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Erneut ein gescheiterter Versuch

Nur selten habe ich mit meinem Berufsethos als Journalistin so schwer zu kämpfen wie im Fall der „Europapremiere der überarbeiteten Fassung der letztjährigen Weltpremiere von „Marilyn – Das Musical“. Nachdem die Kritiken im vergangenen Sommer in München vernichtend waren, entschloss man sich, das Stück komplett zu überarbeiten. Dementsprechend gespannt und froher Erwartung ging ich mit hunderten Gästen am 12. Juli zur Premiere in das Hamburger Schauspielhaus.

Das was sich uns jedoch dort bot, war schlichtweg ein Graus. Nichts, aber auch gar nichts an dieser Show funktionierte: Das Buch hatte Lücken, holperte und wirkte lieblos zusammengeschustert. Die Choreographien waren einfallslos und von den Darstellern alles andere als synchron vorgetragen. Die Band vergriff sich mehr als einmal im Ton. Das Bühnenbild war funktional, fügte sich aber nur in der Club-Szene als stimmiges Ganzes zusammen. Wenn wenigstens die Hauptdarsteller für die große Enttäuschung auf Produktionsseite entschädigt hätten.

Aber nein, Anna Montanaro, die die Rolle der Marilyn bereits in München verkörpert hatte, wirkte lustlos, konnte das Divenhafte und Betörende der Monroe nicht einmal ansatzweise transportieren, schien stimmlich nicht ganz auf der Höhe und ließ sich von Carina Sandhaus alias Jean Harlow einfach an die Wand spielen. Sandhaus und Siggy Davis als Ella Fitzgerald waren die einzigen, die aus der breiten Masse der Darsteller positiv herausragten. Beide agierten bühnen- und raumfüllend, genauso wie rollendeckend.

Die Herren spielten in Marilyn Monroes Leben immer eine wesentliche Rolle – in diesem Musical gerieten sie zu Nebendarstellern. Kaum dass man einen optischen Unterschied zwischen ihnen bemerkte, die Figuren selbst unterschieden sich auch kaum.

Wenige inszenatorische Kunstgriffe aus der Regie von Matthias Davids bleiben als originell haften: So beispielsweise das startende Flugzeug am Ende des ersten Akts, wenn Marilyn ihren Mann zugunsten der GIs und ihrer eigenen Prominenz davonziehen lässt. Auch die Bar, die sich aus zwei zusammen geschobenen Podesten bilden lässt, au denen jeweils Bandmitglieder sitzen, ist sehr effektvoll und funktioniert einwandfrei. Marilyn Sehnsucht nach Anerkennung durch einen Tanz mit drei Kameras darzustellen, wundervoll. Ihre Affäre mit Kennedy jedoch als Ballett-Sequenz darzustellen, erscheint wiederum sehr unpassend.

Die Choreographien von Melissa King scheinen nicht ausgereift, auch wenn dort nur einfache Basiselemente verarbeitet wurden. Von Originalität und Neuartigkeit ist dort ebenso wenig zu sehen wie bei den Kostümen von Zwinki Jeannée und den unfassbar schlecht sitzenden Perücken. Besonders bei Anna Montanaro fällt letzteres stark ins Gewicht. Sie sieht nur selten aus wie die Sexbombe der 50er, sondern wie eine billige Kopie. Das hat Marilyn Monroe nun wahrlich nicht verdient.

In die Reihe der Enttäuschungen fügt sich die Musik nahtlos ein. Bei einem Musical über eine Stilikone darf man wohl erwarten, dass man auch musikalisch etwas geboten bekommt. Stattdessen gab es nicht einmal 20 zumeist bekannte Titel zu hören („Diamonds are a girls best friend“, „Heat Wave“, „My Heart Belongs to Daddy“), die zum einen die Handlung nicht wirklich weiter gebracht haben und zum anderen zu wenig begeisterungsfähig von der Band gespielt wurden, dass man auch direkt ein Band hätte abspielen können.

Die geplante Tournee des Stücks (nach Hamburg sollte es nach Berlin und danach durch ganz Europa weitergehen) wurde nach der wenig erfreulichen Sommerbespielung im Schauspielhaus bis auf weiteres abgesagt.

Ich bin tatsächlich bis zum Ende des 2 Akts geblieben und habe in der Pause dem Drang, das Theater schnellstmöglich zu verlassen, nicht wie so viele andere nachgegeben. Aber wie eingangs erwähnt – so schwer ist mir die Auseinandersetzung mit meinem Berufsethos als Kritiker noch nie gefallen.

Nachdem nun auch der zweite Versuch, der Monroe ein musicalisches Denkmal zu setzen, so eindeutig fehlgeschlagen ist, sollte man es vielleicht dabei bewenden lassen.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Schauspielhaus, Hamburg
Premiere: 12. Juli 2007
Darsteller: Anna Montanaro, Carina Sandhaus
Regie: Matthias Davids
Fotos: Schauspielhaus Hamburg