Die Brüder Grimm Festspiele in Hanau haben sich in den letzten Jahren zu einer festen Größe des Musicalsommers entwickelt. Regelmäßig wechselnde Kreativteams verleihen den angestaubten Grimmschen Märchen immer wieder einen neuen, unerwarteten Anstrich. In diesem Jahr liefern Cusch Jung (Regie) und Marc Schubring (Musik) ein Familienmusical auf höchstem Niveau ab.
Zu Beginn wohnen die Zuschauer einer Gerichtsverhandlung in der Zwischenwelt bei, in der der Bonvivant Felix de Laroche-Carabas nach eindringlichem Flehen und Fürsprache der weiblichen Anwesenden begnadigt wird. Zur Bewährung wird er als Kater Felix mit der Auflage auf die Erde zurückgeschickt, einen armen Schlucker reich, glücklich und zum König zu machen. Der Müllersbursche Konstantin scheint dafür genau der Richtige zu sein.
Der Zufall und die ebenfalls begnadigte Comtesse Romanova helfen dem Kater bei seiner Aufgabe. Romanova steht – wie könnte es anders sein – in Diensten der gelangweilten Prinzessin, die von ihrem Vater in Watte gepackt und von dessen Ratgeber, dem intriganten Zauberer Fürst Sourisaut, für seine Zwecke eingespannt wird.
Die Handlanger des Zauberers, Mist und Übel, sorgen durch ihre Tollpatschigkeit für jede Menge Chaos. Ihre kindliche Neugier und die Kabbeleien torpedieren mehr als einmal die fiesen Pläne ihres Meisters.
Am Ende verlieben sich Prinzessin und Müllersbursche ineinander; der König dankt ab. Kater Felix kann stolz auf seine Arbeit sein, denn bis zum Happy End gibt es jede Menge Verwicklungen und Irrwege.
Franz-Lorenz Engel hat das Märchen mit viel Witz und Augenzwinkern in ein Musical verwandelt, welches Cusch Jung mit einem ausgezeichneten Händchen für die perfekte Besetzung und eine nicht minder gelungene Personenregie auf die Bühne bringt. Marc Schubrings schwungvolle, abwechslungsreiche Melodien bieten für jeden Geschmack etwas. Kinder können die Songs schnell mitsummen und die Eltern erfreuen sich an den launigen Songtexten von Edith Jeske.
Komplettiert wird die Riege der Kreativen von Tobias Schunk (Bühne) und Ulla Röhrs (Kostüme). Schunks Bühne ist aufwendig, es wird auf drei Ebenen gespielt und im Handumdrehen wird aus einem Birkenwald das Königsschloss, eine Boutique oder die Mühle. Auch das ausgeklügelte Lichtdesign hat an dieser gelungenen Umsetzung einen großen Anteil. Röhrs Werk zeigt sich vor allem in den Kleidern der Prinzessin, den Kostümen der Engel und Rebhühner sowie den Umhängen des Zauberers. Vielseitig, ungewöhnlich, elegant und prunkvoll – hier kommt das Publikum aus dem Staunen kaum heraus.
Alle Rollen im „Gestiefelten Kater“ sind sehr gut besetzt – allen voran Tanja Bahmani als Köchin Mathilda. Ihre Mimik ist beeindruckend, sie spielt resolut und ihr Comedy-Talent lässt sich nicht verheimlichen. Zudem verfügt sie über eine starke Rockstimme, die sie nur zu gern und in vollem Umfang einsetzt. Mit „Dein Genuss ist ein Muss“ zeigt sie, dass sie den König mehr als nur als Chef schätzt. Kurzerhand übernimmt sie das Regiment über dessen Wohlbefinden und nicht einmal der Zauberer kann daran etwas ändern.
Alexander Martin gibt den nonchalanten, gewitzten Kater, der mit unnachahmlichem französischen Akzent und die Charme die Damenwelt um den Finger wickelt. Er erinnert phasenweise an eine Mischung aus Rum Tum Tugger und Munkustrap aus „Cats“, doch in Sachen Gewitztheit ist Kater Felix seinen vierbeinigen Musicalkollegen um Meilen voraus.
Als Müllersbursche Konstantin steht Dennis Dobrowolski auf der Bühne des Amphitheaters am Schloss Philipsruhe. Er gibt den unsicheren, schüchternen, aber zu gleich herzensguten und grundehrlichen Jungen zu jeder Zeit glaubhaft. Seine Soli sind ebenso überzeugend. Seine jugendlich-warme Stimme passt perfekt zum Rollenprofil. „Lügen kann ich nicht“ ist hierfür der Beweis.
Dass Thorsten Tinney sein Fach beherrscht, beweist er seit vielen Jahren insbesondere in kleineren Inszenierungen („Pinkelstadt“, „Die Schwarzen Brüder“). Als Zauberer Fürst Sourisaut darf er seine dunkle Seiten zeigen und den ganzen Königshof schikanieren. Die Figur macht ihm sichtlich Spaß – bis zu dem Moment, wo er sich vom Kater austricksen lässt und sich – insbesondere für die kleinen Zuschauer nicht ersichtlich – vor aller Augen in eine Maus verwandelt, die vom Kater dann genüsslich verspeist wird.
Mist und Übel, die Diener, die so schusselig sind, dass sie in ihre eigenen Stolperfallen laufen, vereinen die meisten Lacher auf sich. Michael Schäfer und Michael Morgenstern erinnern vage an Max und Moritz und haben sichtlich Spaß an ihrer Aufgabe. Herausragend sind ebenfalls die Rebhühner nebst entsprechendem Ballett. Nicht nur die Kostüme, auch die Choreographien und die Mimik von Annette Potempa, Ira Theofanidis und Mirjam Wolf sorgen für Seitenstechen vor Lachen.
„Der Gestiefelte Kater“ in Hanau ist ein Lehrstück für eine perfekte Bühnenadaption. Ein Schlitzohr als Protagonist, der diese Eigenschaft ausleben darf, schräge, aber nicht zu seltsame Figuren, die Felix und Konstantin auf ihrer Reise begegnen, schmissige Kompositionen, kurzweilige Dialoge, phantasievolle Kostüme und ein mitreißendes Ensemble sind die Zutaten für diesen wunderbaren Musicalcocktail.
Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin
Besuchte Vorstellung: 15. Mai 2015
Darsteller: Alexander Martin, Tanja Bahmani, Dennis Dobrowolski, Thorsten Tinney, Michael Schäfer, Michael Morgenstern
Musik / Regie: Marc Schubring / Cusch Jung
Fotos: Reinhard Paul