Sommerzeit ist Reisezeit! Heiko Wohlgemuth (Texte) und Martin Lingnau (Musik) haben sich eine kunterbunte Show rund um das Thema Reisen, Urlaubsziele und die „typische deutsche Urlaubsfamilie“ ausgedacht.
Ausgehend von „Hamburg im Regen“ geht es mithilfe von Reisebürochef Willy Fröhlich „Ab in den Süden, der Sonne hinterher“. Schlechtwettertief Corny bringt Familie Koschwitzki erst so richtig in Urlaubsstimmung. Während Vater Koschwitzki (Nik Breidenbach) von einem eher entspannten Mallorca-Urlaub träumt, phantasiert Mutter Koschwitzki (Petra Staginnus) von gut gebauten Jamaikanern, die ihren Urlaub noch heißer werden lassen. Die Tochter (Franziska Trunte) gibt immer mal wieder das gute und ökologische Gewissen der Familie, während Sohnemann (Christian Petru) nur Eis im Sinn hat.
„Gimme just a little smile“ und mannshohe Joints sorgen umgehend für die richtige Stimmung. „Coconut Girl“ Veit Schäfermeier wiegt sich zu den Klängen und ist dabei herrlich verpeilt, so dass sich das Publikum schon jetzt vor Lachen krümmt.
Das nächste Urlaubsziel, das Willy Fröhlich (Götz Fuhrmann) aus dem Hut zaubert ist Ägypten. Ein bühnenumrahmendes Portal dient als Projektionsfläche. Und so tanzen Pharaonen, Kamele und Schlangen rund um die Szenerie, in der sich die Reisewilligen zu „Wie eine Fata Morgana“ oder „Gehen wie ein Ägypter“ von ägyptischen Eindrücken berieseln lassen.
Ausnehmend lustig ist auch die folgende Szene, in der von einem Professor (erneut Veit Schäfermeier) nützliche Empfehlungen für die Reiseapotheke gegeben werden. Zu einem umgedichteten „Nossa“ wird das Thema „rektale Dysharmonie“, von Mutter Koschwitzki auch als „Sprühwurst“ bezeichnet, thematisiert.
Nächster Halt auf dieser abgefahrenen Reise ist Afrika. Die Kulissen (zwei dreieckige, klappbare Module) verwandeln sich blitzschnell von einem Reisebüro in einen Dschungel, in dem sich zahlreiche Tiere tummeln. Neben Giraffe, Elefant, Löwe und Zebra, findet sich im Schmidtschen afrikanischen Dschungel auch ein Tiger. Das nennt man dann wohl künstlerische Freiheit, denn Tiger sucht man in Afrika sicherlich vergebens.
Sehr kreativ sind die Tiergesichter (also die Kopfbedeckungen der Darsteller): Da wird aus Blumentöpfen und Flaschen ein Giraffenkopf, ein Schlauch mit Brause symbolisiert den Elefanten, der wilde Löwenkopf besteht aus Putzschwämmen und die Mähne des Zebras aus Putzbürsten. Gesanglich wird hier eine Gratwanderung von der Persiflage auf das Disneymusical „Tarzan“ über „King of the Bongo“ (Nik Breidenbach als kleinwüchsiger Elvis-Verschnitt) bis zum einem etwas sehr disharmonischen „Waka Waka“ – gesungen von Mutter und Tochter (Staginnus und Trunte) geboten.
Großartig ist Breidenbachs Wutausbruch als ‚Pauschaltourist aus Herne’, dem nach einem schreiend komischen Flug nach Ibiza bei Ankunft von seinem Gepäck nur der Griff bleibt. Die Zuschauer lachen Tränen, während er versucht, dem sprachlich nicht allzu versierten Flughafenpersonal zu erklären, dass augenscheinlich sein Gepäck fehlt.
Weiter geht es mit den „Tres Gigantos“, gespielt von Schäfermeier, Breidenbach und Fuhrmann, die in einem Kasperltheater tanzend Hits wie „Bamboleo“ zum Besten geben. Auch hier johlt das Publikum vor Begeisterung.
Zum Finale der ersten Halbzeit geht es nach Italien, worauf das Publikum mit der allen noch bestens bekannten „Allianz“-Werbung der 1980er Jahre eingestimmt wird. Es folgt Italopop in Reinkultur (Eros Ramazzotti, Albano & Romina Power) dargeboten von Gondolieri in einmal mehr sehr kreativ umgesetzten Minigondeln. Das Highlight dieser Szene ist dann Breidenbach in einem roten Traumkleid, der das obligatorische „Sempre, Sempre“ schmettert und ein jubelndes Publikum in die Pause entlässt.
Im 2. Akt geht es genauso rasant und komisch weiter. Nach einem klischeebeladenen Abstecher nach Bayern und Österreich geht es für risikofreudige Touristen in den Adventurepark Abdullah oder auf die Insel „Santa Maria“, die im eingespielten Film ein wahres Müllparadies ist.
Wir begleiten Familie Koschwitzki an den Strand, wo Beach Boys in sehr ungewöhnlichen Badehosen „Surfin USA“ nicht nur singen, sondern auch sehr beeindruckend tanzen. Zur Melodie des „Ketchup Song“ klagt die Tochter ihrer Mutter ihr Leid, dass sie zu fett sei. Wohlgemuth hat hier scheinbar spielend sämtliche aktuelle Modesportarten im Songtext untergebracht.
Sehr wissend und nichtsdestoweniger lauthals lachend nimmt das Publikum die ‚Schwabbelarme’ von Mama zur Kenntnis, die diese kurzerhand als Handytasche anpreist, wenn man einen Reißverschluss einnähen würde. Mama lebt eben „volles Pfund, ohne Fasten“ – eine wirklich tolle Botschaft einer erfahrenen Frau!
Endlich wird auch das im Laufe der Show mehrfach angespielte „Ice Ice Baby“ voll ausgespielt, der Sohn bekommt sein Eis und tanzt sich mit einigen Kumpels in bester Ballermann-Manier in einen Rausch.
Mutter Koschwitzki wird in der Folge von einem aufdringlichen kleinen Jungen belästigt, der sie erst eincremen möchte, was sie vehement ablehnt. Um des lieben Friedens willen pustet sie ihm seinen Schwimmring – einen Elefanten – auf, dem mit steigendem Umfang der Rüssel schwillt und der sich schließlich zu „I like to move it“ mit Wasserspritzern ins Publikum entlädt. Schlüpfrig? Ja. Albern? Durchaus. Aber genauso kennt und liebt das Publikum sein Schmidt Theater.
Das Stück endet mit einer sehr schönen Empfehlung von Willy Fröhlich: „Du bist urlaubsreif, mach Dich mal wieder locker!“ Beim finalen Party-Medley mit „Un Dos Tres“ und „Let’s get loud“ hält es dann wirklich niemanden mehr auf den Sitzen.
Dem eingespielten Kreativteam – neben Lingnau und Wohlgemuth waren noch Corny Littmann als Regisseur und Benjamin Zobrys an der Entstehung dieser Revue beteiligt – ist eine leichtfüßige, humorvolle Revue gelungen, die ganz in der Tradition der Schmidt Theater Stücke steht, die dieses Privattheater seit inzwischen 30 Jahren zu einem der erfolgreichsten Deutschlands machen
Der Humor ist bodenständig und die Rollen sind den Darstellern auf den Leib geschrieben. Auch die ein oder andere Improvisation ist mehr als gewünscht. Die Kulissen sind praktikabel, aber pfiffig und – dank der dosiert, aber gekonnt eingesetzten Projektionen – durchaus sehr modern.
Neben dem Gesang und dem Gespür für schräge Charaktere und Pointen dürfen die zehn Darsteller auch tänzerisch aus dem Vollen schöpfen. Vier Tänzer unterstützen die sechs Schauspieler und Sänger und geben dieser Revue einen durchaus ungewöhnlichen Rahmen. In dieser Konstellation kommen auch Zobrys schwungvolle Choreographien so richtig zur Geltung.
„Tschüssikowski“ ist eine gelungene Revue, die thematisch perfekt in den Sommer passt. Die Mischung aus groben Witzen, deftigen Klischees, Partyhits und schrullig-liebenswerten Charakteren trifft direkt ins Humorzentrum des Publikums.
Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin
Besuchte Vorstellung: 10. August 2018
Regie / Musik: Corny Littmann / Martin Lingnau
Fotos: Morris Mac Matzen