home 2007 Eindrucksvoll wie eh und je

Eindrucksvoll wie eh und je

Organisiert von Martin Timmy Haberger fand am 16. April fast auf den Tag genau 95 Jahre nach dem Untergang des majestätischen Luxusliners und knapp vier Jahre nach der letzten Aufführung von Maury Yestons dramatischem Untergangsmusical eine konzertante Aufführung von „Titanic – Das Musical“ statt. Genau gesagt, handelte es sich um ein Hörspiel, wie Martin Timmy Haberger während seiner Anmoderation betonte.

Auf der Bühne der Neuen Flora fand sich das 26-köpfige Orchester unter der Leitung von Bernhard Volk, rechts und links flankiert von 42 Darstellern ein. Wieviel Freude allen Künstlern diese einmalige Aufführung zugunsten der „Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ machte, war in jeder Sekunde, jedem Ton zu spüren.

Fast alle ehemaligen Ensemble-Mitglieder standen erneut für „Titanic“ auf der Bühne, allen voran natürlich Michael Flöth als Kapitän Smith, Carsten Lepper als Ingenieur Andrews und Robin Brosch als schmieriger Eigentümer Ismay. Die Offiziere Wolfgang Höltzel (Murdoch) und Stefan Voigt (Lightoller) sowie Norbert Kohler als Fleet fehlten genauso wenig wie Leon van Leuuwenberg und Ole Lehmann als Stewards der 1. bzw. 2. Klasse. Jasmin Madmar, Simoe Geyer und Jessica Kessler gaben erneut die drei irischen Kates und Marius Sverisson den verliebten Jim Farell. Auch Patrick Stanke kehrte als heizer Barrett  in seine erste große Musicalrolle zurück. Einzig Jens Janke als Funker Bride und Kristian Vetter als Pitman wurden von der Originalcast vermisst, aber durch Marcel Meyer und Heiko Stang mehr als würdig vertreten.

Das Konzert fand in sehr privater Atmsphäre statt. Man verzichtete – abgesehen von einem Titanic-Modell und dem Teewagen – auf jegliche Kulissen, Requisiten und Kostüme. Und so saßen die Darsteller brav nach Klassen und Bediensteten geordnet in ihren Anzügen und Abendkleidern auf der Bühne und sorgten für ein stilvolles Erscheinungsbild. Einzig Jessica Kessler hatte sich in der Kleiderwahl vertan und sah aus wie die jungen Mädchen auf dem Hamburger Kiez und nicht wie eine Künstlerin, die als Scaramouche in Zürich bereits ihre zweite große Hauptrolle spielt.

Titanic zündet noch immer! Als die ersten Klänge der opulent instrumentieren Ouvertüre erklangen, wurde es schlagartig still im Publikum. Jeder war gefesselt vom Bühnengeschehen, denn wie oft sieht man ein so großes Orchester während eines Musicals beim Spielen? Meist werden die Damen und Herren ja in einen Graben verbannt.

Die Tatsache, dass alle Akteure das Libretto in der Hand hatten und sich diese Textstütze auch mehrfach als sehr hilfreich erwies, störte niemanden. Viele brachten ihren Part mit der gleichen Energie und Ausdruckskraft über die Rampe wie noch vor vier Jahren – und sei die Rolle auch noch so klein, wie bspw. der Bell Boy, den Stefan Stara erneut liebenswert darbot.

Auch hier bildete Jessica Kessler die Ausnahme: Völlig überzogen und mit Klein-Mädchen-Quietsch-Stimme versuchte sie, ihrer Kate eine neue Facette zu geben. Dies misslang gründlich.

Da war es geradezu erfrischend mitzuerleben, wie viel reifer und erwachsener die gesanglichen Interpretationen von Patrick Stanke und Carsten Lepper waren. Patrick Stanke hat sich deutlich weiterentwickelt, was man in jedem Ton höre und Carsten Lepper konnte die innere Zerrissenheit, das Pflichtgefühl und das beklemmende Verantwortungsbewusstsein des Titanic-Ingenieurs noch intensivieren.

Marina Edelhagen und Robert Lenkey rührten als älteres Ehepaar Strauss mit ihrem Duett zu Tränen.

Lediglich die Schluss-Sequenz verlor als konzertante Fassung ein wenig. Der Unterschied zwischen Überlebenden und denjenigen, die mit der Titanic ertrunken waren, war durch die fehlenden Decken und die fehlenden verschiedenen Bühnenhöhen nicht trennscharf.

Doch das Publikum, unter das sich auch Stage Entertainment Boss Maik Klokow und Regisseur Eddy Habbema, gemischt hatten, forderte frenetisch diverse Zugaben und wollte die fast siebzig Beteiligten auf der Bühne nicht gehen lassen.

Eine Auslastung von nicht einmal 40 % klingt sehr wenig, doch bei einem so großen Haus wie der Neuen Flora ist das beachtlich – zumal, wenn man berücksichtigt, wie wenig Werbung für dieses Konzert gemacht wurde. Warum also organisiert man ein solches Konzert nicht ab sofort regelmäßig als feste Größe im Hamburger Musical-Kalender? Nicht nur die „Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ würde sich darüber sehr freuen.

Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical