihre Lebensfreude zum Ende des Stücks wirkt etwas aufgesetzt. Durch die klare Abmischung von Starks Gesang wirkt Cathy um ein Vielfaches härter als notwendig. Bei Kurth hingegen hat die Tontechnik hervorragende Arbeit geleistet. Er muss nicht gegen die Band ansingen und überzeugt auch in den leisen, gefühlvollen Stücken.

Die Band spielt Jason Robert Browns schwungvolle Kompositionen sehr akkurat. Die Streicher erzeugen in den richtigen Momenten Gänsehaut, während Gitarre und Keyboard für Energie und Druck sorgen.

Immer wieder schmunzeln muss man über Wolfgang Adenbergs Texte. Allen voran natürlich bei der Geschichte von Schmuel. Aber auch „Alles geht ein wenig zu schnell“ oder Cathys Audition sorgen für Lacher. Linda Stark und Sascha Kurth verstehen es, die feinen Spitzen zu transportieren.

Insgesamt ist „Die letzten 5 Jahre“ im Sprechwerk eine gelungene Inszenierung, die es dem Publikum jedoch zu leicht macht. Dadurch verliert das Stück das gewisse Etwas, egal wie sehr die Protagonisten auch überzeugen mögen.

Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin

Theater: Sprechwerk, Hamburg
Premiere: 3. Februar 2014
Darsteller: Linda Stark, Sascha Kurth
Regie / Musik: Sebastian Matberg / Jason Robert Brown
Fotos: Dan Schneider