home 2008 Endlich Off-Broadway in Deutschland!

Endlich Off-Broadway in Deutschland!

Mit „Ich liebe meine Frau“ feierte am 13. April ein Cy Coleman Stück im Hamburger Café Keese seine Deutschlandpremiere, dass von 1977-1979 sehr erfolgreich am Off-Broadway lief. Der Erfolg lässt sich durch die gewohnt mitreißenden Kompositionen Colemans und die wundervoll selbstironische Handlung leicht nachvollziehen. „I love my wife“ hielt schon Ende der 70er dem Publikum den Spiegel vor – daran hat sich auch 30 Jahre später nichts geändert: Sind wir wirklich soviel offener und experimentierfreudiger in Sachen Partnerschaft und Beziehung als vor der sexuellen Revolution? Oder sind nicht vielleicht doch noch genauso bieder und spießig wie unsere Eltern / Großeltern? Genau diesen Fragen geht „Ich liebe meine Frau“ auf den Grund.

Im Mittelpunkt stehen zwei seit der Schulzeit befreundete Paare, die in ihrem Ehealltag gar nicht so unglücklich sind, denen jedoch der gewisse Kick fehlt. Während sich Cleo (Raphaela Groß-Fengels) und Monika (Natascha Hill) in Shoppingexzessen und dem neuesten Klatsch und Tratsch ergehen, entspinnt sch in den Hirnen ihrer Gatten (Detlef Leistenschneider als Wolle und Mickey Petersson als Erwin) die Vorstellung einer Ménage-à-Trois. Treibende Kraft hierbei ist Wolle, dem sein Sexualleben augenscheinlich schon länger etwas zu öde ist. Erwin lässt sich überzeugen und schlägt seiner Frau Cleo vor, ihr bis dahin glückliches, aber normales, Sexualleben aufregender zu gestalten. Er hat sich auch genau überlegt, wer die dritte Person sein soll: Monika, Wolles Frau. Doch Cleo hat so ihre eigenen Vorstellungen und würde sich lieber Wolle als zusätzlichen Partner ins Bett einladen. Das passt Erwin natürlich so gar nicht, aber nach einigem Hin und Her einigt man sich mit Wolle auf einen Vierer am Heiligen Abend. Allerdings hat niemand Monika über dieses Vorhaben informiert. Die Katastrophe ist vorprogrammiert: Monika ist beleidigt als ihre Kochkünste nicht gewürdigt werden, Wolle würde Cleo am liebsten sofort flachlegen, Erwin wird die Situation von Minute zu Minute mulmiger, und doch reizt in ein Techtelmechtel mit Monika sehr. Ein turbulentes Vom-Wohnzimmer-durchs-Schlafzimmer-Getobe beginnt, zwischendurch entledigen sich die Paar fast gänzlich ihrer Festtagskleidung und das ganze endet – nein, nicht im geplanten, coolen, sexuell erweiternden Vierer, sondern in einer peinlich-berührten Stimmung, in der sich die vier ganz schnell wieder anziehen, Cleo und Erwin nach hause gehen und die vier den Rest der Feiertage und ihres Lebens ganz spießig mit ihren Ehepartner verbringen.

Obgleich das Stück schon dreißig Jahre auf dem Buckel hat, sprüht es vor Witz und Situationskomik. Da bedarf es sehr viel Gespür, das ganze nicht in Lächerliche abrutschen zu lassen. Leistenschneider und Petersson beweisen dieses auf ganzer Linie. Ob nun Petersson den im Grunde seines Herzen schüchternen und immer wieder zweifelnden Erwin gibt oder Leistenschneider den wollüstigen, vermeintlich experimentierfreudigeren Wolle – beide schenken ihren Charakteren volle Authentizität. Ihre beiden Kolleginnen haben es da etwas schwerer, zumal sich Damen auch grundsätzlich nicht so leicht in die Karten schauen lassen. Aber Raphaela Groß-Fengels zeigt eindrucksvoll, dass die Idee eines Dreiers einen bisher ungekannten Wunsch Cleos zum Ausdruck bringt und Natascha Hill gibt eine wundervoll zickige Monika, die in der Ehe mit Wolle ganz klar die sprichwörtlichen Hosen anhat.

Alle vier zeigen, dass Musical alles andere als langweilig ist. Die Pointen sitzen und das Publikum hat sicht- und hörbar seine Freude an dieser musikalischen Satire.

Die vier Darsteller werden von einer vierköpfigen Band unterstützt, die auch geschickt in die Handlung mit eingebaut werden.

Durch den kompakten Bau des Tanzlokals Café Keese geht akustisch nichts verloren und Colemans Kompositionen kommen in aller Pracht beim Zuschauer an.

Auch die wenigen Kulissen, die sehr effektvoll eingesetzt werden und so die verschiedenen Szenen immer wieder neu einkleiden, zeigen, dass es nicht immer die 10 Mio. Produktion sein muss, um ansprechend unterhalten zu werden.

„Ich liebe meine Frau“ sorgt für einen unbeschwerten Abend bei Zuschauern, Künstlern und Kreativen gleichermaßen. Es ist eine Freude zu sehen, dass Regisseur Lutz E. Seelig sich während der Premiere ebenfalls vor Lachen kaum halten konnte.

Genau so funktioniert Off-Broadway, das macht den Reiz am Musical aus! Es muss nicht immer alles höher, größer, teurer, schneller sein. Mit möglichst wenig Aufwand dem Publikum einen schönen Abend bereiten und dabei als Künstler selbst noch Spaß haben – was will man mehr? Auch unserer Sicht ganz einfach: Wir wollen davon in Deutschland noch viel mehr sehen!

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical

Theater: Café Keese, Hamburg
Premiere: 13. April 2008
Darsteller: Raphaela Groß-Fengels, Natascha Hill, Detlef Leistenschneider, Mickey Petersson
Regie / Musik: Lutz E. Seelig / Cy Coleman
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