Wer kennt den Disney-Film mit Mogli, Balu und Baghera nicht? Jeder kennt und liebt Balus „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“ oder „Vertrau’ mir“ von Kaa… Da ist es schon sehr mutig, sich mit dem bekannten Stoff und ohne Disney’s Rückendeckung an diese Geschichte heranzuwagen. Doch genau das hat Kai Wagner gemacht. Im Dezember lief „Dschungel-Buch – Das Mogli Musical“ im Hamburger Sternenzelt-Theater.
Beim Betreten des Zelts werden die Zuschauer, zumeist Eltern mit kleinen Kindern, von einer Dschungelbühne begrüßt. Die Kulissen sind für eine kleine Produktion gut gelöst und ermöglichen das Spiel auf drei Ebenen: Dschungel, Wolfsfelsen und Affenstadt. Während die Kostüme eher zweckdienlich, auffallend häufig mit langen Mänteln umhüllte Darsteller, sind, sind die Masken sehr gut gelungen. Die Kinder können Affen problemlos von Balu, Mogli und natürlich dem bösen Shir Khan unterscheiden. Und darauf kommt es bei einer Kindershow an.
Alle wichtigen Figuren kommen auch in diesem Stück vor, wobei Wagner betont, dass er sich am Buch von Rudyard Kipling und weniger an der Disney-Fassung orientiert hat. Häufig gereicht es zum Nachteil einer Produktion, wenn der Autor des Stücks auch an der kreativen Umsetzung auf der Bühne mitarbeitet (prominentestes Beispiel „Dirty Dancing“). Auch in diesem Fall ist es so, dass es dem Musical sicherlich gut getan hätte, wenn mehr Eindrücke von außen eingeflossen wären. So fehlt den Kompositionen das Mitreißende, was gerade bei Kinderstücken unerlässlich ist. Natürlich hat Balu auch hier seinen Mitmachsong. Allerdings heißt er hier: „Umschabmdubmdabm“ und wirkt sehr aufgesetzt. Was nicht an der Leistung des Künstlers unter dem Teddyfell liegt (Sascha Kraft). Er macht aus dem, was ihm Wagner vorgesetzt hat das Beste. Was im Übrigen für das gesamte nur 8-köpfige Ensemble gilt.
Die Hauptrolle, Mogli, wird von Ines Lammers gespielt. Warum die Rolle mit einer Frau besetzt wurde, ist nicht ganz klar. Man könnte spekulieren, dass es an der guten Zusammenarbeit aus den Vorjahren liegt, vielleicht hat man auch keinen passenden männlichen Darsteller gefunden. Die Kinder jedenfalls stört es nicht. Moglis Freund und zwangsverpflichteter Aufpasser Balu wird von Sascha Kraft dargestellt, der seine Stimme sehr verstellen muss, aber den leicht schusseligen Sympathieträger der Show tadellos gibt. Andreas Busch und Oliver Jung sind die Raubkatzen. Während jedoch Busch den von seinem Schutzbefohlenen leicht genervten Baghera sehr überzeugend spielt, wirkt Jung zu aufgesetzt und unnatürlich. Anstatt böse sein eindeutiges Ziel – Mogli zu vertreiben – zu verfolgen, stolziert er einfach nur sehr arrogant über die Bühne. Das wieso und warum wird nicht deutlich. Sicherlich mag hier das Manko auch auf Seiten der Regie liegen.
Oliver Frischknecht ist sowohl als Moglis Wolfsvater Akela zu sehen als auch als Affenkönig King. Beide Rollen füllt er aus, wobei er das Majestätische und Respektzollende von Akela noch besser zum Ausdruck bringt als das Lebensfrohe des Affenkönigs. Die Rolle des Mädchens, das Mogli schlussendlich den Weg aus dem Dschungel zeigt, übernimmt Christiane Grebita, die nach zahlreichen Ensemblerollen in Großproduktionen, nun in eine etwas undankbare Rolle schlüpft. Tina Ajala hat als Kaa eine der schönsten Rollen. Auch wenn die Schlange weniger betörend als liebevoll einwickelt dargestellt wird, sind ihre Auftritte mit die besten der Show. Bleibt noch Mareike Schöneberger, die in verschieden kleineren Rollen – als Elefant Tarkan, als Affe, als Tänzerin – zu sehen ist.
Das Ensemble besteht aus jungen, aber erfahrenen Musicaldarstellern, die sich und ihre Fähigkeiten voll und ganz mit einbringen. Auch gesanglich sieht man an der ein oder anderen Stelle ein großes Talent aufblitzen. Zu mehr reicht es aber bei den ansonsten recht harmlosen Kompositionen nicht.
Was man diesem Kindermusical neben schönen Kulissen und sympathischen Darstellern zugute halten muss, ist das Preis-Leistungs-Verhältnis. Für nicht einmal 18 Euro wurden die Tickets angeboten. Da fallen einem spontan zahlreiche Shows ein, in denen wie hier Profis auf und neben der Bühne agieren, wo aber deutlich weniger Unterhaltung und Anspruch für einen wesentlich höheren Preis geboten wird. So betrachtet, ist das Sternezelt-Team auf dem richtigen Weg. Wenn bei den nächsten Musicals noch „unabhängige“ Regisseure und/oder Komponisten dazukommen, kann man sich auf eine runde Sache freuen.
Michaela Flint
veröffentlicht in blickpunkt musical
Premiere: November 2007
Darsteller: Andreas Busch, Oliver Jung, Sascha Kraft, Ines Lammers
Regie: Kai Wagner
Fotos: Sternenzelt Theater