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Gaaanz ruhig – Nik singt und ringt um Fassung

Seit 20 Jahren gehört Nik Breidenbach zur Schmidt Theater Familie, sein Solo-Programm ist die 13. Produktion, in der er im Schmidt Theater, Schmidt’s Tivoli oder Schmidtchen auf der Bühne steht, aber „Gaaanz ruhig“ ist das erste Stück, das er selbst geschrieben hat.

Der gebürtige Münchner und eingemeindete Dithmarscher beginnt seinen Seelenstriptease mit einem ur-bayrischen Auftakt: In Lederhosen und mit breitestem Bayrisch überrascht er das norddeutsche Publikum erstmal gehörig. Klar weiß man, dass Breidenbach nicht „bloß“ Sänger und Schauspieler ist, sondern dass er auch ein sehr ausgeprägtes Talent für Komik und Pointen hat.

Begleitet von Gleb Pavlov am Piano gestattet Breidenbach Einblicke in das Leben eines Bühnenkünstlers abseits der abendlichen Vorstellungen. Dabei geht es vor allem ums Warten und geduldig sein. Breidenbach formuliert diese Zeit als „musikalische Schnitzeljagd für Depressive“, denn natürlich legt er sich auch gesanglich ins Zeug.

Also sitzt Breidenbach quasi den ganzen Abend auf seinem Handy und wartet auf den erlösenden Anruf seiner Agentur mit dem Inhalt, dass er das ersehnte Engagement beim „Großstadtrevier“ bekommt, um das er sich so bemüht hat.

In Kurzepisoden führt uns Nik in das Klischee-behaftete Leben von Schwulen (schöne, gelungene Idee Herbert Grönemeyers „Männer“ auf „Schwule“ umzutexten), lamentiert über das flatterhafte Dasein eines Künstlers („Love is like a butterfly“ mit sehr schönen Schmetterlingsprojektionen) und versucht Mitleid für die Suche nach Selbstbestätigung durchs Publikum zu wecken, die für jeden Schauspieler essentiell ist. Leider zündet die „Think“ / „Respect“-Sequenz aber leider nicht wirklich.

Herausragend ist Breidenbachs Vision von sich selbst als Supermarkt-Kassiererin. Da bebt das Schmidtchen vor Lachen. Ebenso gut kommt beim Publikum die Sequenz an, in der Breidenbach seinen Frust mit einer Flasche Korn ertränkt. „Hopelessly devoted to you“, „Mein Leberabend“ und seine Ode ans Bett geben ein rundes Gesamtbild ab.

Doch dabei bleibt es nicht: „Weg zurück zu mir“ zeigt eindrucksvoll, dass man sich manchmal selbst aus dem Schlamassel ziehen muss. Inhaltlich und optisch überzeugt diese Szene vollends. Auch die gelungenen Projektionen tragen zu diesem sehr guten Ergebnis bei.

Breidenbach kriegt die sprichwörtliche Kurve nach einer schier endlosen Depriphase mit „I’m still standing“ und „Ich weiß was ich will“. Das Finale („The greatest love of all“) ist einmal mehr eine Hommage an seinen abwechslungsreichen, anspruchsvollen und manchmal nervenzehrenden Job.

Das Publikum ist begeistert und honoriert das „Gesamtkunstwerk“ Nik Breidenbach mit langem Applaus.

Doch irgendwie bleibt die Frage unbeantwortet, warum er diese Show geschrieben hat. Denn wirklich viel Inhalt transportiert er mit seinen (fiktiven) Erlebnissen nicht und auch die Songauswahl wirkt an vielen Stellen unausgegoren. Doch das Schöne am Schmidt Theater und seinen Produktionen ist, dass diese sich immer weiter entwickeln. Vielleicht sieht es bei der Wiederaufnahme Ende April 2017 schon ganz anders aus?

Michaela Flint

Theater: Schmidtchen, Hamburg
Besuchte Vorstellung: 6. Oktober 2016
Darsteller: Nik Breidenbach
Buch / Regie: Nik Breidenbach / Marc Lippuner
Fotos: Oliver Fantitsch