Rio Reiser prägte mit „Ton Steine Scherben“ aber auch allein eine ganze Generation. Zu den bekanntesten Songs gehören sicherlich „Junimond“ und „König von Deutschland“. Doch der Tiefgang seiner Stücke, die verwirrend-poetischen Texte und die nicht selten überkochenden Emotionen waren und sind alles andere als leicht verdaulich.
Bei der Premiere von „Wenn die Nacht am tiefsten“ in Lüneburg fanden sich im Publikum vorrangig Anhänger Reisers, die schon bei den ersten Tönen sehnsuchtsvoll verzückt lauschten.
Gregor Müller, dem Lüneburger Publikum aus „Struwwelpeter“ und „The Black Rider“ bekannt, hat ganz offensichtlich ein Händchen für skurrile Charaktere und ausgefallene Songs. Er sitzt an diesem Abend selbst am Klavier und wird von Olaf Niebuhr virtuos an der Gitarre begleitet. Die beiden harmonieren mit ihren Instrumenten sehr gut.
Allein die Optik der beiden und die Kargheit der Bühne machen deutlich, dass es hier um das Werk eines zerrissenen, melancholischen Künstlers geht, der viel zu sagen hatte. Hier steht nicht lupenreiner Gesang, sondern der Inhalt der Songs im Vordergrund.
Seine anfängliche Nervosität legt Müller nach dem dritten Song gänzlich ab und blüht in dem intensiven Spiel von Gedichten und Songs auf. Die Zuschauer sind begeistert, wippen mit den Beinen mit und jubeln. „Der König von Deutschland“ klingt an diesem Abend nur ganz am Schluss instrumental an und wird von Gregor Müller nicht gesungen. Doch daran stört sich auf der Studiobühne T.NT niemand.
Die Mischung aus deutlich spürbarer Sehnsucht nach Freiheit, Menschlichkeit und Solidarität und zeitweilig wahnsinnig enervierenden Texten ist ganz sicher nicht jedermanns Sache. Doch das Premierenpublikum möchte die beiden Künstler nach dem kurzweiligen einstündigen Konzert am liebsten gar nicht mehr von der Bühne lassen.
Michaela Flint
erschienen in musicals – Das Musicalmagazin
Theater: T.NT, Lüneburg
Besuchte Vorstellung: 3.Oktober 2021
Darsteller: Gregor Müller
Fotos: Andreas Tamme