Steven Spielbergs biografische Gaunerkomödie „Catch me if you can“ mit Leonardo DiCaprio und Tom Hanks begeisterte im Jahr 2002 die Kinogänger. Inspiriert von diesem Erfolg und der abstrusen Lebensgeschichte von Frank Abagnale Jr. haben Marc Shaiman und Scott Wittman eine Musicalfassung geschrieben, zu der Terrence McNally das Libretto beisteuerte. Das Altonaer Theater in Hamburg zeigt die deutsche Fassung von Werner Sobotka in der Spielzeit 2018/2019.
Mit Ilja Richter als Agent Carl Hanratty und Walter Plathe als Frank Abagnale Sr. wurden zwei bekannte Schauspieler verpflichtet, die das Publikum seit Jahrzehnten von der Bühne und aus dem Fernsehen kennt. Allein diese Namen ziehen viele neugierige Zuschauer an. So ist das Theater „zwischen den Jahren“ gut gefüllt und das Publikum wird schon beim Betreten des Saals im Wartebereich des Flughafens in Miami von Fluggästen empfangen. Ausgehend von seiner Verhaftung am Flughafen entspinnt sich die Geschichte des Verwandlungskünstlers und Trickbetrügers Frank Abagnale Jr., gespielt von Philipp Moschitz.
Die Idee, die vielen Stationen von Frank Jr. als eine Art Show zu inszenieren, geht vollends auf. Moschitz integriert das Publikum auf eine sehr charmante, gewinnende Art. Er hat den Schalk im Nacken und bringt alles mit, was man von einem Entertainer erwartet, inklusive Tanz und Gesang!
Der Auftaktsong „Live und ganz in Farbe“ hat viel Schwung und sorgt für richtig gute Laune. Die Choreographien hat Sven Niemeyer ideal an die 1960er Jahre angepasst; sie sind schön anzusehen, aber nicht zu anspruchsvoll. Auch „Jet Set“, eine Szene rund um das Leben von Piloten und Flugbegleitern, ist rundum gelungen mit tollen Choreographien und einer tollen Dynamik.
Die Hatz zwischen Agent Hanratty und Frank Jr. gleicht der Geschichte von Hase und Igel. Über lange Strecken ist Frank Jr. dem FBI eine Nasenlänge voraus. Ilja Richter spielt den fast schon besessenen Agenten sehr unaufdringlich, aber mit viel Sarkasmus und Nachdruck, wo es erforderlich ist. Außerdem tanzt und singt er auch ganz passabel (u. a „Der Mann da drin im Müll“).
Mit seinem unterhaltsamen Sprechgesang und seinem intensiven, hoch emotionalen Spiel wird Walter Plathe allen Erwartungen der Zuschauer gerecht. Hier agiert ein großer Schauspieler, was man in einem Stadttheater-Musical nicht unbedingt erwarten würde.
Regisseur Georg Münzel gelingt es, die schauspielerische Distanz zwischen seinen Solisten zu nutzen und in ein unterhaltsames Gesamtkunstwerk zu verwandeln. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Finale des ersten Aktes („Weihnachten ist mir die liebste Zeit“): Einerseits ist dieser Song sehr amüsant, andererseits bekommt jeder der Beteiligten (Moschitz, Richter, Plathe und Lillemor Spitzer als Paula Abagnale) seinen Moment mit Tiefgang.
Frivol, frech und weiterhin sehr unterhaltsam geht es weiter mit „Was der Arzt verordnet“. Frank Jr. hat vom Piloten zum Arzt „umgeschult“ und trifft auf seine große Liebe Brenda (Carina Böhmer). Auch Brendas Eltern (Olaf Paschner und Lillemor Spitzer) verspricht er das Blaue vom Himmel und lügt sie an. Spitzer zeigt an dieser Stelle ein besonders großes komödiantisches Talent und erntet viele Lacher.
Brendas schön trauriges Abschiedssolo „Flieg, Flieg ins Glück“ („Fly, Fly Away“) wurde nicht komplett übersetzt, funktioniert aber dennoch sehr gut. Böhmer interpretiert den gefühlvollen Titel sehr gut.
Wir sind wieder zurück am Flughafen von Miami. Mit „Goodbye“ möchte Frank Jr. seine ganz persönliche Show auf dem Zenit beenden, was ihm Hanratty aber nicht zugestehen kann. Moschitz beweist einmal mehr seine schauspielerische Intensität und sein sehr gutes Körpergefühl. Das Publikum hat er auf jeden Fall um den Finger gewickelt.
Es folgt das finale „Seltsam aber wahr“, in dem deutlich wird, dass Hanratty und Frank Jr. im wahrsten Wortsinn (verbildlicht durch Handschellen) aneinanderhängen. Richter und Moschitz harmonieren sehr gut und ihre Spielfreude ist bis zum Schluss deutlich spürbar.
Dass „Catch me if you can“ so gut funktioniert, liegt nicht nur an der wirklich gelungenen Besetzung, sondern vor allem auch am durchdachten Gesamtkonzept. Daran haben auch Johannes Fischer (Bühne) und Volker Deutschmann (Kostüme) einen nicht unwesentlichen Anteil. Nicht vergessen darf man natürlich die kleine Band unter der Leitung von Felix Meyerle. Sie vertonen Marc Shaimans Kompositionen mit viel Schwung und lassen keine Sekunde nach.
„Catch me if you can“ ist Stadttheater-Unterhaltung auf hohem Niveau und eine sehr willkommene Abwechslung zu den vielen „My Fair Lady“-Inszenierungen, die ansonsten in Stadttheatern so gern gezeigt werden.
Michaela Flint
Besuchte Vorstellung: 28. Dezember 2018